Der Typ ganz hinten
Der Mann, der nicht mehr beten konnte
Als Simon nicht mehr aus noch ein wusste, ging er in die Kirche. Aber er blieb ganz hinten.
So hatte Simon sich das nicht vorgestellt. Er hatte geheiratet, und bald meldete sich das erste Kind an. Die Zukunft lag rosig vor ihm und seiner jungen Frau – da flatterte ihm plötzlich die Kündigung ins Haus, und er musste sich nach einer neuen Stelle umsehen. Lange suchte er und fand nichts. Eines Tages boten ihm die Behörden einen Job bei der Finanzverwaltung an – etwas, was er sich gar nicht ausgesucht hatte. Aber er hatte eine Familie zu ernähren, und nach kurzem Zögern griff er zu.
Ein fataler Entscheid
Simon merkte bald, dass er vom Regen in die Traufe geraten war. Er musste für die Regierung Steuern eintreiben, und das machte ihn fast über Nacht zum Aussenseiter in seinem Dorf. Freunde von früher wechselten die Strassenseite, wenn sie ihn sahen. Im Stammlokal setzte sich keiner mehr zu ihm, und das Verhältnis zu seinen Eltern und seiner Familie kühlte sich merklich ab. Wenn er das nur gewusst hätte! Sicher, keiner bezahlte gern Steuern, das hatte er schon gewusst. Und die Machthaber in seinem Land waren bei der Bevölkerung verhasst. Aber dass es so schlimm kommen würde! Er war jetzt ein Kollaborateur und wurde zum Fremden in seinem eigenen Land.
Wenn er wenigstens von den Behörden geschützt und anständig behandelt worden wäre! Aber bald merkte er, dass auch von dieser Seite nicht viel Sympathie zu erwarten war. Die Besatzer begegneten ihm mit kaum verhohlener Verachtung – er war halt ein nützlicher Idiot, mehr nicht.
Was am schlimmsten war: Simon fühlte sich schuldig. Schuldig an seiner Familie und seinem Volk. Er fühlte sich als Verräter. Das Gewissen plagte ihn und liess ihn nächtelang kaum schlafen.
Ich kann nicht mehr
Eines Tages beschloss Simon, sein Gewissen zu erleichtern und in die Kirche zu gehen. Er erinnerte sich, dass es ihm als Kind oft gut getan hatte, zu beten. Die Kirche lag mitten im Dorf. Zögernden Schrittes bog er um die Ecke und öffnete die grosse Tür. Er blieb ganz hinten stehen. Als sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten, merkte er, dass er nicht allein war. Ganz vorn stand einer, den er als einer der ganz Frommen im Dorf kannte. Er konnte nicht verstehen, was er betete, aber man sah es dem Mann an, dass er das nicht zum ersten Mal tat. Da war einer, der hatte es geschafft. Der war bei den Leuten und sicher auch bei Gott angesehen. So einer gehörte in die Kirche, aber er, Simon?
Simon wurde vom Elend seiner Situation überwältigt. Ein Schluchzen kam in ihm hoch. Statt zu beten, konnte er nur stammeln «Gott, sei mir Sünder gnädig».
Gott ist total anders
Eine alte Geschichte. Wir wissen nicht, wie sie ausging – das heisst, doch! «Dieser Mann ging nach Hause und war in Ordnung mit Gott – jener nicht» sagte Jesus. Sie können die Geschichte im Lukas-Evangelium, Kapitel 18, Vers 9-14 nachlesen. Der, der da hinten stehen geblieben war, der sein Leben verbockt hatte und den Schuld- und Versagergefühle quälten: als er stammelnd um Erbarmen bat, hörte ihn Gott. Als er nichts zu bieten hatte, nur die Scherben einer verkorksten Existenz – da wurde ihm zugesagt, dass ihm vergeben worden ist und dass Gott auf seiner Seite sei.
Das gilt heute genauso. Es ist ein grosser Irrtum, zu meinen, die Kirche und der christliche Glaube seien etwas für die Besseren. Wenn ich unter Schuld oder Versagen leide oder mein Leben «verkachelt» habe, ist Gott mir näher als denen, die sich für gut und anständig halten und meinen, Gott sei davon beeindruckt.
Ein Punkt ist allerdings wichtig: Gehe zu Gott – selbst wenn du nichts anderes sagen kannst als Simon. Bete, selbst wenn es nur stammelnd rauskommt. Bleibe nicht auf Distanz – sei versichert: Gott wartet schon auf dich.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch