Reverend Lee

Wie ein anglikanischer Priester zur Internetsensation wurde

Bis zu 13 Millionen Aufrufe erhalten die YouTube-Videos auf dem Kanal «Jolly» (deutsch: lustig, fröhlich, munter), in denen der anglikanische Priester Christopher «Chris» Lee auf Weltstars wie Billie Eilish oder Ariana Grande reagiert und deren Musikvideos aus christlicher Sicht kommentiert. Nebenbei erzählt er auf liebenswerte Weise von Gott und verkündet das Evangelium.

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Chris Lees Instagram-Profil (Bild: PRO Medienmagazin)
Die Kamera läuft, das Video beginnt, die drei Briten Josh, Ollie, und Chris begrüssen ihre weltweiten Zuschauer – vor allem die aus Korea. Seit rund zwei Jahren tritt Lee als Priester mit Kollar auf dem YouTube-Kanal seines Schwagers Ollie Kendal und dessen Freundes Josh Carrott auf. Auch in den Videos des zweisprachigen Hauptkanals seiner Freunde, «Korean Englishman» (deutsch: koreanischer Engländer), der der englisch-koreanischen Völkerverständigung dient, ist Lee mittlerweile zu einem berühmten und beliebten Gast der Videos geworden. Daraus ist auf dem Kanal eine eigene Kategorie geworden, deren Beiträge millionenfach geklickt werden.

Kommentieren, ohne zu richten

Egal ob sich der 36-Jährige vor laufender Kamera weltweit bekannte, aber kontroverse Musikvideos wie «God is a Woman» (deutsch: Gott ist eine Frau) der US-amerikanischen Sängerin Ariana Grande ansieht oder die depressive Musik der 18-jährigen viermaligen Grammy-Gewinnerin Billie Eilish kommentiert: Seine Devise lautet dabei stets «don't judge» (deutsch: «richte nicht»). «Man muss Menschen dort abholen, wo sie sind», erklärt Lee in einem der Videos. «Wenn wir richten, müssen wir uns selbst zuerst prüfen.» Dennoch ist er davon überzeugt, dass man als Christ zur liebevollen Unterweisung berufen ist.

Neben Musikvideos reagiert Lee aus seiner Sicht als Christ auch auf weitere mediale Trends. So auch auf Memes, Internetphänomene, bestehend aus kleinen Medieninhalten wie Bildern, die mit einer oftmals ironischen oder satirischen Aussagen verbunden werden. Über deren christliche Variante, sogenannte «Christian Memes», die von manchen Christen eher kritisch beäugt werden, kann der Priester lachen: «Wenn man sich seines eigenen Glaubens sicher ist, kann man das.» Auch bewertet der Priester auf humorvolle Weise, wie Christen und Pastoren in Film und Fernsehen dargestellt werden – und erreicht damit ein breites Publikum. Allen voran junge Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren, die seinem Empfinden nach in der Kirche fehlen.

«Christian Memes»

Im neuesten Video der drei Briten sitzt Lee nicht wie gewohnt bei Kendal und Carrot im «Jolly-Studio», sondern zu Hause im Pfarrbüro. Die dabei aufgezeichnete Videokonferenz zeigt den Priester, wie er Memes beurteilt, die sich thematisch mit Ostern und dem Leben in Zeiten von Corona beschäftigen. Mit der Auferstehung Jesu habe ein neues Leben begonnen, erklärt Lee etwa zu einem Meme mit Jesus vor dem offenen Grab. Sein Tod sei nicht nur eine Pause vom Leben gewesen.

Und er rät dazu, in Zeiten der Quarantäne, anstatt sich nur auf sich selbst und seine Angst zu konzentrieren, seinen Nächsten zu lieben, ihm gerade in dieser Zeit mit Anrufen oder Einkäufen zu dienen und auf Gott zu schauen. Lee betont: «Gott sagt zu seinen Leuten immer und immer wieder: 'Fürchte dich nicht.'»

Evangelium in 60-Sekunden-Predigten

Als Christ bewegt sich der Kleriker ganz bewusst in der säkularen Medienwelt. «Wenn man die Brille aufzieht, dass Gott alles erschaffen hat, kann man Musik hören oder Filme ansehen und sich dabei fragen: Wie spricht der Herr dadurch zu mir?», erklärt der Pastor in einem Video. «Ich mache das immer so», meint Lee, der gerne weltliche Musik mit christlichen Bezügen hört.

Auf Instagram hält der Pastor Kurzpredigten

Als er bemerkte, dass ihm aufgrund seiner Auftritte in den YouTube-Videos immer mehr Menschen auf seinem eigenen Instagram-Kanal folgen, begann der Pastor, «60-second sermons» auf Instagram und Twitter hochzuladen. In den nur eine Minute langen «Predigten» erzählt Lee von der Liebe Gottes und ermutigt andere, indem er ihnen sagt, dass sie aus Gottes Sicht wertvoll und geliebt sind. Der Geistliche erlebt, dass viele junge Menschen seelisch leiden und solche Botschaften ganz besonders brauchen. In der Morgensendung «Good Morning Britain» bemerkte er: «Wir leben in einer Welt, die laut und aggressiv ist und dich konstant, jeden Tag, jeden Moment mit Millionen von anderen Menschen vergleicht.»

Damit spricht er in das Leben vieler junger Menschen, die eine Welt erfahren, die ganz wesentlich von digitalen Medien geprägt ist. Während viele soziale Netzwerke wie Instagram hauptsächlich der Selbstdarstellung dienen, zeigt Lee nicht auf sich, sondern von sich weg. Er erzählt seinen Zuschauern, wie sie zu Gott, zu Jesus kommen und Christ werden können. Ausserdem ermutigt er junge Christen, sich eine Gemeinde zu suchen.

Nur ein «heisser Priester»?

Der gläubige Vater zweier Töchter, Rose und Saoirse, wuchs nach eigenen Angaben nicht in einer christlichen Familie auf. Mit 21 Jahren absolvierte Lee sein Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Kingston Universität in London und lebte ein «wildes» Leben mit Alkohol, Frauen und Drogen, erzählte der Pas­tor der Daily Mail. Eines Tages dachte er über die Zukunft nach: «Da muss es mehr geben, als nur die Jagd nach Geld und einem Leben fürs Wochenende», sagte Lee im Magazin Askew.

Irgendwann bekam er Träume, die er sich nicht erklären konnte. Er kehrte seinem alten Leben den Rücken zu und ging nach Tansania, um dort bei einer kleinen Missionsgesellschaft einer ostafrikanischen Volksgruppe, den Massai, Englisch zu unterrichten. Als Basis für seinen Unterricht nutzte er eine englisch-swahilische Bibel. Je mehr er darin las, desto mehr erlebte er Gottes Liebe und wurde schliesslich ein Nachfolger Jesu. Er fühlte sich von Gott zum Pastor berufen, schloss ein theologisches Fernstudium ab und wurde im Alter von 24 Jahren Diakon. Insgesamt drei Jahre lebte er als Missionar in Tansania, bis er nach England zurückkehrte. Am Queen's College der Universität Cambridge, wo er auch seine Frau Jenny kennenlernte, beendete er seine Ausbildung zum Priester. Heute ist er in der anglikanischen St. Saviour's Church im Westen Londons tätig.

Auch auf Twitter als Pastor unterwegs

Durch seine Auftritte und Kurzpredigten wurde er zur Internetsensation, seine mediale Reichweite wird immer grösser. Mittlerweile folgen ihm über 166'000 Menschen auf Instagram. Er erhält Fernsehauftritte wie etwa bei BBC oder der Morgensendung «This Morning» beim Sender ITV, um über seinen Glauben und seine Aktivität als Priester in sozialen Netzwerken zu reden. Mehrmals durfte er dabei kurze geistliche Impulse geben, in denen er zu einem Leben mit Gott und einer persönlichen Beziehung mit ihm einlud. Trotz viel medialem Trubel bleibt der Familienvater aber auf dem Boden. «Ich bin keineswegs perfekt: Ich sündige, ich stolpere und ich falle», betonte er im Interview der Daily Mail.

Immer wieder wurde Lee mit dem «Hot Priest», einem attraktiven katholischen Priester aus der britischen Dramedyserie «Fleabag», verglichen. Von diesem Vergleich distanziert Lee sich deutlich. Wer seinen Internetaktivitäten dauerhaft folge, tue das aufgrund der Inhalte und nicht wegen seines Aussehens. In der ITV-Sendung «Good Morning Britain» stellte er klar: «Ich glaube, da gibt es deutlich hübschere Menschen als mich.»

Kurzpredigten als Buch

Im November erscheint sein erstes Buch «The OMG Effect: 60-Second Sermons to live a Fuller Life» (deutsch: «Der Oh-mein-Gott-Effekt: 60-Sekunden-Predigten für ein erfüllteres Leben»), in dem er seine Kurzpredigten als Texte zusammengestellt hat.

Zum Originalartikel auf PRO

Chris Lee kommentiert «Christian Memes», die sich mit Ostern beschäftigen:

 

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Datum: 30.06.2020
Autor: Tabita Prochnau
Quelle: PRO Medienmagazin | www.pro-medienmagazin.de

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