Marc Jost
«Ich bin gerne Christ!»
Eine Zahl des Nationalen Forschungsprogramms über die Religionsgemeinschaften liess mich aufhorchen: 111 Prozent der Mitglieder von evangelischen Freikirchen besuchen regelmässig am Sonntag einen Gottesdienst.
Komisch, dachte ich. Wird da übertrieben und geschummelt? Aber nein, der Grund liegt darin, dass Gottesdienste von so genannt nicht anerkannten christlichen Kirchen auch von Gästen besucht werden, die nicht Mitglieder sind. Im Gegensatz dazu besuchen gerademal 3 Prozent der Mitglieder der evangelischen Landeskirche regelmässig einen Gottesdienst. Wie hoch auch immer der Anteil der aktiven Mitglieder sein mag, insgesamt ist es eine kleine Minderheit der Bevölkerung, die ihren christlichen Glauben aktiv lebt und bekennt. Bestimmt nicht einmal jeder zehnte Schweizer gehört zu den «religiösen Virtuosen», wie Max Weber uns einmal bezeichnete.Warum sonntags in die Kirche gehen?
Glaube: Es ist ein besonderes Vorrecht der Glaubenden, dass uns jeden Sonntag die Vergebung zugesprochen wird. Trotz all unserer Unzulänglichkeit und unseres wiederkehrenden Versagens spricht Gott uns seine Gnade und Vergebung zu. Wenn wir an ihn glauben und Christus vertrauen, befreit er uns und versöhnt uns mit dem Schöpfer. Jeden Sonntag erlebe ich deshalb, was Freiheit bedeutet.
Hoffnung: Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, sieht viel Not, Zerstörung und Hass. Das kann uns bedrücken. Jeden Sonntag werde ich daran erinnert, dass dies nicht die ganze Wirklichkeit ist. Ich erlebe es als grosse Ermutigung zu vernehmen, dass Gott dabei ist, sein neues Friedensreich aufzurichten. Ich bekomme Hoffnung, Zuversicht und Trost, wenn ich höre und lese, dass auf mich eine neue Welt ohne Tränen, Leid und Geschrei wartet. Jeden Sonntag erfahre ich, dass ich ein Hoffnungsträger bin.
Liebe: Freunde können wir uns wählen, Glaubensgeschwister sind uns einfach gegeben, mit allen Gaben und Grenzen. Die christliche Kirche ist deshalb ein Ort des Lernens. Ich kann üben, Gottes Liebe, die ich empfange, mit meinen Nächsten zu teilen. Liebe weitergeben ist erfüllend und schön. Jeden Sonntag bekomme ich Gottes Liebe zu spüren, deshalb habe ich überhaupt die Kraft, diese Liebe auch unter der Woche mit anderen zu teilen. Warum sich das nicht mehr Menschen wünschen?
Ich jedenfalls bin gerne Christ.
Marc Jost, Generalsekretär Schweiz. Evang. Allianz, Grossrat Thun
marc.jost@gmail.com
Autor: Marc Jost
Quelle: Oberländer Sonntagsblatt