Abstimmung Stadt Zürich

Christen uneinig über Strichplatz

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«Verrichtungsboxen» wie sie heute schon in Holland existieren.
Kontrollierter Strichplatz in Zürich-Altstetten: Ja oder Nein? Während Befürworter mit dem Schutz für die Prostituierten argumentieren, betonen die Gegner die Kosten des Projekts. Auch unter Christen ist das Thema stark umstritten.

Der Strassenstrich auf dem Zürcher Sihlquai ist offenbar bereits in ganz Europa eine gefragte Adresse. Das gilt sowohl für Zuhälter und Prostituierte, als auch für die Freier - und den internationalen Menschenhandel. Die Stadt Zürich versucht nun eine doppelgleisige Strategie, um die Lage zu verbessern. Wenigstens sollen Prostituierte vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden, und die Anwohner möglichst unbehelligt bleiben. Die Massnahmen sind auch unter Christen umstritten und der Ausgang der Abstimmung mehr als ungewiss.

Am 25. Januar wurde zum einen eine neue Prostitutionsgewerbeverordnung im Stadtparlament verabschiedet. Die «Sexarbeiterinnen» müssen nun eine Bewilligung vorweisen. Voraussetzungen sind: Volljährigkeit, eine Krankenversicherung und der Nachweis, dass die Frau selbstständig tätig ist. Schon daran zeigt sich die grundlegende Schwierigkeit des Themas: Die Zürcher Stadtmission befürchtet, dass viele Frauen, insbesondere aus Osteuropa, so in die Illegalität gedrängt werden. Diese würden keineswegs wieder in ihre Heimat zurückkehren, wenn ihnen die Erlaubnis entzogen wird. «Hohe Schulden und der Druck zum Geldverdienen veranlassen sie, zu bleiben und ohne Bewilligung zu arbeiten», heisst es in einer Erklärung.

Keine optimale Lösung

Ein neuer Strichplan sieht als weitere Massnahme vor, das Sexgewerbe wenigstens am Sihlquai zu verbieten. Stattdessen würden im Randbezirk Altstetten sogenannte «Verrichtungsboxen» aufgestellt. Das sind abgeschirmte Parkplätze, die den Prostituierten ein kontrolliertes Umfeld bieten.

Über den Baukredit wird am 11. März in Zürich abgestimmt. Christine Hauri ist mit dem «Projekt Rahab» der Heilsarmee im Zürcher Milieu unterwegs. Die Situation am Sihlquai ist ihrer Meinung nach nicht mehr tragbar. Den Strich gibt es dort seit über 30 Jahren. Irgendwann kam der Drogenstrich dazu. Heute gebe es «wahnsinnig viele Ostblockfrauen, die oft vom Menschenhandel betroffen sind». Darum unterstützt Christine Hauri das Projekt in Altstetten. Auch das sei zwar keine optimale Lösung, doch eine solche gebe es eben nicht. Die Verrichtungsboxen würden zumindest eine gewisse Sicherheit bieten.

Zusätzliche Kategorie

Die SVP Zürich hält dagegen, dass mit den Boxen sozusagen die Prostitution vom Staat bezahlt werde. Ein Argument, das EVP-Gemeinderat Martin Mächler nicht gelten lässt, obwohl er ebenfalls gegen den Strichplatz ist. Kosten werde die Bekämpfung der Strassenprostitution in jedem Fall. Ursprünglich sei die EVP ebenfalls für die Idee der Verrichtungsboxen gewesen. Man war davon ausgegangen, dass Altstetten den Zürcher Strassenstrich ganz ersetzen würde.

Nun wird klar: Es bleiben trotzdem zwei weitere Strichzonen bestehen: In Zürich-Niederdorf und in der Allmend Brunau. Für Mächler wird damit das Problem nicht gelöst, sondern einfach eine weitere Kategorie der Prostitution eingeführt. Neben den Salons, dem Fussgängerstrich und dem Autostrich gebe es dann zusätzlich noch den Sexbox-Strich.

Wirkung unklar

Fakt ist: Die Lösung mit den Verrichtungsboxen ist schon in mehreren europäischen Städten versucht worden. Das Resultat sei höchst unterschiedlich gewesen, sagt Christine Hauri. Teilweise wären die Boxen nach einiger Zeit wieder abgebaut worden. Woanders habe es aber sehr gut funktioniert. Das Problem sei, dass die Freier auf dem Strassenstrich vor allem die Anonymität suchen. Ob diese bei den Verrichtungsboxen noch gegeben ist, sei unklar.

Martin Mächler und Christine Hauri sind sich beide der Komplexität des Themas bewusst. Die Frage ist: Soll man Geld für eine Massnahme in die Hand nehmen, um den Prostituierten mehr Sicherheit zu geben, und zumindest den berüchtigten Strich am Sihlquai auflösen? Eine Massnahme, deren Wirkung aber mehr als unklar ist und das grundsätzliche Problem der Strassenprostitution und des Menschenhandels in Zürich wohl nicht lösen würde.

Die Abstimmung:
In Zürich-Altstetten soll der kontrollierte Strichplatz Depotweg mit zehn Verrichtungsboxen entstehen. Abgestimmt wird am 11. März 2012 über einen Baukredit von 2'395'000 Franken plus 92'480 Franken jährliche Mietkosten. SVP, EDU und EVP empfehlen ein Nein. SP, Grüne und CVP sagen Ja.

Datum: 01.03.2012
Quelle: idea Schweiz

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