In den Gassen von Bern
Mit dem Evangelium zu den Menschen
An einem Samstag im Monat bringen Berner Christen das Evangelium auf die Strassen und Plätze. Rahel Dolder vom Netzwerk Bern schildert, was es sie kostet und was ihr geschenkt wird.
Sie suchen nicht
Im letzten Einsatz überraschten mich gleich drei Personen mit der Aussage, sie hätten gefunden, was sie suchten. Da war keine Ablehnung zu spüren, keine Enttäuschung, sondern Zufriedenheit, vielleicht eine Prise Resignation. Eine Frau erzählte, sie habe durch Leiden nun zu sich gefunden; alles sei ein Geschenk. Sie scheint über das gegenwärtige Leben hinaus nichts zu erwarten; letzte Fragen lassen sie gleichgültig.Ich frage mich: Geht es den Schweizern einfach zu gut? Wenn Gefahren drohen, betreffen sie einen oft nicht direkt. Man konzentriert sich aufs momentane Wohlbefinden. Teenies und junge Erwachsene geben oft vorgefertigte Meinungen wieder, in der Schule Gelerntes, namentlich die Evolutionstheorie. Fordern wir sie heraus mit dem, was wir glauben, kommen sie ins Fragen. Wenn Kirche erwähnt wird, reagieren viele negativ. Eine von den dreien sagte, mit der katholischen Kirche, in der sie aufwuchs, habe sie definitiv abgeschlossen. Für uns geht es indes darum, auf Gott hinzuweisen. Wir vom Netzwerk kommen nicht als Mitglieder einer Kirche daher; wir propagieren keine Institution, sondern bezeugen die persönliche Beziehung zu ihm.
Diskutieren und beten
Viele erklären, dass sie von Gott persönlich nicht erwarten, trotzdem sagen manche, dass sie beten. Zu Gott oder zu einer höheren Macht. Oder zu Engeln. Diese haben für viele eine spezielle Bedeutung. Ich äussere in solchen Gesprächen, dass ich an die Existenz von Engeln glaube, dass sie im Dienst Gottes stehen und uns dienen, ich sie jedoch nicht anbete, da wir mit Gott selbst sprechen können. Sind Menschen offen fürs Übernatürliche, ergibt sich oft ein guter Austausch. Anders ist es bei denen, die uns als naiv abstempeln und den ganzen Glauben als Märchen sehen – als wäre er eine Krücke. Da bahnen sich oft fruchtlose Streitgespräche an. Kühnheit ist mehrfach gefordert.
Es braucht Mut, dass man überhaupt auf die Strasse geht. Was kann ich da schon bewirken? Das ist jedes Mal eine Herausforderung für mich. Auf der Strasse ringe ich mit Stimmen, die mir sagen, dass jene Person zu beschäftigt ist und diese nichts hören will. Ich brauche die Leitung durch den Heiligen Geist. Im Gespräch kommt es darauf an, nicht schwammig zu reden und im Ungefähren zu bleiben, sondern Position zu beziehen und einen Aspekt des Evangeliums weiterzugeben, egal, wie die Reaktion ausfällt. Wenn wir Gebet anbieten, wird es sehr persönlich. Manche sind fast perplex, jedenfalls überrascht, wenn wir sagen, dass wir etwas hier und jetzt mit Gott besprechen können. All dies kostet Kraft. Doch wenn ich die inneren Widerstände überwinde, habe ich jeweils eine grosse Freude in mir.«Jesus, ein Marketinggag der Kirche»
Kommt das Gespräch auf den heiligen und gerechten Gott und unser Ungenügen, meinen viele, es irgendwie gutmachen zu müssen, um Gott zufriedenzustellen. An «Gott» glauben ist eines – dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist, etwas anderes. Oft meldet sich da Selbstgerechtigkeit. Im letzten Einsatz unterhielt ich mich mit einem älteren Mann, der Jesus als Marketinggag der Kirche bezeichnete. Diese habe daraus Kapital geschlagen, dass er auch noch «Tricks» beherrschte. Bei Jüngeren stelle ich insgesamt grössere Offenheit fest als bei Älteren. Viele haben mit Religion und Kirche keinerlei Erfahrungen gemacht, sind ohne Prägung, unbelastet und dadurch oft neugierig. Nach der bedingungslosen Liebe Gottes des Vaters sehnen sich viele Menschen. Daran können wir oft anknüpfen. Und dann Jesus hineinbringen als den Beweis dieser Liebe. Es fasziniert doch immer wieder Leute, von dem zu hören, der pure Liebe ist und der sich danach sehnt, sich mit uns Menschen zu versöhnen.
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Autor: Peter Schmid
Quelle: «wort+wärch» - Monatszeitschrift des Evangelischen Gemeinschaftswerks EGW