«Die Passion» als TV-Experiment
Jesus in orangener Häftlingskleidung
Der Sender RTL nannte es einzigartiges TV-Experiment: die Passionsgeschichte als modernes Pop-Event, erzählt von Thomas Gottschalk. Dabei kamen Menschen zu Wort, die sagten, was ihnen Jesus bedeutet.
Entkleidet aller historischen Bezüge ist die frühere Stahl- und Bergbaumetropole im Ruhrgebiet, die Stadt Essen Schauplatz der Geschichte. Orte der Handlung sind nicht nur der Burgplatz im Stadtzentrum, sondern auch der Weg vom Rüttenscheider Markt dorthin und andere bekannte Orte der Grossstadt.
Jesus kommt mit dem Bus
Auch die Handlung wird konsequent in die heutige Zeit «übersetzt»: Jesus besorgt sich die Fladenbrote an der Imbissbude, er kommt mit dem Bus in die Stadt, wird von deutschen Polizeibeamten verhaftet und in orangener Häftlingskleidung mit dem Transporter zum Prozess gebracht.
Thomas Gottschalk als Erzähler schafft die Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Szenen. Er betont mehrfach die Bedeutung des Geschehens. Über Jesus sagt er, dass er «die Autoritäten seiner Zeit schonungslos kritisiert» habe. Heute, so der Entertainer, würde er sicher als «erfolgreicher Influencer» bezeichnet werden.
Dadurch, dass die Historie der Passionsgeschichte komplett aussen vor bleibt, ist das Schauspiel eben kein Kostümfest oder Historienspiel und stellt allein schon dadurch die Nähe zu den rund 5000 Menschen auf dem Burgplatz im Stadtzentrum und dem Millionen-Publikum der Live-Sendung an den Bildschirmen her.
Menschen, die Erfahrungen mit dem Glauben machten
Wichtig sind die Live-Einspielungen der Statements von Menschen, die von
ihrem Glauben sprechen. Sie werden auf ihrem drei Kilometer langen Weg zur
Bühne interviewt; es sind die sich abwechselnden Trägerinnen und Träger des
riesigen Lichtkreuzes (250 Kilo schwer). Als das Kreuz auf dem Burgplatz
eintrifft, ist das der Höhepunkt.
Devid spricht mit hörbar angefasster Stimme davon, dass er Dankbarkeit und
Demut dafür empfinde, dass er eine wunderbare Ehefrau und ein wunderbares Kind
habe und dass er in Frieden und Freiheit leben dürfe.
Und Janina, die schon immer an Gott geglaubt hat, berichtet, wie sie für ihren krebskranken Mann gebetet und dabei «alle Liebe reingesteckt» habe. Sie erzählt, dass ihr Mann eine Spontanheilung erlebte und zum Glauben fand. Murat empfindet es als eine Ehre, dabei zu sein und sagt, dass alle Menschen Brüder seien.
Bodybuilder: Pumpen und Glauben
Ein 16-Jähriger erzählt, dass ihn Gott nicht interessiert habe, aber er sei an einen Punkt gekommen, an dem er sich hingekniet und zu Jesus gebetet habe. Die Studentin Salome berichtet, die Corona-Zeit als Belastung erlebt zu haben (den ganzen Tag immer nur in einem Raum) und dabei fast psychisch krank wurde. Sie erlebte, wie sie durch Jesus neue Hoffnung bekam. Und Bodybuilder Markus sagt, dass für ihn Pumpen und Glauben zusammengehören und dass das Teil der christlichen Jugendarbeit sei.
Die kurzen Statements sind nicht immer leicht zu verstehen, weil es sich nicht so deutlich spricht beim Tragen eines schweren Kreuzes, zudem sind die Interviewten erkennbar nervös. Die Statements zeigen aber, wie relevant der Glaube an Jesus heute für Menschen sein kann, ein Glaube, der ein fester Anker und Quelle für eine neue Lebensperspektive, vor allem aber für Hoffnung, sein kann.
Popmusik ist entscheidend
Alles entscheidend für die Machart und den Erfolg der Inszenierung ist die Musik, die das Publikum und deren Aufmerksamkeit «festhält» und unterhält. Die internationale und für alle verständliche Sprache Popmusik transportiert das Geschehen. Und die starken Stimmen, allen voran Alexander Klaws (Jesus), Ella Endlich (Maria) und Laith al Deen (Petrus) leisten dazu ihren Beitrag. Es ist die Popmusik, die die Leute abholt; sie trägt die Inszenierung und erreicht die innere Beteiligung der Zuschauenden.
Jesus-Darsteller Alexander Klaws zeigt sich von dem Abend auf dem Essener Burgplatz «berührt». Die Bandbreite seiner Rollen enthält Tarzan und Winnetou, aber auch Jesus spielte er schon in «Jesus Christ Superstar». «Es ist die grösste Rolle, die man spielen kann», betonte er und sagte gegenüber «stern-TV» wie wichtig ihm Glaube sei.
Kirchen vor Ort zogen mit
Zum Schluss richten zwei Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche aus Essen das Wort an das Publikum auf dem Platz. Die evangelische Pfarrerin Theresa Kohlmeyer sagt: «Das Grab war leer. Gott hat seinen Sohn im dunkelsten Moment gehalten. Möge Gott dich festhalten, wenn das Leben dich zerreisst.» Und Jan Vicari erklärt: «Möge Gott dich festhalten, wenn du nicht mehr weiterweisst, in deinem Job, in deinen Gefühlen und in deinen Beziehungen.»
Nach dem Event luden die Kirchen in den Essener Dom und in die evangelische Marktkirche ein, sei es zum Nachdenken, Beten, Kerze-Anzünden oder für ein Gespräch mit jemandem aus dem Seelsorgeteam.
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Autor: Norbert Abt
Quelle: Jesus.ch