Vertrauenspädagogik
Ein falsches Anreizsystem überwinden
Welche Erziehung dient unseren Kindern und wird ihnen am besten gerecht? Der Pädagoge Heinz Etter setzt auf die «Vertrauensbeziehung» und beruft sich dazu auch auf die Erkenntnisse des kanadischen Entwicklungspsychologen Gordon Neufeld.
Livenet: Heinz Etter, Sie setzen sich in der Erziehung unserer Kinder engagiert für eine «Vertrauenspädagogik» ein. Was ist darunter zu verstehen?
Heinz Etter: Es ist eine Erziehung, die davon ausgeht, dass Kinder nicht durch Druck, sprich Belohnung und Bestrafung, zu korrektem Verhalten geführt werden müssen, sondern, dass es darum geht, sie in eine Join-up Beziehung (zurück) zu führen, in eine hierarchische Beziehung zwischen «gleichwürdigen» Menschen, die geprägt ist durch Vertrauen und bedingungslose Annahme. Kinder starten ihr Leben in dieser Beziehung zu den Eltern. Diese gilt es zu bewahren, damit sie zum Vorbild werden darf für die Beziehung zwischen Gott und Mensch.
Das Verhalten soll die Frucht der Liebe sein, nicht der Furcht oder des Strebens nach Gewinn.
Sie beziehen sich bei Ihrem Konzept auf den kanadischen Entwicklungspsychologen Gordon Neufeld. Was ist sein entscheidender Impuls für die Pädagogik?
Das ist so nicht ganz richtig. Der vertrauenspädagogische Ansatz ist unabhängig vom Neufeld Ansatz entstanden. Gordon Neufeld ist ein Wissenschaftler, der es unternommen hat, den Behaviorismus zu überwinden, jene Pädagogik, die meine und seine Ausbildung geprägt hat, wie die von fast allen Pädagogen unserer Zeit, wo positive Reize oder Strafreize ein korrektes Verhalten hervorbringen sollen. Unsere ganze Kultur ist von diesem Anreizsystem geprägt. Im Kindergarten sind es Smileys auf den Blättern und später sind es Bonuszahlungen. Er weist nach, dass dieses System kontraproduktiv ist und gibt spät aber eindrücklich der Sichtweise von Postalozzi recht.
Obwohl Neufeld kein evangelikaler Christ ist, haben Sie ihn zu einem Seminar in der Schweiz eingeladen. Was kann Neufeld christlichen Eltern geben?
Welches ist der Beitrag von Neufeld zur Bindungstheorie?
Er zeigt auf, dass Bindung nicht nur für Kleinkinder von entscheidender Bedeutung ist, wie das in der Bindungsforschung vor allem betont wird, sondern für uns Menschen ein Leben lang das zentrale Bedürfnis bleibt und dass die Furcht vor dem Verlust unserer Bindungen das Leben und Verhalten in hohem Mass beeinflusst.
Welche Chance geben Sie der Vertrauenspädagogik? Ist sie nicht zu anspruchsvoll für die meisten Eltern?
Die Eltern erleben, dass die Kinder sich bei der Umstellung auf VP viel leichter tun. Wir Erwachsenen brauchen viel Geduld mit uns selber und vor allem Barmherzigkeit, Gnade und Vergebung. Hier liegt unsere Chance als Christen.
Hat Neufeld auch Antworten für Eltern, die mit der Erziehung von sehr anspruchsvollen Kindern (zB. Mit ADHS) konfrontiert sind. Wo liegt die Grenze der Vertrauenspädagogik?
Was kann sie Eltern noch geben, denen an einer guten Beziehung zu ihren Kindern liegt, die aber auch klare Grenzen setzen möchten?
Vielleicht ist da unser aktuelles Video eine Antwort: «Grenzen setzen – aber wie?» Oder auch der vertrauenspädagogische Leitsatz: «Die wichtigsten Dinge im Leben kann man weder einfordern noch erzwingen: Das Vertrauen, die Liebe und letztlich auch nicht den Gehorsam. Sie sind die Frucht der Bindung.» (Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. Johannes 15,4).
Buch zum Thema:
Das Buch zur Vertrauenspädagogik: Heinz Etter: Erziehen im Vertrauen.
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Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet