Tobias Künkler
Vom Dilemma der christlichen Erziehung
Christliche Erziehung steht im Dilemma zwischen Furcht und Freiheit. Der Erziehungswissenschaftler Tobias Künkler präsentierte dazu die Ergebnisse einer grossen Studie aus Deutschland.
Es gibt viel Positives
Druck durch Alternativlosigkeit
Dennoch befinde sich die christliche Erziehung in einem Dilemma, meinte der Erziehungswissenschaftler. Neben der wachsenden Freiheit sei die Furcht ein Bestandteil christlicher Familien. Etwa ein Viertel der Befragten ist uneindeutig bezüglich Gewalt gegenüber ihren Kindern. Aber nicht nur körperliche Strafen lösen Furcht aus. Für viele der befragten Eltern ist es sehr wichtig, dass die Kinder ihre Art des Glaubens übernehmen oder sich in sexualethischen Fragen (Sex vor der Ehe, Homosexualität) nach ihren Vorstellungen entwickeln. Damit werde das Kind vor eine «alternativlose Entscheidung» gestellt. Eine solche «einweisende Erziehung» setze Kinder unter Druck, sagte Künkler. Kinder wüssten oft sehr genau, was sie ihren Eltern Schlimmes antun würden, wenn sie beispielsweise in Glaubensfragen nicht ihren Eltern folgen. Soziologe Künkler: «So kann sich eine Identität ohne Glauben nur mit Schuldgefühlen entwickeln.» Zusammengefasst heisst das: Christliche Familien vermitteln viel emotionale Wärme. Eltern sollten jedoch nicht ihre Liebe aufkündigen, wenn Kinder in Sachen Glaube einen anderen Weg gehen.
Die «hinweisende Erziehung»
Künkler plädierte dafür, dass Kinder auch in der Familie andere Weltanschauungen kennenlernen sollten. Nur so könnten sie sich ohne Angst in einer pluralistischen Welt bewegen. Zudem solle man früh mit Kindern über Sexualität sprechen. Zu einer stimmigen Glaubenserziehung gehöre vor allem, dem Kind zu vermitteln, dass man es liebt, auch wenn es anders ist. Wer als Vater oder Mutter für seine Glaubensüberzeugungen wirbt und dem Kind Liebe vermittle, ungeachtet des Weges, den es wählt («hinweisende Erziehung»), der leiste einen grossen Beitrag, um dem Dilemma der christlichen Erziehung konstruktiv zu begegnen.
Übersicht über Ratgeber in Planung
Nach ausführlicher Fragenbeantwortung durch den Referenten wurden die Ergebnisse der Studie in vier Fachkreisen vertieft. Das Forum Ehe+Familie (FEF) ist eine Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Evangelischen Allianz. In ihr haben sich über 30 verschiedene Organisationen, Initiativen und Einzelpersonen zusammengeschlossen. Das FEF will Eltern in ihrer Erziehungsarbeit unterstützen. So informierte Martin Schnyder vom Leitungsteam über das Ausarbeiten einer Übersicht über das breite Spektrum an Erziehungsratgebern. Die nächste FEF-Tagung findet am 24. August in Aarau statt.
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Autor: Andi Bachmann-Roth
Quelle: idea Spektrum Schweiz