Gegen Mitgliederschwund
Persönliche Beziehung wirkt stärker als Kirchenfrust
Wenn die Kirchen in den Schlagzeilen sind, dann geht es oft um Skandale oder um Mitgliederschwund. Oder um beides. Während die ZEIT gerade grosse demografische Probleme bei den Grosskirchen ausmacht, fragen andere nach: Warum gehen Mitglieder? Warum bleiben sie? Und sie kommen zu interessanten Ergebnissen.
Es ist kein Geheimnis, dass sich unsere Gesellschaft in einem demografischen Wandel befindet. Einerseits werden immer mehr Menschen immer älter, andererseits werden weniger Kinder geboren. Diese gesellschaftlichen Entwicklungen gehen auch an unseren Kirchen und Gemeinden nicht vorbei. Doch es ist nicht nur so, dass Gemeindeglieder immer älter werden: Zusätzlich treten zahlreiche Mitglieder aus.Abgesang auf die Kirche?
Gerade brachte die ZEIT in ihrer Onlineausgabe einen ausführlichen Artikel über den Mitgliederschwund in deutschen Kirchen. Dort werden Zahlen für die evangelische und die katholische Kirche bis zum Ende des Jahres 2016 auf den Tisch gelegt. Dass diese Meldung überhaupt so einen breiten Raum einnimmt, liegt sicher auch am Sommerloch. Allerdings sähe die Statistik auch ohne die nachrichtenärmere Zeit nicht besser aus. Der evangelischen Kirche (EKD) gehörten Ende 2016 noch 21,9 Millionen Menschen an. Den 25'000 Kircheneintritten und 180'000 Taufen standen 340'000 Todesfälle und 190'000 Kirchenaustritte gegenüber. Die Mitgliederzahl sank um rund 1,6 Prozent. Der katholischen Kirche gehörten nach 160'000 Kirchenaustritten noch 23,6 Millionen Mitglieder an. Damit sank der Anteil der Protestanten an der bundesdeutschen Bevölkerung auf 26,5 und der der Katholiken auf 28,5 Prozent. Kardinal Müller in Rom kommentierte diese Zahlen als einen «Prozess forcierter Entchristlichung, der über die einfache Säkularisierung weit hinausgeht».
Nachfragen lohnt sich
Während ein Sprecher der evangelischen Kirche laut evangelisch.de betonte, dass «mehr als 99 Prozent der Mitglieder ihrer evangelischen Kirche die Treue gehalten» hätten, unterstrich die katholische Kirche: «Wir werden weniger, aber wir verlieren nicht unsere Aufgabe und unsere Anliegen. Menschen, Gesellschaft, Staat brauchen die Kirche.» Deutlich gestiegene Kirchensteuererträge der letzten Jahre stärken den Grosskirchen trotz der negativen Zahlen noch den Rücken.
Trotzdem wandten sich die Professoren Ulrich Riegel von der Universität Siegen und Tobias Faix vom Forschungsinstitut «empirica» der CVJM-Hochschule in einer Umfrage an Kirchenmitglieder. Diese wurden genauso nach den Motiven für ihr Bleiben in der Kirche gefragt wie nach ihren Austrittsgründen. Faix stellte unter anderem fest: «Die Menschen haben sich gefreut, dass da endlich jemand ist, der sich dafür interessiert, warum sie der Kirche den Rücken gekehrt haben. Schliesslich ist die Entscheidung vielen nicht leicht gefallen, oft ist diese emotionale Entscheidung das Ergebnis eines jahrelangen Prozesses.» Die meistgenannten Austrittsgründe waren: Entfremdung zur Institution Kirche, die Kirchensteuer, rückständiges Denken der Kirche, eigene Glaubenszweifel, persönliche Verletzungen und kirchliche Skandale.
Positives Bild lässt sich vermitteln
Als Fazit seiner Studie riet Faix, den Hauptgrund für Austritte – Entfremdung – offensiv anzugehen und den persönlichen Kontakt deutlich zu stärken, zum Beispiel durch ehrenamtlich Mitarbeitende. Ausserdem sei es unverzichtbar, die Kirche wieder in den gedanklichen Zusammenhang mit ihren Aushängeschildern zu bringen. Diakonie werde grundsätzlich positiv wahrgenommen, jedoch nur selten mit «der Kirche» in Verbindung gebracht. Hier sei es wichtig, Lernprozesse anzustossen, äusserte sich Faix, denn: «Es ist nie ein Grund allein, der zum Kirchenaustritt führt.»
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet / Zeit / evangelisch.de