Vertrauensvoll durch Schicksalsschläge
Wie Line B. neuen Reichtum fand
Line, wie haben Sie den Reichtum Ihrer Familie erlebt?
Als ich klein war, merkte ich vom Reichtum unserer Familie überhaupt nichts. Meine Eltern haben nie darüber gesprochen. Erst als Teenager habe ich durch meine Tante und Freunde erfahren, dass unsere Familie ein grosses Vermögen besitzt.
Was hat dies für Sie verändert?
Nichts. Das viele Geld ist mir nie zu Kopf gestiegen. Höchstens, dass der Reichtum das Gefühl einer gewissen Sicherheit vermittelte.
Die Familie André ist durch das Vermögen bekannt geworden ... aber auch durch ihre Diskretion. Gehört das zur Familienkultur?
Mein Grossvater sagte, dass man nie darauf achten soll, wie viel man den anderen gibt, sondern darauf, wie viel man selber nötig hat. Kurz nach dem Krieg organisierte mein Grossvater Jean André in der Schweiz Lager für Kriegskinder aus verschiedenen Ländern. Er hat sich mehr für die Bedürfnisse der Menschen aus aller Welt interessiert als für seine finanziellen Angelegenheiten. Das hat die ganze Familie geprägt. Heute noch hat unsere Familie die Kinder auf dem Herzen.
Der Zusammenbruch des Imperiums André ist ziemlich plötzlich gekommen. Wie haben Sie diesen erlebt?
Ich habe mich nie genau für die geschäftlichen Sorgen der «Groupe André» interessiert. Dagegen habe ich erfahren müssen, wie sehr das Geld die Familien spalten kann. Das hat mir dann keine grosse Lust gegeben, viel Geld zu besitzen.
Ihre Familie wurde auch schwer getroffen vom unerwarteten Tod Ihrer Schwester, als sie 16 Jahre alt war.
Der völlig unerwartete Tod meiner Schwester durch ein Herzversagen war ein Schock für mich und meine Familie. Am Morgen ist sie zur Schule gegangen. Aber sie ist nie mehr heimgekommen. Meine Eltern, meine andere Schwester und ich mussten dies in einem längeren Trauerprozess verarbeiten. Jeder hat dies auf seine Art gemacht. Zuerst haben wir uns dadurch ein bisschen auseinander gelebt. Ich war seit meiner Kindheit gläubig. Aber dann hatte ich plötzlich Zweifel. Ich zweifelte an der Güte Gottes und selbst seine Existenz stellte ich in Frage. Ich interessierte mich auch für andere Religionen, zum Beispiel für den Buddhismus.
Und als ob das nicht genug gewesen wäre, ist Ihnen sechs Jahre später eine Krebserkrankung diagnostiziert worden.
In der Tat, kurz nach meiner Hochzeit – wir waren damals in Australien – sind die Symptome der Blutarmut aufgetreten. Die dauernden Schmerzen haben die Ärzte dazu veranlasst, eine Ultraschalluntersuchung durchzuführen. Dabei sind Verdickungen an der Leber zum Vorschein gekommen. Wir mussten unverzüglich in die Schweiz zurückkehren. Nach verschiedenen Untersuchungen hat man mir einen Krebs im Verdauungstrakt diagnostiziert. Das war im Januar 2002.
Wie haben Sie da reagiert?
Zuerst habe ich gar nicht richtig realisiert, was dies bedeutet. Für mich war Krebs ein Synonym für Sterben. Ich wusste überhaupt nichts über die Krankheit. Aber die Ärzte haben eine effiziente Behandlung gefunden. Alle Nebeneffekte verschwanden. Während anderthalb Jahren dachte ich nun, ich sei geheilt. Leider gab es einen Rückfall im Oktober 2003. Da ist mein Enthusiasmus verflogen und ich realisierte, dass ich noch nicht am Ende meines Leidens war. Die Ärzte kündigten mir an, dass zwei Operationen nötig seien. Diese haben mich sehr geschwächt und ich hatte sechs sehr schwere Monate hinter mir. Schlimmer noch: Zwei Monate nach der zweiten Operation kam die Krankheit wieder zum Vorschein.
Sie sind also noch nicht geheilt?
Richtig. Die Ärzte haben alles unternommen, um mir zu helfen. Sie haben mir sogar eine neue Behandlung, die derzeit in einer Versuchsphase steckt, vorgeschlagen. Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Einerseits hatte ich Angst vor dieser Behandlung, weil das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen gross war. Zugleich wollte ich es wegen meinem Mann und meinen Eltern nicht einfach ablehnen. Ich habe zu Gott gesagt: «Dein Wille geschehe». Während den Untersuchungen vor der Behandlung haben die Ärzte eine Verkleinerung der Tumore festgestellt. Es blieb nur noch ein kleiner aktiver Tumor übrig.
Wie haben Sie sich dies erklärt?
Es kann mit der Umstellung meiner Ernährung vor ein paar Monaten zu tun haben. Laut den Ärzten lässt sich die Veränderung damit aber nur teilweise erklären. Vielleicht ist Gott daran, mich zu heilen.
Warum Gott?
Meine spirituelle Suche nach dem Tod meiner Schwester hat mich schliesslich zu Gott zurückgeführt. Auf meine vielen Fragen habe ich Antworten gefunden, besonders durch die Lektüre der Bibel. Wenn es mir schlecht ging und ich die Bibel hervor nahm, schien es mir, als ob die Texte direkt für mich geschrieben seien.
Die Bibel spricht von Jesus, der Menschen auf der Stelle heilte. Glauben Sie also, dass Gott auch heute noch heilt?
Wunderbare Heilungen gibt es auch heute noch, das ist kein Geheimnis. Ich weiss, dass Gott mich heilen kann, wenn er es will. Wenn aber Gott uns nur heilen würde, weil wir ihn darum bitten, wäre dies ein magisches Rezept. Man würde dann gar nicht versuchen, eine persönliche Beziehung zu Gott aufzubauen. Das ist es aber, was Gott wirklich will.
Wie kann man nach all diesen schweren Erfahrungen noch an die Liebe Gottes glauben?
Christ sein heisst nicht, dass alles gut geht. Als ich Schmerzen hatte, die mir unerträglich schienen, schrie ich manchmal zu Gott: «Bist du noch da?» Durch das Mitgefühl von Mitmenschen, durch ihre Hilfe (zum Beispiel beim Kochen, im Haushalt oder durch Einladungen) hat mir Gott immer wieder seine Gegenwart und seine Liebe gezeigt. Er hat auch durch tröstliche Worte zu mir gesprochen, durch Versprechen oder einfach durch Ratschläge aus der Bibel.
Wie sehen Sie Ihre Zukunft?
Aus medizinischer Sicht sind meine Heilungschancen gleich null. Es sei denn, ein neues Medikament würde gefunden. Dennoch wird in Zukunft nicht die Angst meine Entscheidungen beeinflussen. Es ist vielmehr der innere Friede, der vor allem mein Leben beeinflussen soll. Und ich arbeite daran, die Lebensqualität generell zu erhöhen, etwa durch Ernährung, Schlaf und gute Beziehungen. Wenn man dem Tod nahe kommt, versucht man ihm zu entfliehen. Mir ging es nicht anders. Ich fand ihn brutal, erschreckend. Als ich vor kurzem meine sterbende Grossmutter begleitete, habe ich eine andere Sicht des Todes bekommen. Ihre friedliche Haltung hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich glaube, dass wir dem Tod in einer heiteren und vertrauensvollen Haltung begegnen können, als einem Teil unseres Lebens. Indem ich mich so darauf vorbereitete, habe ich entdeckt, dass man daraus Kraft zum Leben schöpfen und gegen seine Krankheit kämpfen kann.
Zum Schluss, was macht das Leben reich?
Mich auf einen warmen Stein zu legen, den Kopf unter einen kalten Wasserfall zu stecken oder barfuss durchs hohe Gras zu gehen ...
Gleichzeitig lerne ich, alles mit Gott zu erleben, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Der Friede zuinnerst in uns macht unser Leben reich. Auch wenn wir diesen Frieden nicht hundertprozentig verwirklichen können, bleibt er doch mein Ziel.
Quelle: 4telstunde für Jesus