Wie darf der Staat eingreifen?

Unruhe vor einer Tagung von «Kirche und Corona»

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Im Frühjahr 2020 waren Gottesdienste im Zusammenhang mit dem Versammlungsverbot in der Schweiz untersagt. Die Corona-Pandemie wurde für die Kirchen zu einer besonderen Herausforderung. Die Frage, ob der Staat in die Gottesdienstordnung eingreifen darf, ist weiterhin heiss diskutiert und führte nun zu Unruhe.

Im Netzwerk «Kirche und Corona» sammeln sich Theologen, welche die staatlichen Corona-Massnahmen kritisch diskutieren. Unter ihnen sind manche, die in der Evangelischen Kirche verortet sind. Am 12. Juni treffen sie sich in Hinwil ZH zu einer Tagung. Wie das Programm zeigt, stellen sie sich mitunter die Frage, wo und wann der Fall für zivilen Ungehorsam eintreten könnte, um ihrer Meinung nach Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.  

Aufruf zu zivilem Ungehorsam

Gemäss Programmhinweis will Stefan Felber, derzeit Dozent für Altes Testament am Theologischen Seminar St. Chrischona und künftig Leiter des Gemeindehilfsbundes (DE-Waldsrode), in seinem Referat aufzeigen, «wie sich der Staat die Kirchen unterwirft». Auf dem Internetportal des Gemeindehilfsbundes ist ein Vortrag von Felber abgedruckt. Darin fragt er: «Wann merken wenigstens die Christen, dass man dem Staat nicht einfach vertrauen kann?» Viele Beispiele zeigten, dass die Versammlungs-, Demonstrations-, Bewegungs- und vor allem die Religionsfreiheit nicht mehr uneingeschränkt gegeben sei.

Für den Theologen Felber ist klar: «Entschlossener und gemeinsam durchgehaltener Widerstand an den Stellen, an denen der Staat mit Zwangsmassnahmen den Gottesdienst regulieren will, ist geboten.» Die Gemeinde müsse in ihrem Gottesdienst frei bleiben, sonst sei es «mit der Freiheit überhaupt vorbei». Felber überlegt offen, welche Bestimmungen nicht eingehalten werden sollen. Er nennt Teilnehmerregistrierung, Teilnehmerzahlbeschränkung, Einschränkung des Singens.

Ruedi Josuran steigt aus

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Moderator Ruedi Josuran
Weitere Tagungsreferenten neben Pfr. Dr. Stefan Felber sind Pfarrer Willi Honegger, evangelisch-reformierte Kirche Bauma, Dr. med. Andreas Zurbuchen, Pfr. Dr. Jürg H. Buchegger, Pfarrer, Prorektor STH Basel, Prof. Dr. Benjamin Kilchör, STH Basel. Am Ende der Tagung ist ein Podium mit allen Referenten geplant.

Als Moderator steht Ruedi Josuran, bekannt von «Fenster zum Sonntag», auf dem Programm. Doch am 7. Juni meldete das Netzwerk «Kirche und Corona» via den Nachrichtendienst Telegram, Josuran komme nicht. ERF Medien habe die Gesprächsleitung durch Ruedi Josuran abgesagt. In der Begründung heisst es, die Voraussetzung für den Einsatz eines Mitarbeiters von ERF Medien sei nicht gegeben, weil das Konferenzthema nicht kontrovers diskutiert werde, Zitat: «(…) die wichtigsten, sich unterscheidenden inhaltlichen Positionen zum Thema 'Kirche und Corona' sind nicht auf dem Panel vertreten.»

«Die Stossrichtung war immer klar»

Für die kurzfristige Absage von Moderator Josuran zeigt das Netzwerk «Kirche und Corona» Unverständnis. Man habe von Anfang an transparent über die Stossrichtung der Tagung informiert: «Es war nie eine kontroverse Tagung mit Pro und Kontra zu einer bestimmten Fragestellung vorgesehen.» Dies gehe aus den Referatsthemen hervor. Es würden nicht verschiedene Standpunkte zu einer Frage beleuchtet, sondern «verschiedene Fragestellungen thematisiert». Entsprechend gehe es auch beim Podium nicht um ein Pro und Kontra, sondern – so schreibt das Netzwerk – «um ein konstruktives Nachdenken und einen Austausch über die verschiedenen Fragestellungen unter Einbezug von Publikumsfragen». Es gebe auch Raum, unterschiedliche Positionen zum Thema «Kirche und Corona» zu artikulieren.

Zum Originalartikel auf IDEA Schweiz

Zum Thema:
Chorsingen in Zeiten von Corona: «Freikirchen.ch» fordert Wiedereinführen des Singens
Rick Warren: «Covid zeigt fundamentale Schwäche vieler Kirchen»
Corona-Impfung: Kritik an der freikirchlichen Impfempfehlung

Datum: 10.06.2021
Quelle: IDEA Schweiz

Kommentare

Ich finde es gut, dass Christen öffentlich zu kontroversen Themen Stellung nehmen. Seit 15 Monaten hört man von Vielen, dass wir der Obrigkeit gehorchen sollen, und das sollen wir definitiv im Strassenverkehr, bei der Steuererklärung und anderem. Aber in meiner Bibel steht auch, dass wir Gott mehr gehorchen sollen als den Menschen, dass Mut und ein klares Bekenntnis die Christen auszeichnet. Aus meiner Sicht sollten weder Bundesrat noch Parlament verfassungsmässige Rechte über mehrere Monate stark einschränken dürfen.
Die ganze Welt wird wie der Frosch auf kleiner Flamme gekocht in Richtung Marxismus. In Kanada(!) wurden schon mehrere Pastoren verhaftet, weil sie sich lediglich dem Versammlungsverbot nicht gebeugt hatten (was absolut Biblisch ist). Ich bin selber erst seit einigen Jahren Christ und war vorher selber Marxist (Juso) und muss nun erschüttert zusehen, wie Kirchen geradezu in den Sozialismus rennen. Wer die Apostelgeschichte liest, weiss doch, was auf uns zukommt und wie wir darauf zu reagieren haben. Ja, Christen sind gute Bürger, eigentlich die besten, die man sich wünschen könnte. Ironischerweise wurden sie im Röm.Reich gerade deswegen umso härter verfolgt. Man lese hierzu bspw.Te
Grundsätzliche Überlegungen zum Verhältnis Kirche/ Gemeinde und Staat sind nötig unabhängig von der Beurteilung der Pandemie und den staatlichen Massnahmen. Dass sich hier Theologen äussern, finde ich sehr gut und mutig. Ruedi Josuran ist die Sache wahrscheinlich zu 'heiss' geworden. Herrn Rentsch realisiert wahrscheinlich nicht, wie einschneidend das alles ist/ wird. Sind wir wirklich schon so eingeschläfert oder verzaubert worden, dass wir die staatliche Macht über Jesus Christus stellen und zufrieden sind, wenn uns 'erlaubt' wird, in kontrolliertem Masse 'religiös' zu sein? Wir sollten von den verfolgten Christen lernen und kompromisslos den Willen Gottes tun. Gott gebe uns Gnade dazu.
Ich finde die Formulierungen von Stefan Felber zu provokativ. Den Weg der Kommunikation, welchen die SEA wählt, finde ich gut. Miteinander reden und einen gangbaren Weg finden, ist meines Erachtens bisher gelungen. Als Christen tragen wir auch eine solidarische Mitverantwortung. Ein guter Christ ist auch ein guter Bürger. Ich habe Verständnis dafür, dass Ruedi Josuran sich hier "ausklinkt". Die Argumentation und der Tonfall von Stefan Felber ist nicht angebracht. Dass gerade Professoren der STH sich hier engagieren finde ich bedenklich. Ich hoffe, dass diese "Gruppe" den Weg zum Gespräch auf Augenhöhe findet, ohne mit Formulierungen wie "zivilem Ungehorsam" operieren zu müssen.

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