The Voice-Sieger Samuel Rösch
«Bei Gott kann ich stille sein»
Nach dem Castingshow-Sieg wollten Sie durchstarten als
Musiker und waren 2019 viel unterwegs – doch dann kam Corona. Wie hat
sich Ihr Alltag durch die Pandemie verändert?
Samuel
Rösch: Der hat sich echt grundsätzlich geändert. Ich war wirklich
jemand, der zu 95 Prozent von der Livemusik gelebt hat. Ich bin sehr
dankbar, dass wir einige Onlinekonzerte spielen konnten. Ansonsten war
ich viel zu Hause und habe Songs geschrieben. Ich habe mir hier ein
kleines Studio eingerichtet und mein komplettes Album von zu Hause aus
eingesungen. Auch sonst habe ich einiges online gemacht und versucht,
mich so gut es ging an diese Situation anzupassen.
Sie haben über die Crowdfunding-Plattform startnext Ihr Album finanziert – wie war die Erfahrung, «sammeln» zu gehen?
Das
war für mich ein langer Prozess. Ich glaube, wenn Corona nicht gewesen
wäre, hätte ich so was nicht gemacht. Aber ich war darauf angewiesen,
ich habe das Album selbst finanziert. Und so war es eine Probe, wie
viele Leute hinter mir stehen. Ich bin mega dankbar und glücklich
darüber, dass es geklappt hat! So viele haben mir einen
Vertrauensvorschuss gegeben und mich unterstützt.
Sie hast Ihr Studium der Religionspädagogik damals zurückgestellt für die Musik. Haben Sie das bereut, als Corona dazwischenkam?
Da
habe ich tatsächlich keine Sekunde drüber nachgedacht! Ich liebe das,
was ich gerade tue, und so schwer es momentan auch ist, habe ich mich
inzwischen entschlossen, mein Studium ganz abzubrechen. Ich möchte als
Musiker in Vollzeit für längere Zeit unterwegs sein.
Ihr Album heisst «Geschichten» – was für Geschichten erzählen Sie denn?
Es
ist ein musikalisches Bilderbuch: die vergangenen 26 Jahre Samuel
Rösch. Es handelt von den zehn goldensten Momenten oder auch Zeitspannen
meines Lebens. In einem Song geht es zum Beispiel um meine Eltern. Ich
bin meinen Eltern sehr dankbar, dass ich in einer behüteten und
wunderschönen Kindheit aufwachsen konnte. Mit dem Lied gebe ich ihnen
ein Stück meiner Dankbarkeit zurück. Auch meiner Frau habe ich einen
Song gewidmet. In einem anderen Lied geht es um die zwei Welten, die ich
unter einen Hut kriegen musste: das Viel-unterwegs-Sein und das
Zu-Hause-Sein, was sich manchmal etwas gerieben hat.
Haben Sie einen Lieblingssong?
Ich
mag das Lied «Stille» sehr. Da geht es um all den Trubel beim
Unterwegs-Sein: Man spricht mit vielen Leuten, ist angespannt, oft ist
es laut. In dem Song heisst es: «Ich möchte stille sein bei dir.» Ich bin
so dankbar dafür, dass ich jemanden in meinem Leben habe, bei dem ich
stille sein kann, wo ich einfach mal ankommen und der sein kann, der ich
bin. Wo ich nicht immer performen und liefern muss. Auch musikalisch
geht der Song etwas in eine andere Richtung. Die Mehrstimmigkeit im
Chorus spricht mich sehr an. Das ist für mich musikalisch und inhaltlich
einer der Höhepunkte auf dem Album.
Stille sein und ankommen – kann damit auch Gott gemeint sein?
In
dem Lied geht es konkret um meine Frau, aber natürlich schwingt die
zweite Ebene da auch mit. Ich bin ein Mensch, der an Gott glaubt, und
auch bei ihm kann ich stille sein und ankommen. Ich benenne es nicht so
explizit, aber wenn ich den Song singe, schwingt beides mit.
Sie singen auch von der «Suche nach Substanz» – wo haben Sie die für sich schon gefunden?
Ich
bin im Erzgebirge gross geworden, habe mich sehr in der
evangelisch-lutherischen Landeskirche eingebracht und an einer
kirchlichen Ausbildungsstätte studiert. Dann wurde ich auf einmal in
eine grosse bunte Welt geschmissen, in der vieles ganz anders war, als
ich es kannte. Ich habe vieles hinterfragt und stehe manchem auch
kritischer gegenüber als früher. Da stellt sich die Frage: Was gibt mir
Substanz im Leben, worauf baue ich? Für mich ist die Frage geklärt, wo
ich herkomme und wo ich hingehe. Ich sehe mich als Geschöpf Gottes und
das ist meine Substanz. Die grossen Fragen sind geklärt, aber in den
kleinen Einzelheiten ist es manchmal nicht so leicht.
Sie werden oft als «bodenständig» bezeichnet – ist das für Sie etwas Positives?
Ich
würde auch sagen, dass ich ein bodenständiger Typ bin. Für mich hat das
zwei Ebenen. Nicht gut finde ich eine falsche Demut. Wenn Leute etwas
gut können, aber unter ihren Möglichkeiten bleiben aus Angst vor Kritik
oder Neid. Auf der anderen Seite heisst bodenständig, dass man
realistisch einschätzt, was man kann. Ich weiss, dass ich eine tolle
Stimme geschenkt bekommen habe und darin sehr gefördert wurde. Ich
möchte aber dankbar bleiben und nicht überheblich werden.
Das Musikbusiness ist tough – wie kommt man als Christ damit klar?
Ich
bin mit dem «Voice of Germany»-Titel natürlich sehr privilegiert
gestartet. Mir ist sehr wichtig geworden, knallhart ehrlich zu sein. Ich
habe gute Erfahrungen damit gemacht, Sachen ganz klar zu benennen und
zu sagen: Das kann ich leisten und das nicht, das ist möglich oder
nicht. Auf kurze Sicht hat man damit vielleicht das Nachsehen, aber ich
glaube nicht, dass es auf lange Sicht der Karriere schadet, wenn man an
gewissen Stellen zurücktritt. Ich glaube, dass ich als Christ mit den
Werten, die ich vertrete, da auch mit Menschen ins Gespräch kommen und
etwas bewegen kann.
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Autor: Christina Bachmann
Quelle: PRO Medienmagazin