Menschen in Europa entdecken eine alte Form von Spiritualität wieder
«Viele Menschen haben eine grosse Sehnsucht nach Orientierung, Spiritualität und Gemeinschaft», sagt Pastor Behnken. Heinz Behnken hat die Einkehrstätte «Via Cordis» mit einem insgesamt fünfköpfigen Team ehrenamtlich aufgebaut. Inzwischen werden für die 35 Seminare pro Jahr schon manchmal Wartelisten geführt. Den Erfolg begründet der Ruheständler so: «Wir setzen einen bewussten Kontrapunkt zur Aussenwelt, die sich oft in Aktivitäten verliert.» Die Teilnehmer sollen ihre Erfahrungen dabei später umsetzen: «Was wir im Gebet erleben, kommt im Alltag auf den Prüfstand.» Darum sei eine wichtige Frage am Ende jedes Kurses: «Was ist mein nächster konkreter Schritt?»
In ganz Europa
Das Kernstück von «Via Cordis», dem «Weg des Herzens», ist das Herzensgebet. «Es stammt aus einer Tradition, die fast so alt wie das Christentum selbst ist», erzählt Behnken. Die Wurzeln reichen bis ins zweite Jahrhundert zurück. Damals flüchteten von den Römern verfolgte Christen in die ägyptische Wüste und lebten dort als Einsiedler oder in Gruppen zusammen. Sie hielten sich an die biblische Weisung «Betet ohne Unterlass» und wurden zu gefragten spirituellen Ratgebern.
Das daraus gewachsene Jesusgebet «Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner» wurde fester Bestandteil des orthodoxen Mönchtums. Heute beten Menschen aller Konfessionen im Herzensgebet auch Worte aus Psalmen, oder sie sprechen Kurzgebete wie «Herr, hilf».
Der Theologe und Psychoanalytiker Franz-Xaver Jans-Scheidegger gründete vor 25 Jahren die «Via Cordis»-Weggemeinschaft. Heute gibt es rund 120 Gruppen in Europa. «Unser Tagesablauf wird durch Meditation, Gebete, Gesang, künstlerisches Gestalten, persönliche Gespräche und immer wieder Stille strukturiert», beschreibt Marianne Behnken die Angebote im Kloster Wennigsen.
Eine andere Form von Spiritualität
Vorbehalte, die manche evangelischen Theologen gegen diese Art christlicher Meditation haben, teilt die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann nicht: «Wenn wir als Kirche zukunftsfähig bleiben wollen, brauchen wir unterschiedliche Formen von Spiritualität.»
Quelle: Epd