Gebet als Lebensstil
Es ist ok, mal gebetsmüde zu sein
Der «Gebetsprofi» Roland Laubscher, Leiter des Gebetshauses Amden und Leitungsmitglied von Gebet für die Schweiz, spricht im Interview mit Livenet über unverkrampftes Gebetsleben, Gebet in der Ehe und die wachsende Gebetsbewegung in der Schweiz.
Livenet: Wie sind Sie zum Gebet gekommen?Roland Laubscher: Ich wuchs in einem christlichen Elternhaus auf, wo der Glaube an Gott (vor)gelebt wurde. Für mich und meine sechs Geschwister gehörte das Gebet zum Leben dazu. Bereits als Kind betete ich gerne und wunderte mich, dass es nicht bei allen Christen so ist.
Konnten Sie sich als Kind vorstellen, einmal vollzeitiger Beter zu werden?
Nein, überhaupt nicht. Sogar als viele Jahre später die Anfrage zum Leiten eines Gebetshauses an mich herangetragen wurde, sagte ich erstmal «nein». Aber Gott formte mich. Eigentlich begann es mit meiner Frau. Heidi betete einmal: «Herr, mache mich zu einer Beterin!» Gott nahm dieses Gebet ernst und begann, sie in einen echten Gebetsdienst zu führen. Schon bald wurde auch ich davon angesteckt. Von da an hat sich unser Dienst immer weiter entwickelt.
Sie erwähnten Ihre Frau. Wie pflegen Sie das gemeinsame Gebet als Ehepaar?
Ganz ehrlich: Das gemeinsame Gebet war für uns immer eine Herausforderung. Meine Frau und ich haben einen äusserst unterschiedlichen Gebetsstil. Heidi betet intuitiv und spontan. Ich hingegen ziehe Gebetslisten und klare Strukturen vor. Eine gemeinsame Gebetskultur mussten wir erst einmal lernen. Wir sind immer noch dran, in unserem gemeinsamen Gebetsleben zu wachsen.
Oft beginnen wir den neuen Morgen mit einem kurzen gemeinsamen Gebet, bevor jemand von uns das Haus verlässt. Es handelt sich zum einen um Schutzgebete für Familie und Gebetshaus, zum andern um die Bitte der klaren persönlichen Führung für den noch unbeschriebenen neuen Tag. Weiter nutzen wir die Zeit während Autofahrten zum Beten. Da wir oft unterwegs sind, ist dies eine gute Gelegenheit. Ansonsten ist unser gemeinsames Gebet stark von den Umständen abhängig. Wenn wir mit Problemen konfrontiert sind, beten wir intensiver als sonst. Vor wichtigen Entscheidungen suchen wir immer Gottes Willen. Wir hören auf Gott und tauschen uns über Eindrücke aus. Während Heidi auf ihren Spaziergängen auf Gott hört, halte ich meine Gebete und Eindrücke schriftlich fest. Ja, wir sind in diesen Dingen sehr verschieden, aber wir teilen unser Erleben. Wir haben gelernt, die Andersartigkeit unserer Gebetsstile wertzuschätzen und sehen dies als Bereicherung.
Welchen Rat geben Sie Paaren, denen das gemeinsame Gebet schwer fällt?
Erstens sollte eine zeitliche Nische gesucht werden. Ein Ehepaar braucht eine Tageszeit, wo es ungestört sein kann. Oft ist es das Beste, mit kurzen Zeiten zu beginnen, diese aber auch wirklich einzuhalten. Fünf Minuten sind eine wertvolle Zeitspanne, wenn ein Paar sie bewusst vor Gott verbringt.
Ein wichtiger Rat ist: Kein schlechtes Gewissen haben, wenn es nicht klappt. Versucht es einfach auf andere Art! Stress und Leistungsdruck sind keine guten Ratgeber.
In Gesprächen mit Christen stellen wir fest, dass oft die Frau längere Gebetszeiten wünscht als der Mann. In diesen Situationen raten wir, eher klein anzufangen. Es ist nicht gut, den Partner unter Druck zu setzen. Wir alle beten unterschiedlich. Gerade in der Ehe wollen wir Verschiedenartigkeit schätzen. Und dann findet sich immer auch ein Weg, wie Paare gemeinsam vor Gott kommen können. Die Zeitdauer (Quantität) ist dabei weniger wichtig als die Verbindlichkeit oder Qualität!
Kennen Sie auch Gebetsmüdigkeit?
Natürlich kenne ich das. Auch wenn ich eine Berufung zum Gebet habe, besteht die Gefahr, in einen Gebetstrott zu kommen. Oder, wenn die Gebete scheinbar nicht fruchten, frustriert zu werden, abzuhängen und aufzugeben.
In solchen Situationen muss ich jeden Leistungsdruck ablegen. Ich frage mich: «Wer ist Jesus für mich?» Gebet ist in erster Linie Beziehung und nicht Arbeit. Wenn mir die Freude am Beten vergeht, überlege ich, was meine Beziehung zu Jesus ausmacht. Nicht mein Gebetsdienst macht meine Identität aus, sondern meine Herzensbeziehung zu ihm.
Als beruflicher Beter sind Sie also nicht frei von Schwierigkeiten beim Beten?
Nein, überhaupt nicht. Wir wurden auch schon mit der Aussage konfrontiert: «Ihr wisst natürlich wie man betet, ihr seid ja schliesslich Profis.» Aber das stimmt nicht. Wir stehen nicht weniger in Gefahr, dass unsere Gebete zu einer Pflichtübung werden, als dies bei anderen Christen der Fall ist. Auch wir sind immer wieder auf Gottes Gnade angewiesen.
Gebet ist für mich ein Lebensstil. Dabei habe ich gelernt, mich selbst als Gebetshaus zu betrachten. Auch wenn ich nicht willentlich bete, weiss ich, dass es in mir betet, weil Christus in mir lebt. Meine Beziehung zu Gott ist intakt, auch wenn ich einmal müde bin. Das ist ok. Ich will mich aber auch nicht in meiner Müdigkeit baden. Vielmehr bin ich Christus dankbar, dass er sich um die Beziehung zu mir bemüht.
Was begeistert Sie an der Gemeinde Jesu in der Schweiz?
In den letzten drei Jahren kamen wir in Kontakt zu Christen aus Asien, vor allem aus China. Auch wenn unser Gebetsfeuer noch nicht mit dem von ihnen verglichen werden kann, stellen wir doch auch bei uns eine sehr positive Entwicklung fest.
Als Heidi und ich vor 16 Jahren nach Amden kamen, gab es in der Schweiz erst wenige Gebetshäuser. Dies hat sich erfreulicherweise in den letzten Jahren sehr geändert. Manchmal weiss ich heute gar nicht, wo gerade ein neues Gebetshaus am Entstehen ist. Es gibt jetzt in der Schweiz sicher 50 Häuser oder Räume des Gebets. Sie alle sind verschieden und haben unterschiedliche Schwerpunkte und Aufträge. Aber innerlich sind wir miteinander verbunden und unterstützen uns gegenseitig.
Gebetsgruppen nehmen ebenfalls zu. «Moms in Prayer», die vor allem für Schulen, Kinder und Lehrkräfte beten, haben heute rund 1'500 Gebetsgruppen – nur in der Schweiz! Es gibt 24-Stunden Gebetsbewegungen, Gebet im Bundeshaus, Gebetsgruppen für bestimmte Gesellschaftsbereiche und unzählige andere Gruppen. Das ist grossartig und es kommen laufend neue dazu.
Auch in Kirchen und Gemeinden gewinnt das Gebet an Priorität und überkonfessionelle Gebetstreffen nehmen ebenfalls an Bedeutung zu. Dass heute Flüchtlinge, darunter viele Muslime, in grosser Zahl zu Christus kommen, steht zweifellos mit dem Gebet und dem sozialen Engagement der verschiedensten Kirchen im Zusammenhang. Ich nenne das in einem neuen deutschen Wort «arbeten».
Was ist Ihre Sehnsucht für die Schweiz?
Meine Sehnsucht ist, eine erweckte Schweiz zu sehen. Ich wünsche mir, dass christliche Werte in unserem Land wieder sichtbar werden und dass wir uns auf unsere christlichen Wurzeln und auf unser reiches Erbe besinnen. Weiter ist es mir ein grosses Anliegen, dass die Schweiz in einem guten und positiven Verhältnis zu Israel und zu den in unserem Land wohnhaften Juden steht. Und vor allem wünsche ich mir, dass viele Menschen in unserem Land Jesus Christus als ihren Erlöser erkennen und annehmen.
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet