Für eine Friedenstheologie
«Konflikte sind nicht per se das Problem»
Das Evangelium bringt Frieden und Versöhnung in diese Welt. Deshalb setzt sich Lukas Amstutz für eine Friedenstheologie ein. Der Leiter des Bildungszentrum Bienenberg hat dazu auch einiges zu sagen.
«Wir müssen es zulassen, dass Menschen andere Meinungen und Einstellungen haben», sagt Lukas Amstutz. «Es gilt, dem anderen mit einer Offenheit zu begegnen.» Diese Worte mögen in aktueller Zeit besondere Bedeutung haben, sind für den Theologen aber schon lange Inhalt tiefster Überzeugung.
Wenn die Friedenskirche selbst Versöhnungsarbeit braucht
Nach dem 2. Weltkrieg kamen Pax-Boys, junge nordamerikanische Mennoniten, nach Europa, um beim Wiederaufbau zu helfen. Während ihrer praktischen Arbeit stellten sie fest, dass Menschen während den vergangenen Jahren zu Feinden geworden waren. Selbst innerhalb mennonitischer Gemeinden waren Feindbilder sichtbar und so brauchte es jetzt sogar innerhalb der sogenannten Friedenskirche eine Versöhnungsarbeit. Wie konnte länderübergreifend zu einem versöhnten Leben beigetragen werden? Es galt neu zu entdecken, dass das Evangelium nicht nur zum Frieden mit Gott, sondern auch zu zwischenmenschlicher Versöhnung führt.
Bibelschule auf dem Bienenberg
Die Friedensbemühungen wurden in den Nachkriegsjahren weitergeführt. Die Mennoniten kauften 1957 auf dem Bienenberg eine Liegenschaft für eine Bibelschule, um das Friedenszeugnis zu stärken. Anfänglich war es eine Laienschulung. Die Überzeugung war, dass jedes Mitglied einer Gemeinde sich ein paar Wochen theologisch weiterbilden sollte. Das Ganze wuchs und entwickelte sich Mitte der 90er-Jahre zu einem Theologischen Seminar.
Der Bienenberg hat einen Trägerkreis aus täuferisch-mennonitischen Gemeinden, bildete jedoch immer auch Menschen aus anderen Denominationen aus.
Werdegang von Lukas Amstutz
Seit Jahren steht Lukas Amstutz (48) in engem Zusammenhang mit dem Bildungszentrum Bienenberg. Aufgewachsen ist er in einer Mennonitengemeinde, was ihn nachhaltig prägte. Nach seiner Schulzeit absolvierte er die Handelsschule, arbeitete kurze Zeit im kaufmännischen Bereich und wurde dann von der mennonitischen Konferenz (Dachverband Mennoniten) angefragt, die Aufgabe des Jugendsekretärs zu übernehmen. Er machte dies knapp fünf Jahre lang und absolvierte anschliessend ein Studium am Theologischen Seminar Bienenberg. Gemeinsam mit seiner Frau wurde er als Pastor in einer Mennonitengemeinde in Deutschland angestellt, bevor er 2005 als Dozent auf den Bienenberg gerufen wurde.
Neuausrichtung und bleibendes Anliegen
«Anfänglich ging es nur um eine Vertretung, doch dann blieb ich hängen», blickt Lukas Amstutz zurück. Anfang 2008 übernahm er die Leitung des Grundstudiums, 2017 die Leitung des Gesamtwerks.
Als 2013 das theologische Grundstudium aufgrund mangelnder Studierenden eingestellt werden musste, war dies für ihn ein schmerzhafter Prozess. Neue Wege mussten gesucht werden und so fokussierte sich die Einrichtung auf theologische Weiterbildungsangebote. «Es war eine Zeit, um neue Wege zu finden und zu gehen.»
Die Neuausrichtung änderte aber das Anliegen nicht, sich für Friedenstheologie und Versöhnung einzusetzen. Viele der angebotenen Weiterbildungsmodule behandeln entsprechende Themengebiete. Darunter fällt auch die Thematik der Konfliktbewältigung.
Richtig oder falsch? Oder gegenseitige Bereicherung?
Oft neigt der Mensch dazu, die eigene Sichtweise als «richtig» und in der Folge jede abweichende Meinung als «falsch» zu bewerten. Hierzu berichtet Lukas Amstutz von einer Erfahrung in jungen Jahren. «Als Organist hatte ich eine Anstellung in der reformierten Kirche, um einmal pro Monat zu spielen. Dabei hörte ich jeweils auch Predigten, die anders waren, als ich es mir in meiner mennonitischen Gemeinde gewohnt war.» Damals vermochte er die Unterschiede nicht einzuordnen, merkte aber, dass etwas anders war. «Ich betrachtete dies meist als eine Bereicherung.» Diese Haltung ist ihm bis heute geblieben.
«In jeder Tradition gibt es Defizite und ich merkte, wie auch meine Tradition gewisse Schwächen und Engstirnigkeiten hat. Deshalb können andere Betonungen eine Bereicherung sein.» Anstatt darüber zu streiten, wer Recht hat – und dabei selbstredend davon auszugehen, dass jemand richtig und jemand falsch liegt –, könnte es doch sein, dass beide Sichtweisen Ergänzung oder sogar Korrektur bedürfen.
Evangelium hat Heilkraft für zerbrochene Beziehungen
Es ist eine Kernbotschaft des Evangeliums, dass Getrenntes wieder zusammenkommt. «So können wir selbst inmitten von Schwierigkeiten und Konflikten wieder zueinander finden. Hierfür müssen wir vor allem die Beziehung und die Begegnung in den Vordergrund stellen und nicht bloss die Frage, wer Recht hat.» Wenn Sünde ein Angriff auf Beziehungen ist, finden wir im Evangelium die Heilkraft zur Versöhnung.
«Konflikte sind nicht per se das Problem», sagt Lukas Amstutz. «Es gilt aber, hilfreich mit ihnen umzugehen. Konflikte zeigen ein dahinterliegendes Problem an.» Diese Probleme müssen angegangen werden. Es gilt, Konflikte ernst zu nehmen und dann konstruktive Wege zu suchen. Werden Konflikte einfach unter den Teppich gekehrt, haben sie noch immer ein zerstörerisches Potential und werden uns früher oder später einholen.
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Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet