Verteidigung: «Katastrophe»
Bremer Pastor Latzel wegen Volksverhetzung verurteilt
Das Bremer Landgericht hat Olaf Latzel, Pastor an der St.Martini-Gemeinde, am Mittwoch wegen Volksverhetzung verurteilt. Das Gericht blieb am untersten Ende der gesetzlichen Möglichkeiten.
Wie das Medienmagazin pro berichtet, verhängte das Gericht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro. Damit blieb die Richterin am untersten Ende des gesetzlichen Rahmens, der für Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren vorsieht. Mit dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, wäre Latzel nicht vorbestraft.Umstrittene Äusserungen sind «Stimmungsmacher»
Die Äusserungen Latzels seien nach Ansicht des Gerichts nicht in der Hitze des Gefechts gefallen, sondern seien Stimmungsmacher und könnten emotional «Gewalt gegen Homosexuelle» begründen. Die Argumentation der Verteidigung, Latzel verurteile aus biblischer Sicht Homosexualität, aber nicht Homosexuelle, lehnte die Richterin ab: «Die sexuelle Ausrichtung eines Menschen macht einen Teil seiner Persönlichkeit aus.» Daran ändere auch der Hinweis auf die Bibel nichts.
Verteidigung: «Katastrophe»
Latzels Verteidiger Sascha Böttner kritisierte, dass das Gericht niemanden aus dem umstrittenen Eheseminar als Zeugen geladen habe. Das Urteil sei eine «Katastrophe» und ein «Einfallstor zur Beschränkung der Meinungsfreiheit»: «Heute geht es um eine christliche Meinung, die in der Bibel steht, morgen um andere Sachen.» Die Verteidigung prüft, ob sie Berufung oder Revision gegen das Urteil einlegen wird.Evangelische Kirche «zutiefst betroffen»
Für die Bremische Evangelische Kirche sagte ihr leitender Theologe Bernd Kuschnerus, er sei «zutiefst betroffen, dass ein Pastor unserer Kirche wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist». Die provozierenden Äusserungen, die dem Urteil zugrunde lägen, seien nicht hinnehmbar und schadeten dem Ansehen der Kirche. Die Bremische Kirche hat ein Disziplinarverfahren gegen den Pastor eingeleitet, das aber bis zu einem rechtskräftigen Urteil ausgesetzt ist.
Die Schlagzeilen-Kirchgemeinde St. Martini
St. Martini in der Bremer Innenstadt ist eine der 61 Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche. Die Gemeinde hat nur etwa 1200 Mitglieder, aber sie macht immer wieder Schlagzeilen wie kaum eine andere deutsche Kirchgemeinde. St. Martini hat eine lange Tradition von z.T. radikalen, z.T. prononciert bekenntnistreuen Pfarrern. «Die Kirche hat zwischen Sozialismus und Fundamentalismus schon viel erlebt. Nur in der Mitte der Gesellschaft stand sie nie», urteilt «evangelisch.de».
Die beiden Vorgänger von Latzel waren STH-Dozent Prof. Dr. Georg Huntemann und dann Pfr. Jens Motschmann, Vorsitzender der «Bekenntnisbewegung kein anderes Evangelium». St. Martini stehe «in Bremen wie auch überregional in einem harten und unerbittlichen Glaubenskampf mit den unchristlichen Strömungen und Herausforderungen des Zeitgeistes», heisst es auf der Internetseite der Gemeinde. Und weiter: «Sie vertritt die unverfälschte Verkündigung des biblischen Wortes und wehrt sich gegen die Ideologisierung der Predigten.»
Pfr. Latzel selbst ist auch in der Evangelischen Allianz in Bremen wegen seiner z.T. radikalen und polemischen Formulierungen nicht unwidersprochen. Richterin Best im aktuellen Prozess jedenfalls betonte, wenn Dürre herrsche, dürfe kein Streichholz gezündet werden. An Latzel gewandt, meinte sie, es bleibe zu hoffen, dass der Pastor sein grosses Redetalent künftig anders einsetze.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / PRO Medienmagazin / evangelisch.de
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