Update von Nina Hagen
Einheit, Gott der Liebe und Knochenwackeln
Nach elf Jahren Studiopause springt sie wieder ins Auge des Zuschauers und ins Ohr des Zuhörers. Die knallig-schrille Künstlerin war immer auffällig – und politisch. Seit der Taufe 2009 ist auch ihr Glaube ein natürliches Thema in der Öffentlichkeit.
Mit Volksbeat kam damals das letzte Album raus. Das könnte jedoch den falschen Anschein geben, dass die quirlige Gesangskünstlerin untätig war – aber stillsitzen ist nicht ihr Ding. So hatte sie beispielsweise 2020 die letzte Neuauflage einer Compilation alter Songs zu ihrem 65. Geburtstag rausgegeben.
Die Nasa und das Christentum
In einem Interview mit Steffen Rüth (Augsburger Allgemeine) berichtete sie kürzlich über ihr Ergehen. Auf die essentielle Frage, was sie zurzeit am meisten beschäftige, erwähnte sie die Nasa-Ingenieure, die zum Mars flögen, und ergänzte: «Ich finde es total gemein, dass die dortbleiben sollen. Wie sollen die denn da atmen? Überhaupt: Andere Planeten besiedeln zu wollen, organisiert von irgendwelchen superreichen Geldgebern, das ist doch Schwachsinn. Lasst uns lieber dafür Sorge tragen, dass das Leben auf der Erde lebenswert bleibt und wir den Planeten nicht kaputtmachen.»
Angesprochen auf ihr neues Album «Unity», auf dem die freakige Sängerin Zusammenhalt und Solidarität besingt, erklärte sie: «Diese Werte sind doch die Grundlage von allem. Gott, die Liebe, das Leben jetzt und das Leben in der kommenden Dimension, nachdem man die sterbliche Hülle verlassen hat – darum geht es beim Menschsein. Ich verstehe unter 'Unity' die Vereinigung im Sinne des Christentums, die in Gottes Liebe gründet.»
Hintergründig und hintergangen
Tragischerweise wurde Nina Hagen von ihrem vorherigen Manager hintergangen und überliess ihm völlige Autorität über ihr künstlerisches Wirken; und reihte sich somit in die unrühmliche Schicksalsserie von Elvis oder Freddie Mercury ein. Heute wirkt sie in den Grönland Records von Herbert Grönemeyer und ist happy: «Ich arbeite mit meinem guten alten Freund Stefan Plank zusammen. Stefan ist der Sohn von Conny Plank, der einer der revolutionärsten deutschen Rockmusikproduzenten war, unter anderem mit Kraftwerk und den Eurythmics arbeitete und leider viel zu früh von uns gegangen ist.»
Ihre aktuellen Songs tragen klingende Titel wie «Gib mir Deine Liebe», «Redemption Day» (Tag der Erlösung) oder «Atomwaffensperrvertrag»… und wurden mit den namhaften Musikern Bob Geldof, George Clinton (Parliament, Funkadelic) oder der Stil-Verwandten Lene Lovich eingespielt.
Die Bibel, Brecht, Böll und Biermann
Auf die Frage, wer denn das Christentum in ihr entfacht habe, erzählt die extravagante Nina Hagen von ihren Vorbildern: «Einer der ersten Christen, der mich tief beeindruckt und begeistert hat, war Heinrich Böll. Ich habe meinen Freund Heinrich bei Wolf Biermann im Wohnzimmer kennengelernt, er war ein ganz toller Mensch. Ich war tief beeindruckt, wie er mit mir, damals fast noch ein Kind, auf Augenhöhe über Gott und die Welt geredet hat. Ich fand es superspannend, dass der junge Brecht schon mit 15 als Schüler in Augsburg sein erstes Theaterstück mit dem Titel 'Die Bibel' geschrieben hat. Die Bibel war sein Lieblingsbuch. Schon mit elf Jahren war ich regelmässiger Gast in seinem Theater Berliner Ensemble in Ostberlin, wo ich mir den ganzen Brecht von vorne bis hinten reingezogen habe, wie 'Die Dreigroschenoper'. Nicht zuletzt wegen Brecht ist aus mir die Künstlerin geworden, die ich geworden bin.»
Und wenn man sie schon in eine Schublade stecken wolle, dann wolle sie in diese mit Bertolt Brecht und Kurt Weill (Brechts Komponisten), den Freiheitskämpfern, und nicht in die Punk-Schublade gesteckt werden, die ja völlig falsch sei, ergänzte sie.
Knochenwackeln gegen den Krieg
Das neue Album trägt den Titel «Unity», so wurde die Entertainerin gefragt, ob es ihr Wunsch sei, Liebe zu teilen und die Menschen zu einen, worauf sie antwortete: «Ja, das ist meine Antriebsfeder. Mit meiner Kunst möchte ich die Menschen zum Tanzen und zum Knochenwackeln bringen.» Und auf den Ukraine-Krieg angesprochen erklärte sie: «Seit ewigen Zeiten rufe ich zu friedlichen, diplomatischen, menschlichen Diskursen auf. Heutzutage würde man mich wohl wieder beschimpfen als Schwerter-zu-Pflugscharen-Romantikerin. Ich bin schrecklich enttäuscht darüber, wie sich die Weltpolitik wegentwickelt hat von einem friedlichen Miteinander.»
«Superultrareiche» noch nicht bekehrt
Ninchen (laut ihrer Autobiografie) Nina Hagen hat mit «Die Antwort weiss ganz allein der Wind» ihre deutsche Version vom sogenannten Protestlied «Blowin' In The Wind» aufgenommen und meinte dazu: «Der Song stammt von Bob Dylan, er ist ebenfalls Christ, und wenn man seine fantastischen Lieder hört, besinnt man sich darauf, wer man ist: Wir sind Gottes Kinder. In Jesus Christus finden wir das ewige Leben in Frieden, Freude, Kreativität und Freiheit. Die frohe Botschaft lautet: Wenn wir zusammenhalten, können wir Freiheit und Frieden auf Erden schaffen. Aber das wird nicht gelingen, solange die Superultrareichen nicht teilen und nicht einmal anständig ihre Steuern bezahlen wollen. Die wollen sich einfach nicht von mir bekehren lassen (lacht).»
Als unperfekte Christin schlichten, statt richten
Der Journalist fragte die exzentrische Künstlerin auch, ob sie denn ihre Zuversicht behalte, worauf sie bestätigte: «Als Christin kann ich meine Zuversicht gar nicht verlieren. Ich glaube volles Rohr an die Liebe. Gott ist Licht ohne jede Finsternis, er ist Quelle alles Lebens. Wenn wir uns nur einfach gegenseitig lieb haben könnten, dann würden sich unsere versteinerten Herzen erweichen.»
Auch versöhnlicher sei sie geworden. Sie sei zwar als Christin kein perfekter Mensch und in der Lebensschule, übe sich aber darin, zu schlichten statt zu richten, und sie kämpfe für das Gute gegen das Böse. Denn früher war die leidenschaftliche Sängerin auch für ein, zwei Ausraster in TV-Sendungen bekannt: «Manchmal habe ich den Eindruck, ich bin nur noch auf dieser Welt, um mich zu verteidigen und gegen Vorwürfe zu wehren. Es gibt Leute in meinem Alter, die machen andere immer noch lautstark und cholerisch nieder, sie massregeln und demütigen, und es ist furchtbar mitanzusehen, wie Menschen anderen Menschen Angst einjagen. Dass ich nicht mehr so ein Mensch bin, verdanke ich meinem guten Ratgeber, der Bibel. Ich habe gelernt, Böses nicht mit Bösem, sondern immer nur mit Gutem zu beantworten.» (siehe Römer, Kapitel 12, Vers 21)
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Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet