Hintergrund

40 Jahre «Lausanner Erklärung»

Diese Woche feiern Delegationen evangelischer Christen aus aller Welt in der Schweiz den 40. Jahrestag der so genannten Lausanner Erklärung. Eine Würdigung aus katholischer Sicht von Rolf Weibel, ehemaliger Redaktor der Schweizer Kirchenzeitung.

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Billy Graham
Als Reaktion auf das Gewicht, welches der Ökumenische Rat der Kirchen zeitweise auf sozial-politische Aktivitäten legte, lud der amerikanische Evangelist Billy Graham protestantische Christen und Christinnen aus aller Welt zu einer Evangelisationskonferenz nach Lausanne ein. So versammelten sich im Juli 1974 rund 2'500 Leiter und Leiterinnen von christlichen Gemeinden und Werken aus 150 Ländern zum «Internationalen Kongress für Weltevangelisation». Unter Leitung des anglikanischen Theologen John Robert Walmsley Stott erarbeitete der Kongress die «Lausanner Verpflichtung zur Weltevangelisation», die so genannte Lausanner Verpflichtung oder Erklärung.

Eine Selbstverpflichtung zur Mission

Dargelegt werden in 15 Artikeln, ausgehend von «der göttlichen Inspiration, der gewiss machenden Wahrheit und Autorität der Bibel», der Glaube an Jesus Christus als «einzigen Erlöser der Welt» und der Entschluss, dieses Evangelium allen Menschen zu verkünden. Wörtlich heisst es: «Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, hat sich selbst als die einzige Erlösung für Sünder dahin gegeben. Er ist der einzige Mittler zwischen Gott und Menschen. Es ist auch kein anderer Name, durch den wir gerettet werden. Alle Menschen gehen an ihrer Sünde verloren, Gott aber liebt alle. Er will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass sich jedermann zur Busse kehre. Wer aber Jesus Christus ablehnt, verschmäht die Freude des Heils und verdammt sich selbst zur ewigen Trennung von Gott.»

Das Evangelium verkünden, evangelisieren, heisst deshalb, «die gute Nachricht zu verbreiten, dass Jesus Christus für unsere Sünden starb und von den Toten auferstand nach der Schrift und dass er jetzt die Vergebung der Sünden und die befreiende Gabe des Geistes allen denen anbietet, die Busse tun und glauben... Evangelisation ist ihrem Wesen nach die Verkündigung des historischen biblischen Christus als Heiland und Herrn. Ziel ist es, Menschen zu bewegen, zu ihm persönlich zu kommen und so mit Gott versöhnt zu werden. Wer die Einladung des Evangeliums ausspricht, darf nicht verschweigen, dass Nachfolge etwas kostet. Jesus ruft alle, die ihm nachfolgen möchten, auf, sich selbst zu verleugnen, ihr Kreuz auf sich zu nehmen und sich mit seiner neuen Gemeinschaft zu identifizieren. Das Ergebnis der Evangelisation schliesst Gehorsam gegenüber Jesus Christus, Eingliederung in seine Gemeinde und verantwortlichen Dienst in der Welt ein.»

Die Lausanner Bewegung in der Schweiz

Im Gefolge der Lausanner Konferenz entstand als Netzwerk die so genannte Lausanner Bewegung. Der Schweizer Zweig dieser Bewegung nannte sich «Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für Evangelisation (SAFE)», und diese schloss sich 1985 der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) an. Die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) ist eine Bewegung von Christinnen und Christen aus reformierten Landeskirchen, evangelischen Freikirchen und christlichen Organisationen. In der Romandie tritt der französischsprachige Teil der Evangelischen Allianz unter dem Namen «Réseau évangélique suisse» auf.

Die SEA besteht gesamtschweizerisch zurzeit aus 80 lokalen Sektionen mit rund 630 Gemeinden und über 200 christlichen Organisationen. Die Basis der SEA wird auf rund 250'000 Personen geschätzt. Die SEA ist eine von weltweit 129 nationalen Evangelischen Allianzen mit schätzungsweise 600 Millionen Gleichgesinnten.

Als Glaubensbasis gilt in der SEA die Glaubensbasis der Europäischen Evangelischen Allianz (EEA) und die Lausanner Verpflichtung. Auch der Verband der Schweizerischen Freikirchen (VFG) mit gegenwärtig 15 freikirchlichen Bewegungen aus der Deutschschweiz, zu denen über 700 örtliche Kirchen mit ihren diakonischen Werken gehören, versteht sich der Lausanner Bewegung zugehörig. Als gemeinsame theologische Basis anerkennt sie nämlich zusätzlich zum Apostolischen Glaubensbekenntnis die Lausanner Verpflichtung.

Die dritte Kraft in der Schweiz

In der Schweiz ist dieser Flügel von bibelorientierten, evangelistisch aktiven Protestanten, die im angelsächsischen Raum «Evangelicals» heissen, die dritte Kraft neben der römisch-katholischen Kirche und dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund. Die evangelikale Bewegung ist weltweit eine der kraftvollsten Äusserungen der gegenwärtigen Christenheit und in vielen Teilen der Welt in schnellem Wachstum begriffen.

Unlängst wurde die deutsche Übersetzung des Berichts über die Internationale Konsultation zwischen der Katholischen Kirche und der Weltweiten Evangelischen Allianz veröffentlicht. Für die katholische Sicht bezieht sich dieser Bericht immer wieder auf das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) und für die evangelikale Sicht auf die Lausanner Verpflichtung (1974). Ihren 40. Jahrestag zu begehen ist deshalb auch eine Selbstverpflichtung.

Webseiten:
Die Lausanner Verpflichtung im Wortlaut
Die Lausanner Verpflichtung auf Wikipedia

Zum Thema:
40 Jahre Lausanner Erklärung: Delegationen aus aller Welt feiern in der Schweiz
Konferenz in Kapstadt: «Wenn nicht eine Reformation in unseren Herzen geschieht…»
Lausanner Bewegung: «Demut, Integrität und Einfachheit»

Datum: 05.05.2014
Autor: Rolf Weibel
Quelle: Kipa

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