Mütter in unserer Gesellschaft
Die Beziehung zur Mutter lässt keinen kalt. In der Bücherwelt sind Mütter zurzeit ein beliebtes, wiederentdecktes Thema. Renner sind Bücher, in denen das verkitschte Mutterideal dem Bild einer Frau voller Fehler weichen muss. Die Ideal-Mutter gibt zu wenig her, um ein Verkaufsschlager zu werden. Mutter, Schwiegermutter, Grossmutter, verhinderte Mutter, unfreiwillige Mutter, überforderte Mutter, pflegebedürftige Mutter – man ahnt es, Mutter ist ein unerschöpfliches Thema. Also schöpfe ich hier am besten gleich aus meinen eigenen Erfahrungen.
Lebenslänglich
Mit 22 Jahren gebar ich mein erstes Kind – ein Wunschkind. Da es damals in unserem Bekanntenkreis keine Kleinkinder gab, mangelte es mir an praktischer Erfahrung. Ich werde deshalb den Tag meiner Heimkehr aus dem Spital nie vergessen. Kaum hatte ich die Wohnung betreten, überfiel mich die Last der Verantwortung wie ein riesiges Gewicht. Ich legte mein kleines Mädchen auf den Wickeltisch und weinte fassungslos. Ich spürte die Last des Mutterseins und ahnte: Das ist jetzt lebenslänglich! Trotz Säuglingskurs und einem liebevollen Mann fühlte ich mich hilflos. Es war der Beginn einer längeren Wochenbettdepression. Viele Jahre sind seither vergangen. Ich kann glücklich sagen, dass ich das Muttersein schliesslich nicht nur als Last, sondern auch als grosse Bereicherung meines Frauseins erlebte.
Lieben und Leiden
Mütter vollbringen täglich weltweit eine immense, nicht messbare Leistung. Sie investieren sich mit ihrem ganzen Wesen in ihre Aufgabe an den Kindern, die sie geboren haben. Ob Kleinkinder oder schon erwachsen, niemals kommen Mütter mehr davon los, sich für ihre Kinder verantwortlich zu wissen, sich für sie und um sie zu sorgen, sie zu begleiten, mit ihnen oder an ihrer Stelle zu leiden und oft nicht helfen zu können. Mütter kennen aber auch grossartige Gefühle der Freude und des Stolzes, mächtige Triumph- und Begeisterungsgefühle, auch das Erleben intensiver Liebe und Zuneigung. Diese Wechselbäder von Freude und Schmerz machen das Muttersein und damit die Mütter zum „Salz der Erde“.
Das grosse Dilemma
Mütter haben auf unserem Erdenrund je nach kulturellem Umfeld ein völlig anderes Ansehen. Nicht überall wird die Mutterrolle gleich bewertet. In der industrialisierten westlichen Welt ist die Mutterschaft ihrer traditionellen, vielgestaltigen Aspekte weitgehend beraubt, wodurch der Frau die soziale Anerkennung genommen ist. Sie ist in ein auswegloses Dilemma geraten. Verzichtet sie auf die berufliche Entfaltung zugunsten der Kinder, gilt sie als eine in ihrer Selbstverwirklichung verhinderte Frau. Eine Entscheidung für den Beruf stempelt sie hingegen unweigerlich als „Rabenmutter“ ab.
Mütter als Sündenböcke
Weiter ist das Wirken der Mütter mehr denn je einer kritischen Prüfung ausgesetzt. Mütter sind die Sündenböcke für eine Vielzahl von sozialen Leiden und Missständen. Sie haben die Magersucht und das Übergewicht, die Drogensucht und die Hyperaktivität, die Lesestörung und den Autismus ihrer Kinder zu verantworten. Es macht fast den Anschein, dass ohne Mütter all diese Probleme nicht wären. Dagegen helfen auch die vielen Bücher auf dem Markt nichts, die nachweisen wollen, dass Mütter nicht an allem schuld sind. – Sicher werden Mütter auch zu Unrecht angeprangert. Aber man kennt traurige Geschichten von Müttern, die ihre Kinder ablehnen, misshandeln oder nicht loslassen können. Diese leiden oder sind selbst Opfer ihrer Geschichte. Ich kann sie hier nicht weiter beleuchten.
Mütter ohne Vorbildung
Im Licht der heutigen Berufsausbildungen, die ständig länger, komplizierter und spezialisierter werden, wirkt die Mutterschaft als schreiend unspezialisiert und unprofessionell. Gewisse Stimmen fordern, dass eine Frau erst ein Kind gebären darf, wenn sie an einem speziellen Trainingsprogramm teilgenommen hat. Dabei scheint es keinen Beleg dafür zu geben, dass eine Frau, die sich viel Wissen über die Mutterschaft aneignet, eine bessere Mutter ist. Im Gegenteil, theoretische Auseinandersetzung mit der Mutterschaft kann die Sache eher schwierig machen. Das, was Mutter im Alltag wirklich leisten muss, sind keine technischen Vorgänge und Abläufe. Vielmehr muss sie laufend aus dem Augenblick heraus handeln, und da sind der gesunde Menschenverstand, ihre Persönlichkeit und ihre Beziehung zum Kind gefragt. Überdies werden in der Frau durch die Geburt Kräfte und Gefühle frei, die mit Naturgewalten zu vergleichen sind und die sie in vielen Situationen instinktiv richtig handeln lassen.
Familie ohne Anerkennung
Die genannten Aspekte dämpfen heute die Freude am Muttersein ganz erheblich, wie die rückläufigen Geburtenzahlen belegen. Unsere Gesellschaft ermuntert junge Paare mit dieser Haltung wenig, eine Familie zu gründen. Vorrang hat ein schönes Heim mit allem erdenklichen Luxus, und dann wird abgewogen und wohlüberlegt, ob man auch noch ein Baby „anschaffen“ will. Nur zögerlich lässt man sich allenfalls auf das Projekt „Familie“ ein, denn die Unterstützung und Anerkennung des Umfeldes ist einem keineswegs mehr gewiss.
Familie mit Gottes Segen
Dabei ist Mutter- und Vaterschaft etwas vom Grössten und Erfüllendsten, das ein Paar überhaupt erleben kann. Es ist bedauerlich, dass unsere Gesellschaft diese Tatsache ignoriert. Ich kann aus persönlicher Erfahrung nur Mut für eine Familiengründung machen. Lassen wir uns wenigstens in dieser Frage nicht von Trends bestimmen! Aus biblischer Sicht gilt auch heute, dass Kinder ein Segen Gottes sind. Und diesen dürfen Frauen für sich beanspruchen, ganz besonders, wenn sie selber bewusst mit Gott unterwegs sind. Meine Beobachtungen haben ergeben, dass das Gedeihen der Kinder nicht so sehr davon abhängt, nach welchen Moden, Methoden und Ratschlägen eine Mutter handelt, als vielmehr, wie selbstsicher und mit wie viel Gefühl sie das tut. Wenn sie grosse Sicherheit ausstrahlt, herzlich, spontan und aus der Liebe heraus handelt, gibt das den Kindern Halt fürs Leben.
Die persönliche Gottesbeziehung einer Mutter spielt dabei eine grosse Rolle. Wenn sie selber gehalten ist, selber Geborgenheit und Liebe empfängt, kann sie etwas weitergeben. Wenn eine Frau diesen Halt bei ihrem Mann findet, ist das zwar gut, aber keineswegs verlässlich. Gott allein gibt Müttern diesen Halt, und der ist beständig. Bei ihm ist all das zu finden, was wir Mütter täglich brauchen.
Hauptrolle auf Zeit
Unsere Gesellschaft würde von Grund auf verändert, wenn Mütter wieder aus dieser Kraftquelle leben lernten. Sie könnten viel gelassener mit all den hohen Erwartungen umgehen. Die wirtschaftlichen Fragen würden in den Hintergrund treten und das Erfüllende, Farbenfrohe, Helle der Mutterschaft könnte sich breit machen und auf Mütter, Kinder und Ehepartner wohltuend auswirken.
Allerdings erfordern die heutigen Familiensysteme Kreativität. Väter, Grossmütter oder andere Verwandte glänzen durch Abwesenheit, und dadurch sind Mütter oft sehr allein. Hilfe schafft in diesen Fällen Selbsthilfe, indem sich junge Mütter zusammentun, um sich gegenseitig zu entlasten. Frauensolidarität und Offenheit spielen eine wichtige Rolle, damit die eigenen Bedürfnisse nicht auf der Strecke bleiben. Eine Mutter, die auch Zeit für sich findet, ist eine zufriedene Mutter. Eine Mutter, die sich ganz und gar aufgibt, neigt zu ungesunden Bindungen und Ansprüchen an ihre Kinder.
Mutterschaft ist eine Hauptrolle auf Zeit. Ich bin inzwischen wieder voll Frau und nur noch in deder Nebenrolle Mutter und Grossmutter - übrigens für mich eine Befreiung.
Zum Thema: www.muttertag.jesus.ch
Autor: Esther Reutimann
Quelle: Chrischona Magazin