Älter werden
Wie man mehr als nur Jahre dazugewinnt
«Älter werden ist nicht schwer, alt sein dagegen sehr.» Stimmt das? Oder lässt sich dem unaufhaltsamen Alterungsprozess mehr entgegensetzen als Botox und krampfhaftes Jung-bleiben-Wollen? Die Bibel vermittelt hier hilfreiche Perspektiven.
Sie steigen mit einem schwungvollen grossen Schritt in den Bus, lösen Ihr Ticket und stellen sich in den Gang. Eine Mutter auf dem Platz neben Ihnen stösst ihre Tochter an: «Magst du aufstehen, damit sich jemand Altes setzen kann?» Die Tochter tut es, Sie schauen sich um und stellen fest, dass hinter Ihnen niemand mehr steht. Sie sind gemeint.
Es sind kleine Ereignisse wie diese, die die Tür zum Jungsein zuwerfen. Natürlich weiss man, dass man jedes Jahr ein Jahr älter wird, dass man das vergangene Jahrtausend noch erlebt hat, dass die Haare weniger werden oder grau oder beides. Man wird eben älter, aber alt?
Realistische Bibel
Zu «biblischen Zeiten» galten Menschen schon früh als alt – die Lebenserwartung war einfach niedriger als heute. Doch am Älterwerden an sich hat sich nur wenig geändert. Die ersten Menschen sollen laut Genesis ein spektakuläres Alter erreicht haben. Der sprichwörtliche Methusalah starb mit 969 Jahren (siehe 1. Mose Kapitel 5, Vers 27). Soll das einfach ein gesegnetes Leben anzeigen oder sind damit Jahre mit jeweils 365 Tagen gemeint? Egal, eine Weile später pendelt sich das Höchstalter der Menschen auf «siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind's achtzig Jahre» ein, wie es in Psalm 90, Vers 10 heisst.
Dabei wechseln sich in den Berichten der Bibel Menschen ab, die viel zu jung oder alt und lebenssatt starben. Immer gehört beides zur Realität. Manche älteren Personen werden als besonders weise beschrieben – wie zum Beispiel die 84-jährige Hanna und der alte Simeon, die bei der Beschneidung von Jesus im Tempel seine Besonderheit erkannten (Lukas Kapitel 2, Verse 25-38). Manchmal stehen allerdings auch nur die Beschwernisse des Alters im Mittelpunkt. Kohelet erklärt etwa den altersbedingten Zahnausfall sehr bildhaft damit, dass «die Müllerinnen aufhören zu arbeiten, weil sie zu wenige geworden sind» (Prediger Kapitel 12, Vers 3).
Tatsächlich spielen das Alter und der Umgang damit in den biblischen Büchern eine recht grosse Rolle. Und dazu gehört auch die Rentenfrage, die damals noch anders bezeichnet wurde. «Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren» heisst es im vierten Gebot, und das appelliert damit nicht an kindlichen Gehorsam, sondern an erwachsene Kinder, die ihre Eltern versorgen sollen (vgl. die praktische Auslegung hier). Über diese menschliche Komponente beim Versorgen im Alter hinaus unterstreicht der Prophet Jesaja, dass Gott selbst das zur Chefsache gemacht hat: «Bis in euer Greisenalter bin ich derselbe, und bis zu eurem Ergrauen will ich euch tragen. Ich habe es getan, und ich will auch fernerhin euch heben, tragen und erretten» (Jesaja Kapitel 46, Vers 4).
Hilfreiche Vorbereitung
Was bedeutet das konkret für Sie und mich? Wir werden alle älter, aber wir sind nicht plötzlich alt. Der Prozess lässt sich durchaus gestalten. Einmal mit den äusserlichen Faktoren, auf die jede Krankenkasse hinweist: gesunde Lebensgewohnheiten, ausreichend Bewegung, Gehirntraining. Aber auch dadurch, dass Sie charakterliche Weichen stellen. Wir kennen alle alte Menschen, die verbittert, nörgelnd und egozentrisch sind. Es ist keine Überraschung: Eigentlich waren sie auch schon vorher so – nur inzwischen haben sie weder die Kraft noch die Lust zu unterdrücken, wie sie wirklich denken. Wenn Sie also im Alter weise und dankbar sein wollen, dann trainieren Sie es heute.
Herausfordernd bleibt das Älterwerden allemal. Die Publizistin Susan Sontag sprach zum Beispiel vom «Double Standard of Aging». Sie kritisierte, dass das Altern bei Männern und Frauen oft unterschiedlich wahrgenommen würde. «Männer werden reif und Frauen alt» fasst das Klischee diese Gedanken zusammen. Und bevor Sie jetzt zu schnell abwinken, fragen Sie sich doch einmal, wie viele ältere Charakterschauspieler Sie kennen und wie viele Schauspielerinnen.
Alt sein kann man eine Weile verdrängen, färben oder sogar operativ aufhalten, aber eben nicht auf Dauer. Irgendwann muss man es üben – sonst kann man es nicht.
Gesegnete Perspektiven
Die Tage kommen, von denen man laut Kohelet sagt: «Sie gefallen mir nicht» (Prediger Kapitel 12, Vers 1). Doch gibt es einige Sichtweisen, die Ihnen helfen können, damit umzugehen.
Feiern Sie das Miteinander mit jüngeren Menschen. Ziehen Sie sich nicht zurück. Bleiben Sie sichtbar – als alter Mensch. Diese Perspektive nimmt der Prophet Sacharja übrigens für sein paradiesisches Zukunftsbild, das er zeichnet, denn die Zukunft ist nicht jung, sie ist divers: «So spricht der Herr der Heerscharen: Es sollen noch alte Männer und alte Frauen in den Strassen Jerusalems sitzen, jeder mit einem Stab in seiner Hand wegen ihres hohen Alters. Und die Strassen der Stadt sollen erfüllt werden mit Knaben und Mädchen, die auf ihren Strassen spielen» (Sacharja Kapitel 8, Verse 4-5).
Lernen Sie loszulassen. Das Leben ist endlich. Selbst Methusalah musste das tun. Gleichzeitig können Sie eine Perspektive gewinnen, die über Gebrechlichkeit und Grabstein hinausgeht. Der Apostel Paulus zum Beispiel meinte: «Denn ich bin überzeugt, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll» (Römer Kapitel 8, Vers 18). Und viele biblische Autoren unterstreichen diesen Blick in Richtung Ewigkeit auf ihre Art: Das Beste kommt noch!
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet