Religiöse Symbole
Kreuz darf nicht Deko werden
Haben Kreuze, Kruzifixe oder andere religiöse Symbole im öffentlichen Raum der säkularisierten Gesellschaft ihren Platz? An einer Luzerner Veranstaltung am 9. November ging es auch um Banalisierung des Kreuzes als kulturelles Symbol.
Lukas Niederberger, Zentralredaktor des Pfarreiblattes im Kanton Luzern, sagte in seinem Vortrag, der Staat solle in religiösen Fragen Zurückhaltung üben. Er solle nur dort intervenieren, wo die öffentliche Ordnung gefährdet sei. Staat und Verfassung dürften nicht bestimmte religiöse Symbole bevorzugen oder diskriminieren. Durch das Aufstellen von Kruzifixen bestehe die Gefahr einer «Banalisierung des Liebestodes Jesu». Wenn das Kruzifix als «kulturelles Logo» banalisiert werde, rufe es Gefühle von Heimat und Tradition aus, statt an Glaubensinhalte zu erinnern.
Kirche nicht durch Kreuze glaubwürdig
«Kreuz und Kruzifix sind theologisch fragwürdige Symbole, weil sie den Tod Jesu und nicht seine Auferstehung in den Vordergrund stellen», sagte Niederberger weiter. Die Kirche erhalte ihre Glaubwürdigkeit durch glaubwürdiges Handeln und nicht durch das Aufstellen von Symbolen in der Öffentlichkeit. Der Theologe befand daher, im Interesse der Kirche seien Kruzifixe zu entfernen, «wo sie zur blossen Dekoration verkommen».
Was Gerichte nicht können
Im Anschluss an Niederberger verneinte Giusep Nay, ehemaliger Präsident des Bundesgerichts und neuer theologischer Ehrendoktor der Uni Luzern, den Anspruch, nicht mit Symbolen einer andern Religion konfrontiert zu werden. Diesen Anspruch gebe es nicht. Nay wehrte sich auch gegen zu hohe Ansprüche an die Gerichte. Diese könnten nicht jeden Fall detailliert regeln, sondern bloss Leitlinien aufstellen, die für konkrete Lösungen hilfreich seien. Das Minarettverbot bezeichnete Nay als Verstoss gegen Verfassung und Menschenrechte. Hingegen wäre es wohl zulässig, den Ruf des Muezzins in einer vorwiegend von Christen bewohnten Gegend zu verbieten.
Unterschied zwischen Kruzifix und Kreuz
Zur Problematik von Kruzifixen meinte der Jurist: «Wo Kruzifixe an Strassen, auf Bergen und in Stuben verbreitet sind, wäre es unverhältnismässig, sie zu verbieten. Wo sie Zeichen der christlichen Tradition sind, müssen sie von jedermann toleriert werden.» Im anschliessenden Podium machte Giusep Nay einen prinzipiellen Unterschied zwischen Kreuzen, die allgemein christliche Symbole sind, und Kruzifixen als typisch katholischen Zeichen. (Das lateinische Wort crucifixus bedeutet: «der ans Kreuz geschlagene» Jesus.)
Am Schluss des Podiums warb Lukas Niederberger für religiöse Toleranz und die Förderung interreligiöser Kompetenz: «Es gibt Kreise, die sämtliche Religionen aus der Öffentlichkeit verbannen. Sie wehren sich auch dagegen, dass Kirchen und religiöse Gemeinschaften in ethischen und sozialen Fragen mitreden.»
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Autor: Walter Ludin
Quelle: Kipa