Singverbot auf der Bühne
Ausrasten oder Grosses erwarten?
Als wäre der Massnahmenkatalog nicht schon üppig genug, darf nun im Gottesdienst auf der Bühne nur noch singen, wer damit Geld verdient. Eigenartig, findet unser Kolumnist Sam Urech. Wie reagieren wir jetzt auf diese Verordnung?
Seit dem Entflammen der Pandemie haben wir uns ja mittlerweile an Verordnungen gewöhnt, die wir vor etwas mehr als einem Jahr für unmöglich gehalten hätten.
Dass ich zum Beispiel vor der Sennerei Maran in Arosa draussen anstehen muss, weil sich nur vier Personen im Lokal aufhalten dürfen und zwei davon schon im Personal arbeiten – okay, halte ich mich dran.
Wenn aber nach zehn Minuten Wartezeit ein vollgestopfter Ski-Bus vorbeifährt, gibt es Fragen. Ich versuche hastig, in solchen Momenten das Gute zu sehen und für Alain Berset und Co. zu beten, was mir (fast) nie gelingt.
Nur noch professioneller Gesang
Während viele über eine allfällige Beizen-Öffnung diskutierten, trat diese Verordnung in Kraft, dass im Gottesdienst nur noch professionelle SängerInnen auf der Bühne singen dürfen. Also nur noch Leute, die fürs Singen bezahlt werden und dies in ihren Steuerunterlagen angeben.
Wie bitte? Selbst wenn auf der Bühne weit und breit keine andere Person steht, darf der Worshipleader seine Lippen nicht mehr bewegen. Seit dem 1. März gilt diese Regelung schweizweit.
Nun ja. Letzten Sonntag besuchte ich den Gottesdienst meiner Kirche FEG Wetzikon und stellte mich auf einen aussergewöhnlichen musikalischen Zwischenteil ein. Die Worshiperin betrat die Bühne und schlug vor, dass wir die folgende Zeit dafür verwenden sollen, die Musik auf uns wirken zu lassen und Gott im Stillen, ohne gesungenen Text, anzubeten.
Worship ist Win-Win
Es war so kraftvoll, was sie sagte. Viel kraftvoller als mein Frust. Und es folgte ein wunderschönes Musiklauschen und Gott-in-Gedanken-anbeten. Herrlich. Einmal mehr stellte ich fest, dass ich Gott zu oft limitiere.Was ist genau Worship? Es geht nicht um Gesang, nicht um Licht und Rauch, es geht beim Worship um unser Herz, das wir Gott öffnen. Daraus folgt eine Win-Win-Situation: Gott wird sehr gerne angebetet und freut sich. Und Loben zieht uns nach oben. Im Worship gibts nur Sieger – und einen Verlierer: den Teufel.
Und der hört im Gegensatz zu Gott nicht, was Sie denken. Noch demütigender für ihn: Er weiss, dass wir jetzt Gott in Gedanken anbeten, kann uns aber dabei nicht zuhören. Er hat sich mit diesem ganzen Blödsinn selbst ins Knie geschossen.
Musik ist live, Gesang eingespielt
Als ich am Montagmorgen noch immer erfreut über den Instrumentalteil des FEG-Gottesdienstes nachdachte, wurde mir ein Video vom «Gemeindezentrum Bethel» in Baden-Wettingen zugeschickt.
Die haben da live Musik gemacht und dazu die Stimmen über
Tonband laufen lassen. Durch die Kopfhörer wurde sichergestellt, dass die
Musiker schön im Takt bleiben und dass alle wissen, welcher Teil des Liedes folgt.
Gucken Sie mal:
«Eine sehr positive Erfahrung für uns alle», sagt Worship-Leader Christian Zigerlig. «Die Sängerinnen auf der Bühne konnten die Anbetungszeit ganz neu erleben. Und auch die Gemeinde war happy, ich habe nur positive Feedbacks gehört. Einige haben gar nicht gemerkt, dass wir nicht live singen.»
Zigerlig fährt fort: «Es ist wichtig, dass wir positiv bleiben und erwarten, dass Gott auch durch diese Situation wirken kann. Wir wollen eine Kultur der Erwartungshaltung pflegen. Egal, wie sich die Umstände präsentieren.»
Halleluja! Ausrasten oder von Gott Grosses erwarten? «Ich sehe die jetzige Situation als Chance, um neue Sachen auszuprobieren», sagt Marc Bernhardsgrütter, der Worshipverantwortliche meiner geliebten FEG Wetzikon. «Es ist so wichtig, dass Lobpreis nicht gleichbedeutend mit Singen ist. Denn Worship ist eine Herzenssache.»
Zum Autor: Sam Urech ist 36-jährig, verheiratet und Vater von zwei Buben. Mit seiner Familie besucht er die Freikirche FEG Wetzikon. Sam hat viele Jahre beim Blick als Sportjournalist gearbeitet und ist heute Inhaber der Marketing Agentur «ratsam». Er schreibt jeden Freitag auf Nau.ch seine Halleluja-Kolumne. Sollten Sie mit ihm Kontakt aufnehmen wollen, machen Sie das am besten via Facebook.
Zum Thema:
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Zum 1. März: Lockerungen und Singverbot
Mehr als Musik: «Wunderschön, wie uns der Worship verbindet»
Autor: Sam Urech
Quelle: Livenet