Nicht Gewalt, sondern Liebe
Kampfkunst und Glaube – passt das zusammen?
Kampfsport als gläuber Christ – ist das mit der von Jesus gepredigten Nächstenliebe zu vereinbaren? Selbstverteidigungtrainer Alexander Meier teilt seine Ansicht darüber im Gespräch mit Livenet.Alexander Meier, Sie führen als Christ eine Selbstverteidigungsschule in der Stadt Bern. Wie kam es dazu, dass Sie sich speziell
diesem Thema verschrieben haben?
Alexander Meier: Mir persönlich ist es wichtig, mich in einer Notwehrsituation
verteidigen zu können und einem Aggressor nicht ausgeliefert zu sein.
Ich möchte
auch andere befähigen, eingreifen zu können, wenn in ihrer unmittelbaren
Nähe jemand sexuell belästigt oder körperlich angegriffen wird. Nachdem
ich viele Jahre Karate und andere Kampfkünste betrieben habe, stellte
ich fest, dass der Fokus dort mehrheitlich
auf der Kunst als auf der realen Anwendung liegt. In einem Strassenkampf
kommen andere Mechanismen zum Tragen als im Trainingslokal. Ich
hinterfragte jede Technikanwendung auf ihre Realitätsnähe und stellte
viele Defizite fest. So entschied ich mich dann, eine
eigene Schule zu eröffnen. Zur Selbstverteidigung gehören neben dem
Eigenschutz auch Gewaltprävention und Selbstbehauptung. Meiner Meinung
nach müsste Selbstverteidigung darum ein obligatorisches Schulfach in
der Grundschule sein.
Die von Christen oft zitierte «von Gott gegebene Obrigkeit» (Römerbrief, Kapitel 13, Vers 1) berechtigt uns im Schweizerischen Strafgesetzbuch, Art. 15, einen Angriff auf uns oder eine andere Person in angemessener Weise abzuwehren. Auch im Neuen Testament waren einige Jünger mit Schwertern bewaffnet (s. Lukas-Evangelium, Kapitel 22, Vers 49) und Jesus hatte ihnen das nie verboten, nicht einmal im Garten Gethsemane. Er war zwar nicht einverstanden, dass Petrus in dieser Situation sein Schwert benutzte, aber er verhinderte es auch nicht. Es ist etwas anderes, wenn wir wegen unserem Glauben die andere Wange für Beleidigungen hinhalten, als wenn unsere sexuelle oder körperliche Integrität angetastet wird. Selbstverteidigung hat für mich in erster Linie nicht mit Gewalt, sondern mit Liebe zu tun. Welche Mutter oder welcher Vater würde nicht alles tun, um ihr / sein Kind gegen einen Übergriff mit allen Mitteln zu schützen – aus Liebe.
Unter
welchen Umständen ist für Sie der Einsatz von Schlägen und Techniken,
die eine andere Person verletzen können, gerechtfertigt?
Ich lehre meine Schüler, dass die Techniken nur im absoluten Ernstfall
bzw. in einer Notwehrsituation angewendet werden dürfen. Also nur dann,
wenn unser Leben oder unsere sexuelle Integrität unmittelbar bedroht
ist. Wir lassen uns auf keine Raufereien ein und gehen jedem Konflikt
wenn immer möglich aus dem Weg.
Wer nimmt in der Regel an den Trainings zur Selbstverteidigung teil?
Menschen, die kein Selbstwertgefühl haben, kommen kaum ins Training. Es
sind auch nicht die von Natur aus Starken, sondern es sind Leute, die
ihren Wert kennen und auch schützen wollen. Die Folgen einer
Vergewaltigung trägt man ein Leben lang und die Frauen, welche bei mir
trainieren, möchten dem entgegenwirken können.
Wie reagiert Ihr Umfeld auf dieses doch etwas spezielle Hobby?
Ich erlebe grundsätzlich positive Reaktionen. Es gibt kaum jemand, der
etwas gegen den Eigenschutz hat, obwohl nur Wenige wirklich etwas dafür
tun wollen. Negative Erlebnisse habe ich bisher nur mit Christen gehabt,
welche Mühe mit dem Gewaltaspekt in der Selbstverteidigung haben.
Im
Kampfsport wird bekanntlich der Respekt grossgeschrieben. Sie selbst
kommen ursprünglich aus dem Karate. Wie stark fliesst das mit ein?
Der Respekt steht für mich an oberster Stelle, zusammen mit der
Wertschätzung, die ich den Trainierenden entgegenbringe. Wertschätzung
trägt
viel dazu bei, ein gesundes Selbstvertrauen zu erlangen und dieses
wiederum ist die Grundlage für die Selbstbehauptung.
Mussten Sie selbst auch schon mal Gewalt anwenden, als Sie in eine unangenehme Situation gerieten?
Ich habe einmal einen Angriff von einem Betrunkenen abgewehrt, in dem
ich ihn zu Boden brachte. Obwohl niemand verletzt wurde, ging mir das
nahe. Es ist für mich darum von grosser Wichtigkeit, dass sich Schüler
der Selbstverteidigung vorher gut überlegen, ob sie wirklich bereit
sind, Gewalt anzuwenden. Denn Gewalt hat nicht nur Folgen für die Täter,
sondern auch für die Abwehrenden. Die möglichen
psychischen Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen und müssen
entsprechend verarbeitet werden.
Zur Webseite:
meiercombat.ch
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Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet