Talk zum Jubiläum
50 Jahre Frauenstimmrecht in der Schweiz
Am kommenden Sonntag gibt es ein Jubiläum: Am 7. Februar 1971 stimmten die Schweizer Männer an der Urne der Verfassungsänderung zu, dass künftig alle Schweizer Frauen die gleichen politischen Rechte wie sie haben. Wie haben Zeitzeugen die damalige Debatte erlebt? Was sind die Folgen dieser späten Einführung des Frauenstimmrechts bis heute?
Diesen und anderen Fragen gehen Chefredaktor Florian Wüthrich und seine politisch engagierten Talkgäste Ruedi Lustenberger (ehemaliger Nationalratspräsident), Heiner Studer (Nationalrat, EVP), Lisa Leisi (Präsidentin EDU Kanton SG) und Sara Fritz (Landrätin EVP) nach und geben auch Stellung zu anderen aktuellen brisanten Themen.
Motivation für das politische Engagement
Weshalb engagieren sich die vier Gäste überhaupt in der Politik? Der Jüngsten der Talkgäste, Sara Fritz, geht es primär um das Mitgestalten von Gesellschaft; Lisa Leisi möchte gern Sprachrohr für andere Menschen sein, die ähnliche Anliegen haben; Heiner Studer meint, er habe Politik «bereits mit der Muttermilch aufgenommen», da seine Mutter politisch sehr interessiert gewesen sei. So habe er sich bereits als Kind für Politik interessiert. Ruedi Lustenberger, der nicht mehr politisch aktiv ist, geniesst es, dass er jetzt etwas sagen darf, wenn er möchte, aber nicht mehr verpflichtet ist, sich zu äussern.
Die damalige Debatte
Ruedi Lustenberger erinnert sich, dass das Thema Frauenstimmrecht am Familientisch diskutiert wurde; für ihn sei immer klar gewesen, dass Frauen die gleichen Rechte haben wie Männer, aber er war in seiner Heimat eher allein mit seiner Meinung.
Gemäss Heiner Studer wurde das paulinische «Die Frau schweige in der Gemeinde» von Christen auch oft auf die politische Gemeinde übertragen – sogar von Frauen selbst. Das sei in christlichen Kreisen bis zur Abstimmung Thema gewesen.
In Lisa Leisis Familie wurde das Thema ebenfalls viel diskutiert. Ihre politisch interessierte Mutter sei eine Gegnerin des Frauenstimmrechts gewesen, weil sie befürchtet habe, dass dadurch in der Politik ein Linksruck entstehen würde.
Muss der Bundesrat «Sorry» sagen?
Politikerinnen wie Tamara Funiciello oder Aline Trede fordern, der Bundesrat solle sich für das historische Unrecht entschuldigen. Ruedi Lustenberger meint, dieses Unrecht sei nicht das Verschulden des heutigen Bundesrates gewesen, daher müsse er sich nicht entschuldigen. Heiner Studer findet es gut, dass nach 50 Jahren Rückblick gehalten wird: So rücke das Unrecht ins Bewusstsein, und man könne daraus lernen und die Zukunft besser gestalten. Er begrüsse auch den zweiten Schritt nach der Einführung des Frauenstimmrechts, nämlich das neue Eherecht, das die Gleichberechtigung in der Ehe sichere.
Die junge Sara Fritz kann sich ein Leben ohne Frauenstimmrecht nicht mehr vorstellen, aber sie sieht den Kampf gegen andere Ungerechtigkeiten wie beispielsweise den Menschenhandel als ein grosses Thema heute. Lisa Leisi ist dankbar, dass es das Frauenstimmrecht gibt. Ihr gefällt es jedoch nicht, wenn der Staat bestimmte Rollenbilder in der Gesellschaft fördert und andere – wie etwa das Muttersein ohne andere Berufstätigkeit – abwertet. Ihrer Meinung nach solle der Staat auch nicht in die von Gott gegebene Schöpfungsordnung eingreifen wie z.B. durch Konzepte wie «Ehe für alle» etc.
Frauenquote und Rollenverteilung
Lisa Leisi ist der Kampf bzw. Wettbewerb zwischen Mann und Frau zuwider; Männer und Frauen seien unterschiedlich – und Frauen würden einfach oft andere Prioritäten setzen. Heiner Studer findet es wichtig, dass in der Politik Rahmenbedingungen geschaffen werden, die erlauben, dass ein Ehepaar frei entscheiden kann, wie es die Rollenverteilung handhaben möchte. Sara Fritz stellt fest, dass man Frauen viel mehr motivieren muss, in der Politik aktiv zu werden als Männer, da Frauen sich dies oft nicht wirklich zutrauen. Sie selbst sei so erzogen wurden, dass es keine Rolle spiele, ob etwas eine typische Männerdomäne sei, sondern vielmehr, ob sie Freude daran habe. Ruedi Lustenberger ist kein Freund von Quoten; Quoten müsse man nur im äussersten Notfall einsetzen; er propagiert bezüglich Rollenverteilung die individuelle Freiheit eines Paares: Es sei nicht Aufgabe des Staates, Rollenbilder vorzuschreiben, sondern das Paar solle frei entscheiden und miteinander abmachen, wie die Rollen verteilt werden sollten.
Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot»
Die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» verlangt, dass in der Schweiz niemand sein Gesicht verhüllen darf. Darüber wird am 7. März abgestimmt. Chefredaktor Florian Wüthrich möchte hier bei wissen, was seine Talkgäste davon halten.
Lisa Leisi würde Ja stimmen – als Signal gegen politischen Islam und Chaotentum; es helfe zudem der Frau, dass sie wertgeschätzt würde. Heiner Studer und Ruedi Lustenberger würden auch Ja stimmen, aber ihrer Meinung nach gebe es wichtigere Themen. Sara Fritz ist hin und hergerissen. Zum einen erkennt sie, dass sie selbst verpflichtet wäre, sich in einem muslimischen Land an deren Regeln und Gebräuche zu halten und genauso sollten sich auch hier Muslime möglichst anpassen und integrieren; zum anderen widerstrebt ihr eine Kleidervorschrift in der Verfassung. Für Touristen, die eine Burka in der Schweiz tragen, hat sie wenig Verständnis, aber bei Frauen, die in der Schweiz leben, könne es sein, dass diese dann ohne Burka nicht mehr nach draussen gehen dürften.
Politische Anliegen der Talkgäste
Ruedi Lustenberger meint, dass das Rahmenabkommen mit der EU im Bundesrat entgleist sei und wünscht sich dort ein Reset. Heiner Studer liegen das CO2-Gesetz und andere Umweltfragen sowie die Armutsfrage ganz besonders am Herzen. Sara Fritz beschäftigt die Armutsfrage gerade auf dem Hintergrund von Corona in Bezug auf Kurzarbeit, weniger Lohn, psychische Probleme v.a. von Jugendlichen und Arbeitslosigkeit. Lisa Leisi ist besorgt um die Dritte-Welt-Länder, die durch Corona noch viel mehr unter Armut zu leiden hätten. Ihr mache auch die zunehmende Bevormundung durch den Staat Sorge. Die Angst führe dazu, dass sich die Bevölkerung immer mehr die individuelle Freiheit nehmen und andere entscheiden lasse. Sie fragt sich, ob der Kollateralschaden somit grösser sei als der Virus selbst – und fordert zu mehr Mut auf!
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Quelle: Livenet