Artikel 115a
Abstimmungskampf um einen Mini-Artikel
Das Pro-Komitee für den neuen Verfassungsartikel 115a der Bundesverfassung zur Familienpolitik hat gestern in Bern mit einer Medienkonferenz den Abstimmungskampf eröffnet.
Eigentlich geht es bei der Abstimmung am 3. März 2013 um einen Mini-Artikel, wenn man bedenkt, was Familienpolitik alles beinhalten kann und muss. Der neue Artikel beauftragt Bund und Kantone, ein bedarfgerechtes Angebot an familien- und schulergänzenden Tagesstrukturen zu schaffen, wobei der Bund erst tätig werden soll, wenn die Kantone den Auftrag nicht umsetzen.Trotz seiner Schlankheit wird der Artikel insbesondere von der SVP bekämpft. Sie sieht darin eine Verletzung des Grundsatzes, dass die Familie Privatsache sei. Dass die Angebote zur familienexternen Kinderbetreuung durch Tagesschulen und Krippen ausgebaut werden sollen, ist für sie eine Verletzung dieses Grundsatzes.
Im Interesse von Familien und Wirtschaft
Obwohl Eltern in der Schweiz viel Phantasie aufbringen, um ihre Kinder durch Grosseltern, andere Familienangehörige und Freunde zu betreuen, wenn sie dazu nicht selbst in der Lage sind, stellen die im Dachverband Pro Familia Schweiz vertretenen Organisationen grosse Defizite fest. Sie setzen sich daher vehement für den Miniartikel ein, auch wenn sie sich davon keine schnellen Fortschritte erhoffen können. Sie verweisen zum Beispiel darauf, dass sowohl betroffene Familien wie die Wirtschaft an Verbesserungen interessiert seien. Die Zeit, da im Normalfall ein Elternteil das nötige Einkommen erwerben konnte, sei vorbei. Denn drei Viertel der Familien seien heute auf ein zweites Einkommen angewiesen, stellte Pro Familia-Präsident Laurent Wehrli fest. Letztlich gehe es darum, den Familien die Entscheidungsfreiheit zu vermitteln, wie sie Beruf und Familie miteinander vereinbaren könnten.
Eltern sein ist herausfordernd geworden
Denn Familien stehen heute unter vielfältigem Druck. Pro Juventute-Präsident Stephan Oetiker wagte gar die Aussage, es sei noch nie so schwierig gewesen, Eltern zu sein. Kinder hätten ausserdem ein Recht auf eine gute familiäre und ausserfamiliäre Betreuung. Nicht zuletzt gehe es auch darum, dass die Schweiz genug Nachwuchs erhalte, um die Sozialwerke zu sichern.
Gute Rahmenbedingungen für Familien lassen Geburtenzahlen ansteigen
Valérie Borioli Sandoz, Geschäftsleitungsmitglied von Travail Suisse verwies dabei auf die Erfahrungen im Ausland: «Wenn die Vereinbarkeit erleichtert wird, steigt die Geburtenrate» – allerdings ohne dies zu dokumentieren. Es könne nicht Sinn machen, die Grenzen noch mehr zu öffnen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu rekrutieren. In der Schweiz scheint allein schon das Bewusstsein, dass sich diesbezüglich etwas ändern könnte, die Geburtenzahlen zu steigern.
Kostenargument relativiert
Pro Familia-Präsidentin Lucrezia Meier-Schatz konterte den vor allem aus der SVP kommenden Einwand, dass dem Staat durch die Förderung der familienexternen Angebote zusätzliche Kosten entstehen. Der Bund habe lediglich eine Koordinationsfunktion. Und für die Kantone könne sich das Engagement bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sogar lohnen, da sie mit höheren Steuereinträgen rechnen und wegen den positiven Auswirkungen einer bedarfsgerechten Kinderbetreuung und höheren Einkommen der Familien auch bei den Sozialkosten sparen könnten.
Zum Thema:
Note ungenügend für den Familienartikel
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet