Die Gedanken sind frei …

Sollte ich wieder mal den Stecker ziehen?

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«Die Gedanken sind frei», so lautet der Anfang eines Liedes, das wir in der Mittelstufe gesungen haben. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich damals nicht verstanden habe, was dieser Text aussagen wollte.

Ich kam zum Schluss, es bedeute wohl, dass mir niemand vorschreiben könne, was ich denken solle und was nicht. Denn so lautet die Fortsetzung des Lieds:

«…, wer kann sie erraten? Sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschiessen mit Pulver und Blei: Die Gedanken sind frei!»

Unsere Gedanken können in unseren Herzen oft einen grossen Lärm veranstalten. Nicht akustisch laut im Sinne von Dezibels; nein, laut in dem Sinne, dass gewisse Gedanken den ganzen Raum unseres Herzen erfüllen und uns so daran hindern, die Stimme Gottes zu vernehmen. Lassen Sie mich das ein wenig erläutern:

Der Wecker läutet.
Nein, schon Morgen!
Wir gehen ins Badezimmer.
Hätte ich doch …! Warum passiert das immer mir?
Wieder im Schlafzimmer.
Nachmittags ist eine Sitzung. Wenn der Chef das nur endlich verstehen könnte!
In der Küche.
Das ist nun wirklich daneben und unfair!

Kennen wir diese inneren Diskussionen, die wir mit uns selbst führen? Anklagen, Vorwürfe, Unzufriedenheit. Mir scheint, dass ein bestimmtes Motiv der Hauptgrund für den Lärm ist, den unsere Gedanken in unserem Herzen veranstalten: Unser Leben und das Leben anderer Menschen selbst kontrollieren zu wollen.

Der grösste Teil des Lärms in unseren Herzen wird hervorgerufen durch unseren Versuch, das «Unkontrollierbare» kontrollieren zu wollen. Ein Teenager brachte es einmal auf den Punkt: «Weil ich meinem ‚Ich will die Kontrolle haben …‘ mehr vertraue als dem lebendigen Gott!»

Also, da sind wir uns wahrscheinlich einig: Dieser Lärmmaschine in unserem Herzen können wir nicht einfach den Stecker ziehen. Das verhaltenstherapeutische Konzept des «Gedankenstopps» also mit Willenskraft, die destruktiven Gedanken selbst zu stoppen, hat sich als ein Mythos erwiesen. Kennen Sie das «Rosarote-Rüssel-Syndrom»? – Geben Sie sich selbst den Auftrag, auf gar keinen Fall an einen «Elefanten mit einem rosaroten Rüssel» zu denken! Je mehr Sie sich dagegen wehren, desto hartnäckiger wird dieser Elefant mit dem rosaroten Rüssel vor Ihrem geistigen Auge erscheinen. Das einzusetzen, bewirkt sogar das Gegenteil: Der zu vermeidende Gedanken tritt sogar häufiger auf als vorher.

Lesen wir doch was der König David in diesem Psalm schreibt:

VON DAVID, EIN WALLFAHRTSLIED. HERR, mein Herz ist nicht hoffärtig, und meine Augen sind nicht stolz. Ich gehe nicht um mit grossen Dingen, die mir zu wunderbar sind. Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein kleines Kind bei seiner Mutter; wie ein kleines Kind, so ist meine Seele in mir. Israel, hoffe auf den HERRN von nun an bis in Ewigkeit!

Beachtet das wunderschöne Bild in diesem Psalm: ein kleines Kind, das von seiner Mutter gestillt wird und sich ruhig bei ihr anschmiegt.

Dieses Bild einer Mutter im Psalm 131 mit ihrem gestillten Kind steht für die Gemeinschaft, die wir in Christus haben. Es ist frisch gebadet; wir sind von allem Schmutz der Sünde und ihrer Ungerechtigkeit reingewaschen. Dieses Kind wird in ein Tuch eingehüllt, das seine Blösse bedeckt: Wir sind mit der Gerechtigkeit von Jesus Christus bedeckt. Das Kind ist von der Mutter genährt und gestillt worden; wir geniessen das Wort Gottes, das Brot des Lebens. Das Wort Gottes hat anstelle der versklavenden Gedanken Platz in unseren Herzen gefunden.

* Beat Tanner ist Leiter der Christlichen Fachstelle für Ehe, Familie und Lebensberatung in Aarau. www.seelsorge-schweiz.ch

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Datum: 09.02.2014
Autor: Beat Tanner
Quelle: Livenet

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