30 Jahre Carlos Martínez

Sehnsüchte und Gottesbilder

Zurzeit findet zum 30-Jahre Bühnenjubiläum des spanischen Mimen Carlos Martínez eine Jubiläumstournee in der Schweiz statt. Aus diesem Anlass hat Livenet ein Interview geführt, das wir in drei Teilen bringen. Sehnsüchte und Gottesbilder stehen heute im Zentrum.
Livenet: Carlos Martínez, welche Sehnsüchte gibt es heute in der Gesellschaft? Wie gehen Sie darauf ein?
Jeder hat seine Wünsche. Die Menschen wünschen sich mehr Geld, einen besseren Job, eine schöne Frau, ein besseres Leben. Sie wollen nicht arm, arbeitslos ... sein. Das hat auch mit Träumen zu tun. Jeder hat seinen Traum. Und der Traum ist wie ein Gebet. Das gilt auch für Nichtchristen. Ich bin sicher, dass Gott auch unsere Träume wie Gebete sieht. Auch mit Pantomime kann man Träume ausdrücken. Ich nehme daher nach meinen Vorstellungen die Maske ab und mache damit deutlich, dass ich einen Traum ausdrückte. Wir vergessen manchmal unsere Träume, aber Gott nicht.

Wie können Pastoren darauf eingehen? Was ist hier die einfache Antwort des Evangeliums?
Ein Pastor ist für die Menschen da und für sie besorgt. Die Menschen möchten in der Gemeinde hören können, und der Pastor soll sie hören können. Ich traf – als Spanier, für den es nur Männer im Pastorenamt gab! – eine Pastorin in Deutschland. Ich sprach mit ihr und erlebte, dass sie gut zuhören konnte. Frauen haben oft die besseren Ohren. Pastoren sollten aber in erster Linie gut zuhören können.

Welche Gottesdbilder erkennen Sie heute in der Gesellschaft? Wie gehen Sie selbst damit um?
Es fordert mich heraus, mich mit der Dreieinigkeit zu beschäftigen. Ich komme ja aus der Theaterwelt und beschäftige mich daher gerne mit Bildern und Personen. Ich denke die Trinität nicht gerne abstrakt, sondern in der Form von drei Menschen. Ich kreierte daher mein eigenes Gottesbild, indem ich mir vorstellte, dass es vor dem Beginn aller Zeiten ein Restaurant gab, auf dessen Terrasse jeden Tag Gott, der Vater, der Sohn und der beste Freund von ihnen miteinander Kaffee tranken. Ich stellte mir vor, dass der Vater den Kaffee schwarz liebte, der Sohn hatte ihn gerne mit viel Zucker, und ihr Freund bestellte den Kaffee mit Honig. Ich konnte mir daher gut ausmalen, wie Jesus in Gethsemane mit dem Vater sprach, indem ich mir vorstellte, dass er ihn um mehr Zucker bat.
 
In unserer Gesellschaft sehen wir sehr unterschiedliche Gottesbilder.
Die Leute schaffen sich ihr eigenes Gottesbild. Sie brauchen ihr persönliches Bild, mit dem sie umgehen können, obwohl wir aufgefordert sind, uns kein Bild von ihm zu machen. Ich denke, dass es sehr von der eigenen Familie oder Nachbarschaft beeinflusst ist. Gott wird zum Beispiel mit dem Vater, einem Onkel, einem Grossvater verglichen. Etliche denken wohl an den Grossvater im Heidi-Film. Als mein Vater starb, starb der Grossvater meines Sohnes. Wir hatten beide einen unterschiedlichen Zugang zu ihm. Viele sehen in Gott eher den Grossvater, als ihren Vater. Ich versuche, die Perspektive eines Gottes zu vermitteln, der Gefühle hat: traurig, ärgerlich, glücklich ... ich glaube an einen Gott, der uns viel näher ist, als wir glauben. Einen Gott, der mich liebt, vor dem ich aber auch Respekt habe. Einen Gott der voller Emotionen ist, die wir auch selbst erleben.

Haben Sie auch ein Gottesbild, das sie spielen?
Ja, in der «Schöpfung». Ich hatte zuerst grossen Respekt davor und Angst, die Leute könnten es missbilligen, Gott zu spielen. Ich machte aber die Erfahrung, dass sowohl Christen aller Denominationen wie auch Nichtchristen das Stück sehr schätzen. Es zeigt Gott als Kind, das diese Welt liebt und mit der Schöpfung spielt. Es zeigt einen Gott, der trotz allem was geschieht, die Menschen liebt. Trotz allem Grund zum Zorn ist er in der Lage zu lieben. Damit ist er auch ein Spiegel von uns Menschen.

Ich zeige einen Gott, der die Erde modelliert. Er schaut auf den Turm von Babylon herunter. Aus seiner Perspektive ist er ein kleiner Punkt. Ich zeige den Leuten die Schöpfung und den Turm von Babel aus der Perspektive Gottes.
 
Und die Leute können Gott so besser verstehen?
Ich zeige Gott auch als eine Person, die Humor hat. Für viele kann Gott nicht lachen und nur ernst sein. Denn das leben ist ja auch so ernst. Wenn ich die Schöpfung spiele, höre ich die Leute lachen und sich freuen. Klar, als Jesus starb, war das eine sehr ernste Sache – aber er lebt ja. Das ist doch Grund zur Freude, zum Lachen, das Leben zu geniessen. Auch wenn der Tod nahe ist, gibt es so viele Gründe, zu lachen.

Zum Thema:
30 Jahre Carlos Martínez - Braucht ein Pastor ein Rednerpult

Weitere Infos:
Carlos Martinez
Die Tournee von Carlos Martínez
Das Angebot von Carlos Martínez

Datum: 29.02.2012
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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