Coach Marcel Hager

Die Mut-Brücke ins Neuland

Was Marcel Hager auf seiner eigenen Spurensuche zu einem erfüllten Leben entdeckt hat, teilt er als Berater: Entweder in seinem Besprechungszimmer mit Blick in die Alpen oder als Outdoor-Coach seines Unternehmens «Hager Coaching und Training» auf Abenteuern, sogenannten Active Retreats, in Island, Grönland oder Lappland.

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Marcel Hager
Der 37-jährige Vater von drei Kindern weiss aus eigener Erfahrung, dass diese Suche nach einem glücklichen Leben immer wieder durch dunkle Täler führt – es oft aber genau diese sind, die die eigene Identität stärken und uns näher ans Ziel führen: ein Leben aus dem Sein und nicht aus dem Tun heraus.

Marcel Hager, was macht ein gutes Leben aus?
Marcel Hager: Das Wissen, wer man ist und dass man genügt. Es ist ein Schlüssel für Gelassenheit, ein Ja-Sagen zu den eigenen Stärken und Schwächen. Dann merke ich, dass ich zwar einzigartig bin und damit andere ergänzen kann, aber auch einseitig und deshalb andere Menschen brauche.

Und dann?
Neben «Wer bin ich?» existieren zwei weitere wichtige Fragen: «Was will ich? Und wie komme ich dorthin?» Das ist nicht egoistisch gemeint. Aber im Wissen um die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen lassen sich realistische Ziele setzen, die zu einem passen. Bildlich gesprochen: Wenn ich eine Reise mache, die zu dem passt, was ich an Ausrüstung in meinem Rucksack habe, werde ich einfacher und mit mehr Freude das Ziel erreichen.

Wie können wir dieses gute Leben ergreifen?
Indem wir uns von der Einstellung verabschieden, dass wir nur glücklich werden können, wenn wir etwas erhalten. Anstatt der Bestätigung durch Dinge oder Menschen hinterherzujagen, dürfen wir in einen Frieden über uns selbst hineinwachsen. Je unabhängiger wir von der Anerkennung anderer werden, desto mehr beginnen wir, Dinge mit mehr Freude zu tun und tiefe Beziehungen zu leben.

Können Sie das etwas genauer erklären?
Wir versuchen oft krampfhaft, unser Glück zu finden, sei das nun durch Erfolg, Sicherheit, Genuss oder Harmonie. Dabei hängen wir die Frage nach unserem Wert und unserer Identität an diese Anstrengungen. Selbst wenn wir so vielleicht kurzfristig etwas gewinnen, nehmen uns diese Bemühungen auf Dauer gefangen. Denn wir müssen nicht etwas tun, um jemand zu sein. Wir dürfen einfach sein. Aus diesem Sein wird alles, was wir tun, entspannter und grosszügiger.

Sind Sie schon ganz im Leben angekommen oder drückt manchmal noch das Überleben?
Unser Leben ist oft ein Wechselspiel aus saftigen grünen Wiesen und dunklen Tälern. Im letzten Jahr, fünf Jahre nach der Gründung meiner Firma, sagte ich zu meiner Frau, dass ich nun erfolgreich und im Leben angekommen sei und viele Ziele erreicht hätte. Als nächstes folgte eine Krise. Dieses Wechselspiel ist anscheinend wichtig für mich, damit ich mich nicht über Erfolg oder Misserfolg definiere. Was ich in solchen schwierigen Zeiten immer wieder feststelle, ist eine wachsende Stärkung der eigenen Identität unabhängig von Umständen oder Leistung.

Sie sagen, wir alle haben grosse Träume und Sehnsüchte. Doch oft sehen wir nicht, in welche Richtung wir uns entwickeln sollen...
Es geht mehr um den Weg als um die richtige Antwort, den richtigen Traum. Wir dürfen Erlauber unserer Träume sein, statt uns krampfhaft in die «richtige» Richtung zu bewegen. Dabei können wir auf unsere innere Stimme hören und uns von den grössten Krankheiten fernhalten: Alleskönner oder Gleich-Seiner zu werden.

Und wie gelingt der erste Schritt?
Der beginnt bei uns selbst. Wir dürfen uns Zeit für uns nehmen. Dürfen uns klarwerden, was wir wollen und können. Dürfen ausprobieren, uns entwickeln, Fehler zulassen. Denn die schwindelerregende Brücke vom Alten zum Neuen heisst Mut. Ohne Mut wird alles beim Alten bleiben.

Weshalb fehlt uns oft dieser Mut?
Wir haben Angst zu versagen, ungenügend zu sein. Wir versuchen, das Erreichte festzuhalten, statt es loszulassen und uns mutig auf das Abenteuer Leben einzulassen.

Kennen Sie das aus Ihrem eigenen Leben?
Nach vielen Jahren ging kurz vor der Hochzeit meine Beziehung in die Brüche. Damals wurde mir schmerzlich klar, dass ich drei Optionen habe: Ich konnte weiter um die Beziehung kämpfen. Ich konnte die Beziehung einfach aufgeben und mich in ein neues Beziehungsabenteuer stürzen. Oder ich konnte die Beziehung loslassen und alles Weitere auf mich zukommen lassen. Ich merkte, dass das Kämpfen und das Aufgeben in meiner Kontrolle standen, das Loslassen aber nicht. Im Vertrauen darauf, dass sich neue Möglichkeiten öffnen werden, bin ich damals dieses Risiko des Loslassens eingegangen und habe die Brücke vom Alten ins Neue mutig überschritten. Wir kamen wieder zusammen und sind heute immer noch glücklich verheiratet.

Weshalb entscheiden wir uns trotzdem oft für die Kontrolle, wenn wir doch eine Sehnsucht nach Risiko und Freiheit verspüren?
Weil wir uns davor fürchten, das Leben zu verpassen, wenn wir nicht selbst für die Erfüllung sorgen. Aber wenn wir unser Leben kontrollieren wollen, werden wir es letztendlich verlieren, da wir nie das Risiko eingehen werden, Neues zu wagen.

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Wie kann man einen Rahmen schaffen, um diesen Lebensfragen auf den Grund zu gehen?
Wir veranstalten dafür mit unserem Unternehmen Trekking-Abenteuer in einsamen Regionen. In dieser unfreundlichen, kargen Umgebung unter einfachsten Bedingungen fallen unsere Masken. Die Naturelemente und ihre Herausforderungen lassen uns ehrlich und echt werden. In dieser Situation wird es einfacher, über tiefe Lebensthemen zu sprechen.

Was geschieht da beispielsweise?
Ein Teilnehmer ging bei einem Trekking immer vorneweg. Als wir einen reissenden Fluss durchqueren mussten, merkte er, dass andere ihn brauchten. Im Anschluss sagte er: «Das ganze Leben habe ich mich nur darum gekümmert, dass ich den anderen voraus bin. Nun habe ich gemerkt, dass das Verschenken meiner Stärke der viel grössere Gewinn ist.» Solche Grenzerfahrungen, oftmals im zwischenmenschlichen Bereich, erleben wir in der Natur immer wieder.

Wie kann man das im ganz normalen Alltag tun?
Indem wir entschleunigen, uns Zeit nehmen, die Umgebung wechseln. Bei vielen Menschen funktioniert das in der Natur besonders gut. Denn sie zeigt uns eindrücklich die Zyklen des Lebens und wird damit zu einer Metapher für unser eigenes Sein.

Und wie können Eltern ihre Kinder auf deren eigenen Reise begleiten?
Ich versuche, meine Kinder in eine Lebenshaltung der Dankbarkeit und Grosszügigkeit hineinzuführen, ihnen einen Lebensstil vorzuleben, der die anderen wie auch sich selbst sieht und achtet. Dafür ist es wichtig, dass sich das Kind geliebt weiss und so in eine gesunde Selbst- und Fremdwahrnehmung hineinwächst.

Wie machen Sie das ganz konkret?
Ich liebe und achte jedes meiner Kinder so, wie es ist. Mein ältester Sohn ist verantwortungsbewusst und weniger risikofreudig, die mittlere Tochter abenteuerlustig und impulsiv, während die jüngste kreativ und sehr gemütlich ist. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, ihre Stärken zu kultivieren, statt mich über ihre Schlagseiten zu ärgern.

Sie lassen ihnen ihre Einzigartigkeit.
Genau. Doch ich erlebe oft Menschen, die denken, dass alle so sein müssen wie sie oder sie so sein müssen wie alle anderen. Aber wenn ich meine eigenen Stärken oder die Stärken meiner Kinder entdecken will, dann muss ich mir Zeit nehmen, muss meine Vorstellungen darüber loslassen, wie andere oder ich sein sollten.

Zusammengefasst: Wir alle sehnen uns nach einem erfüllten Leben, haben aber oft nicht den Mut, über die Brücke des «Loslassens» zu gehen?
Leider ja. Es fällt uns oft schwer, unsere Erwartungen darüber loszulassen, wer und was für unser Glück verantwortlich ist. Doch wir dürfen darauf vertrauen, dass wir mit dem, was in uns hineingelegt wurde, mutig unseren Weg unter die Füsse nehmen können. Im Bewusstsein, dass nicht unsere Umstände unser Leben prägen, sondern unsere Perspektive darauf. Dann wird plötzlich ganz vieles möglich.

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Buchcover «Sehnsucht, Mut und Stärke» von Marcel Hager
Buchtipp:
Sehnsucht, Mut und Stärke – eine Reise vom Überleben zum Leben von Marcel Hager

Die Reise vom Überleben zum Leben ist ein Weg zum eigenen Herzen. Ein Weg zu seiner Bestimmung und zu einem Leben, das sich lohnt. Dieses Buch ist einpersönlicher Reisebegleiter auf diesem Weg. Dieser führt an drei Stationen vorbei: Ihrer Sehnsucht, Ihrem Mut und Ihrer Stärke. Überall im Buchhandel erhältlich.

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Datum: 29.06.2019
Autor: Lukas Herzog
Quelle: Magazin 2019 der Stiftung DIHEI

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