EMK sucht neue Sprache
«Wir wollen nicht den Globus, sondern uns verändern»
In heutiger Zeit über die Erlösung von Jesus Christus sprechen – mit diesem Thema beschäftigt sich in der Schweiz eine Arbeitsgruppe der Evangelisch-Methodistischen Kirche (EMK). Ein Arbeitsheft ist entstanden. Wir unterhielten uns mit EMK-Pfarrer und Mitglied der Arbeitsgruppe Stefan Moll aus Baden (AG) über die Erkenntnisse und Ergebnisse.
Livenet: Stefan Moll, die Evangelisch-Methodistische Kirche sucht nach einer Sprache, in der die Erlösung auf den Tisch gebracht werden kann – weshalb?Stefan Moll: Es braucht keine Sprache, die auf den Tisch gebracht werden kann. Die gibt es bereits: Sowohl die Theologie als auch die heutigen Evangelisten und die christlichen Gemeinden verfügen über Ausdrucksformen, die «auf den Tisch» gelegt werden. Aber genau das ist das Problem: Nur jene, die schon am Tisch sitzen, bedienen sich auch. Das Evangelium kann nicht einfach vorgelegt werden.
Wir haben in der EMK das Gefühl, dass wir in der Frage, was Erlösung bedeutet, die Sprachfähigkeit weitgehend eingebüsst haben. Jedenfalls, wenn wir nicht nur im engeren Kreis von Christen darüber sprechen wollen. Das ist ein schmerzhaftes Eingeständnis. Aber es ist wichtig, sich dem zu stellen. Wir wollen die frohe Botschaft mitteilen, aber die anderen interessiert das wenig. Für uns ist es darum dringend nötig, darüber nachzudenken, wie Sprache zum Thema Erlösung entsteht. In unserer Stadt hat in diesen Tagen eine grosse Evangelisation stattgefunden. Die Bemühung, alles auf eine möglichst zeitgemässe Art auf den Tisch zu legen, war beeindruckend. Und trotzdem: Es blieb, so weit ich das beobachten konnte, eine Insider-Veranstaltung. Viele sind gekommen – aber es waren eben doch die, welche schon jetzt zu Tisch sitzen. Ich meine darum, dass nicht nur die EMK ein Problem damit hat, in der heutigen Zeit in Sachen Erlösung sprachfähig zu bleiben.
Können Sie ein Beispiel von einem Wort oder einer Wendung geben, das einen Refresh erhalten soll?
Nein, genau das kann ich nicht. Um im Bild zu bleiben: Wenn den Leuten
nicht schmeckt, was auf den Tisch kommt, serviert man es eben anders.
Wie das zum Beispiel Eltern machen, wenn sie den Kindern ein Medikament
in der Schokolade verstecken. Aber das funktioniert nicht. Aus zwei
Gründen: Die Leute reagieren allergisch auf diese versteckten Versuche,
über das Evangelium ins Gespräch zu kommen. Wenn sie merken, dass sie zu
einem coolen Event eingeladen sind, im Grunde aber nur darum kommen,
dass ihnen ein Evangelium angedreht wird, werden sie wütend. Zu Recht,
finde ich. Mogelpackungen mag niemand.
Der andere Grund, warum man nicht einfach bessere Wörter auf den Tisch legen kann, liegt darin, dass der grosse Teil der Bevölkerung einfach nicht am Tisch sitzt. Sie interessieren sich weder für die Bibel, noch für das Evangelium, noch für die Kirchen und Gemeinden.
Einige Dinge werden radikal umgekehrt. Was wird anders sein?
Genau. Die wichtigste Veränderung ist, dass wir, meines Erachtens, den
Predigtstil aufgeben sollten. Das bekannte Muster ist: «Ich, ich weiss,
wie Glaube und Leben geht und ich sage dir das jetzt.» So wird von oben
herab «gepredigt», als hätten wir Christen es nur mit Leuten zu tun, die
verloren und blind durch die Welt eiern.
Wir müssen lernen, zuzuhören. Das Evangelium wird in einem echten Gespräch erfahren, nicht in der Konfrontation. Aber Vorsicht: Das ist nicht der neuste Trick, um zu evangelisieren. Es geht eben darum, ganz auf Tricks zu verzichten. Darum wollen wir lernen, wirklich zuzuhören. Wir machen die Erfahrung, dass Menschen ohne kirchlichen Hintergrund oder mit einer anderen Religion uns sehr viel zu sagen haben. In dem wir zuhören, entstehen Fragen zum eigenen Glauben. Wer bin ich eigentlich? Und wie kann ich an Jesus Christus glauben? Wir drehen alles um: Ich brauche das Gespräch mit anderen Menschen, damit ich im Glauben und Leben wachsen kann. Ich brauche den Dialog mit den anderen und mit ihren Lebensentwürfen. Aber in dieser Art, zuzuhören, entsteht die Sprache.
Sprache ist nur möglich, wenn es mindestens zwei Seiten gibt. Da wir Christen dazu neigen, einseitig zu senden, sollten wir uns jetzt vor allem einmal auf den Dialog, das Zwei-Wort, konzentrieren, in dem wir zuhören lernen.
Wie kann heute über die Erlösung gesprochen werden?
Wir glauben, dass es drei Themen gibt, die für diese Art von Dialog eine
herausragende Bedeutung haben. Auch andere Themen wären möglich, aber
diese sind uns wichtig geworden: «Shalom – eine ganze Welt kommt in
Ordnung», «Versöhnung – durch befreite Aggression», und «Wachsen – am
Vorbild des Baumes». In diesen Themen finden wir grundlegende Fragen,
die tief christlich sind und doch fast alle Menschen bewegen.
Wie viele Personen arbeiten in der Arbeitsgruppe mit?
Wir sind zehn Personen.
Bereits liegt ein Arbeitsheft für Gemeinden vor. Was kommt darin zur Sprache?
In diesem Arbeitsheft legen wir diese Gedanken ausführlich dar und
beschreiben die drei Themen. Shalom kann in der Tischgemeinschaft erlebt
werden. Das hat schon Jesus gemacht. Versöhnung erfahren wir, in dem
wir kämpfen lernen. Und Wachstum erkennen wir im Wachsen der Bäume.
Wie kommt es in den Gemeinden an? – Und wird das hier erarbeitete
Material auch in anderen Methodisten-Gemeinden rund um den Globus zum
Thema werden?
Im Juni werden wir uns an der jährlichen Konferenz in Münsingen intensiv
mit dem Thema auseinandersetzen. Erst dann werden wir sehen, wie der
Ansatz aufgenommen wird. Bereits jetzt testen Pfarrer und Pfarrerinnen
sowie Gemeinden diese Möglichkeit aus. Am Samstag, den 18. Juni, findet
ein öffentlicher Schulungstag statt. Mir fällt auf, dass im Zusammenhang
mit Evangelisation oft der ganze Globus bemüht wird. Wir haben nicht
den Anspruch, die ganze Welt zu verändern. Es ist schwieriger: Wir
wollen uns selber ändern.
Ist geplant, das Material auch anderen Gemeinden anzubieten?
Jede und jeder kann das Arbeitsheft bei uns bestellen. Zudem gibt es in Facebook eine Diskussionsgruppe und weitere Informationen unter emk-soteriologie.ch. Hier kann das Arbeitsheft auch heruntergeladen werden.
Zur Webseite:
Arbeitsheft herunterladen (PDF)
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Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet