Nikolaus Klassen
Gegen den Strom – für die Menschen
Die Klassens waren Mennoniten, Nachfahren der täuferischen Kolonisten, denen einst Katharina die Grosse im wüsten Süden der Ukraine Land zugewiesen hatte. Der Grossvater betrieb im Gebiet Pawlodar neben der Landwirtschaft eine Schmiede. Nach dem Sieg der Bolschewiken wurde das Land enteignet, die selbstbewussten Bauern zu Kolchosarbeitern degradiert. Der Krieg brachte Hunger; im Nachbarhaus der Klassens starben alle Söhne.
Leiden, Gebet – und Schaffenskraft
Schon 1936 (Nikolaus war zwei) hatten die Geheimdienstler den Vater abgeholt, ein Jahr später den Grossvater. Die Mutter brachte vier der Kinder durch. „Dank ihrer Gebete haben wir überlebt“, schreibt Klassen in seiner Autobiografie.
Die Kuh diente als Arbeitstier in jenen dunklen Jahren. Butter und Käse wurden verkauft, damit es Brot gab; etwas Milch blieb den Kindern. 1946 kehrte der Vater aus dem Straflager heim; er hatte mitansehen müssen, wie seine Mitgefangenen erschossen wurden, selbst aber überlebt.
Aktiv auf dem Bau, im Gemeindebau
Nach dem 1953 einsetzenden Tauwetter nahm der Druck auf die aktiven Christen in Russland unter Chruschtschow bald wieder zu. Nikolaus zog mit seiner Frau Maria 1958 nach Kasachstan, in die Nähe der Hauptstadt Alma-Ata. Wegen der Arbeit (mit seinem Organisationstalent stieg der Alleskönner im Bau zum Teamleiter auf) zog die rasch wachsende Familie drei Jahre später in die Grossstadt.
Als die Regierung christliche Versammlungen in Privatwohnungen verbot und die baptistischen Gemeindeleiter dieses Verbot an die Gläubigen weitergaben, trennten sich Klassens mit einer Gruppe und hielten selbst Versammlungen ab. Im Januar 1967 als Ältester der nichtregistrierten Gemeinde eingesegnet, wurde er zur Zielscheibe des KGB: Eine Woche später war er in Untersuchungshaft. Weil er Kinder unterrichtet und religiöse Literatur verbreitet hatte, wurde er zu drei Jahren Lagerhaft verurteilt.
‚Wenn du weitermachst…’
Wegen seiner Integrität und seiner weitherum geschätzten Arbeit (dringende sanitäre Reparaturen) kam Klassen schon im Dezember 1968 frei – doch der Druck blieb. Ein grosses Treffen von christlichen Jugendlichen, die aus Mittelasien und Sibirien im Mai 1969 nach Alma-Ata kamen, genügte: Das KGB holte ihn wieder ab. Den Grossteil der zweiten, dreijährigen Lagerstrafe verbrachte er unter extremen Bedingungen in der Wüste am Kaspischen Meer.
1976 reiste die Familie Klassen, Eltern und neun Kinder, nach Deutschland aus. Doch Nikolaus vergass die Familien nicht, die zurückgeblieben waren. Und ihm ging nicht aus dem Kopf, dass seine Familie während seiner Haftzeiten mit Paketen unterstützt worden war. Bald stellte er Lebensmittelpakete zusammen und sammelte weitere Adressen – Hunderte, Tausende.
Gegen zwei Millionen Briefe aus der GUS!
Heute liegen in den Räumen seines Hilfswerks gegen zwei Millionen (!) Schreiben aus der Sowjetunion/GUS, in denen Empfänger gedankt und ihre Bedürfnisse geschildert haben. Nach der Mega-Katastrophe von Tschernobyl 1986 bebte Ende 1988 in Armien die Erde - die Sowjetunion öffnete unvermittelt die Grenzen für Hilfsgütertransporte.
Seit Mitte der 90-er Jahre fahren vom Hilfswerk Tabea e.V. in Heimerzheim bei Bonn, das Klassen leitet, jeden Monat im Durchschnitt über zehn Sattelschlepper nach Osten. Wegen unerträglichen Schikanen am russischen Zoll konzentriert sich „Tabea“ und der Schweizer Partner, die Christliche Ostmission (COM) in Worb/Bern, heute auf Hilfe in der Ukraine, Weissrussland und Moldawien. Im Umkreis von fünf Filialen erhalten Bedürftige und Behinderte, Heime und Spitäler Nahrung, Kleider und sonstige Hilfe.
Webseite: www.ostmission.ch
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch