Experiment mit dem «Zehnten»
Wenn sich Geben lohnen muss
Das Programm heisst «90-Tage-Herausforderung, den Zehnten zu geben». Einige hundert Kirchen und Gemeinden in den USA wollen ihre Mitglieder damit zum Geben animieren. Ihr Angebot: Die Teilnehmer geben ein Vierteljahr lang den Zehnten. Wenn sie von Gott nicht finanziell gesegnet werden, erhalten sie ihr Geld zurück.
Basis ist die Bibel
Die Initiatoren der Kampagne stellen ihr einen Bibelvers aus dem Alten Testament voraus: «Ich, der allmächtige Gott, fordere euch nun auf: Bringt den zehnten Teil eurer Ernte in vollem Umfang zu meinem Tempel, damit in den Vorratsräumen kein Mangel herrscht! Stellt mich doch auf die Probe, und seht, ob ich meine Zusage halte! Denn ich verspreche euch, dass ich dann die Schleusen des Himmels wieder öffne und euch mit allem überreich beschenke.» (Die Bibel Maleachi, Kapitel 3, Vers 10 aus dem Alten Testament). Und Perry Noble, Pastor der «New Spring»-Gemeinde, ergänzt: «Gott sagt wörtlich: Prüft mich, ob ich Gott bin. Du und ich können Gott nicht zu viel geben.»Einige Gemeinden beschränken die Kampagne zeitlich und begleiten sie jeweils durch Predigten und Material zum Thema Geben, andere Gemeinden formulieren sie als fortlaufendes Angebot. In jedem Fall wird stillschweigend vorausgesetzt, dass «der Zehnte» allgemein verbindlicher Massstab für das Geben ist. In der US-amerikanischen Gemeindelandschaft ist dieses Denken weit verbreitet, auch weil es keinerlei Kirchensteuern gibt. Allerdings hinkt die Spenden-Wirklichkeit deutlich hinter dem Anspruch zurück. «Die Mehrheit der Christen auf den Kirchenbänken ist weder grosszügig noch treu beim Geben, deshalb müssen ihre Gemeinden ihnen auf ihrem Weg zur Grosszügigkeit helfen», erklärt Brian Kluth, ein christlicher Autor, den Hintergrund der Kampagne. Gleichzeitig fordert er dazu auf, mit solchen Herausforderungen in erster Linie die geistliche Gesundheit der Mitglieder in den Blick zu nehmen und nicht die Kirchenkasse.
Stärken des Konzepts
«Man sollte sich mal Gedanken über das Spenden machen …» ist ein typischer Vorsatz nach einer Predigt über das Geben: allgemein, unkonkret und ohne zeitliche und finanzielle Grössenordnung. Hier kann das amerikanische Konzept sehr hilfreich sein. Neben einigen Basisinformationen zum Geben enthalten Webseiten von Gemeinden, die am 90-Tage-Programm teilnehmen, meist sehr detaillierte Hilfestellungen: vom Rechner, der den Zehnten berechnet, bis hin zu ermutigenden Berichten anderer Teilnehmer. Der Wunsch der Initiatoren ist darüber hinaus, dass Teilnehmende während der Aktion Gewohnheiten entwickeln, die sie anschliessend beibehalten.
Schwächen der Idee
Allerdings findet die Idee auch zahlreiche Kritiker, die sich besonders an der Motivation und «Geld-zurück»-Garantie stören. Dick Towner leitet ein Haushalterschaftsprogramm der Chicagoer «Willow Creek»-Gemeinde. Laut Christianity Today hält er die Grundhaltung, dass man bei diesem Versuch nichts verlieren kann, für «nicht das, was eine biblische Perspektive über fröhliches Geben aus Dankbarkeit» ausmacht. Auch die Lebensberichte, die zum Geben ermutigen sollen, sind durchaus zweischneidig. Menschen erzählen davon, wie Gott ihnen mehr Geld zurückgegeben hat, als sie ihm gegeben haben. Solche Erfahrungen machen viele Christen beim Geben, doch innerhalb der Kampagne entsteht daraus schnell eine Dynamik: «Gott lässt sich nichts schenken» wird so in der Kurzfassung zum bedenklichen «Glauben lohnt sich finanziell».
Zur Webseite:
90-Tage-Herausforderung, den Zehnten zu geben
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet