Missverstandene Heiligung
Die leere Lehre vom Zerbruch
Brüche im Leben erfährt jeder Mensch. Sie gehören dazu. Doch manche Christen haben daraus eine Theologie gemacht, eine Art Lehre vom notwendigen Zerbruch. Der Begriff Zerbruch fehlt jedoch nicht nur im Duden.
Praktisch unabhängig von der theologischen Prägung geistert eine Vorstellung durch das christliche Denken, die den Zerbruch als wesentliches Element geistlichen Wachstums definiert. Dabei beginnt das Problem schon mit dem Wort «Zerbruch». Im Duden kommt es tatsächlich nicht vor. Und nicht nur das: Es fehlt auch in der Bibel.
Einige wenige Male kommt das Verb «zerbrochen» im ersten Teil der Bibel vor, allerdings immer (!) in einem anderen Zusammenhang. Wenn David singt: «Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und er hilft denen, die zerschlagenen Geistes sind» (Psalm, Kapitel 34, Vers 19), dann ist Gott nicht derjenige, der zerbricht, sondern derjenige, der heilt. Ein im wahrsten Sinne himmelweiter Unterschied.
Zerbrich mich?
So ehrlich, wie die Bibel Menschen beschreibt, kommen darin natürlich Brüche zur Sprache. Doch was steckt dahinter, wenn Christen sagen: «Zerbrich mich, Herr?» Die provozierende Bitte ist Titel eines Buches von William MacDonald, das Gebet einiger Christen und – das wird schnell deutlich, wenn man «Zerbruch» googelt – Ausdruck einer ganzen Theologie. Aber wer oder was soll auf diese Bitte hin zerbrochen werden? Unsere Schuld? Die Neigung zum Sündigen? Wir selbst? Und was ist die Folge dieses Zerbruchs? Oft wird als Ergebnis ein Bild gemalt, das fast so etwas ist wie ein christlicher Sechser im Lotto: Besondere Gotteserfahrung, Heiligkeit, Hingabe und Segen sollen die Folgen unseres Zerbruchs sein. Der Weg dorthin wird als schmerzhafter, schwerer, aber lohnender Weg des Verzichts beschrieben.
Und wenn Gott heilen will?
Die Rede vom Zerbruch scheint eine christliche Vokabel zu sein, die sich ein Stückweit selbstständig gemacht hat. Niemand würde sagen: «Herr, mach mich krank, damit du mich heilen kannst.» Niemand würde denken: «Lass mich blind werden, damit ich danach besser sehen kann.» Aber trotzdem beten manche: «Zerbrich mich, Herr, damit ich heiliger werde.» Die anderen Beispiele belegen leicht, dass solch ein Gebetsanliegen auf einem missverstandenen Gottesbild beruht. Gott ist derjenige, der hilft: «Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden.» (Psalm, Kapitel 147, Vers 3).
Das Neue Testament sagt übrigens nichts zum Thema Zerbruch – sehr viel dagegen zum Prozess der Heilung. Wie kommen Menschen dann zu dem (Kurz)Schluss, dass die aktive Suche nach Zerbruch die angebliche Voraussetzung einer vertieften Gottesbeziehung ist? Liegt es daran, dass sie die Probleme und Schwierigkeiten ihres Lebens «heiligen» wollen, weil sie sich so daran gewöhnt haben, dass sie sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen können? Versehen sie destruktive Verhaltensmuster einfach mit einem frommen Anstrich?
Veränderung statt Zerbruch
Tatsächlich sprechen viele biblische Autoren von Veränderung, von Wachstum, von einem Neu-Werden. Doch der Weg dorthin scheint nicht darin zu liegen, dass wir Schwierigkeiten und Probleme aktiv suchen, es scheint eher so zu sein, dass wir lernen, trotz unserer Schwierigkeiten damit zu rechnen, dass Gott heilt. Denn das Entscheidende bei dem, was uns die Bibel als Erlösung, Rettung oder Wiedergeburt vorstellt, ist, dass Gott uns hilft, zu den Personen zu werden, die wir eigentlich sind. Dabei stört er sich nicht an den Brüchen unseres Lebens, an unserer Schuld und all dem, was uns scheinbar disqualifiziert.
Noch einmal: Brüche gehören zum Leben, auch manches Handeln Gottes mag zunächst wehtun. Aber die Bibel ermutigt uns an keiner Stelle dazu, Gott um das Zerbrechen unseres Wesens zu bitten. Stattdessen können wir uns wie Jeremia an ihn wenden: «Heile du mich, Herr, so werde ich heil! Hilf du mir, so ist mir geholfen!» (Jeremia, Kapitel 17, Vers 14).
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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