Bernhard Ott

10 mal «Ich möchte» - Anregungen eines Praktikers

Rückblicke, Ausblicke, persönliche Fazits werden derzeit massenweise öffentlich getätigt. Dorothea Gebauer hat viele gelesen und hat dabei ein Ranking ausgemacht. Was liest man? Was berührt wirklich?

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Bernhard Ott
Dabei ist sie auf Vorschläge gestossen, die wie Proviant für eine Reise sind, die über die Gestaltung des neuen Jahres hinausreichen. Erschienen sind sie in «Wurzeln&Flügel - Schritte zu einem ganzheitlichen Wachstum» bei arteMedia. Der Autor ist Bernhard Ott, Dekan der European School of Culture and Theology (Akademie für Weltmission) in Korntal/Stuttgart und Dozent am Theologischen Seminar Bienenberg. Er schreibt:

  1. Ich möchte morgen immer noch im kindlichen Vertrauen den Zuspruch der Gnade Gottes über meinem Leben gelten lassen und nicht ein gesetzlicher und verbitterter Mensch werden, der sich seines Heils nicht gewiss ist. … Bei vielen Christen bleibt der einfache Glaube im Schatten komplexer Lebensfragen, schwerer Erfahrungen, aber auch angesichts eingespielter Routine auf der Strecke. Deshalb will ich den kindlichen Glauben leben: Persönlich nahe bei Jesus leben. Gute geistliche Texte lesen. Staunen und Dankbarkeit nicht vergessen. Immer wieder mit leeren Händen vor Gott stehen.
  2. Ich möchte morgen zusammen mit Freunden durch die schönen und schweren Zeiten gehen und nicht einsam und verlassen dasitzen. Deshalb will ich heute in Beziehungen investieren. Tragfähige Beziehungen entstehen nicht einfach so und nicht, ohne dass ich etwas investiere. Das ist geradezu strategisch wichtig für die späteren Lebensphasen.
  3. Wenn morgen die Kräfte nachlassen, mit denen ich mein Leben im Griff halte, möchte ich mich nicht schämen müssen über mein wahres Wesen, das dann zum Vorschein kommt. Deshalb will ich mich heute durch Jesus von innen her verändern lassen. Es gilt, die inneren Defizite kritisch wahrzunehmen und im Gespräch mit Jesus und gegebenenfalls mit seelsorgerlicher Hilfe an einer inneren Veränderung zu arbeiten. Die Liste der Geistesfrüchte bietet hier eine gute Orientierung.
  4. Ich möchte morgen befreit leben und mein Leben nicht damit verbringen, den Ballast der Vergangenheit zu schleppen. Deshalb will ich heute keinen Ballast anstauen. Was das Aufstehen am Morgen schwer und unerträglich macht, ist nicht die eigentliche Arbeitsleistung des Tages, wie gross diese auch sein mag. Vielmehr ist es der Rucksack, der mit dem ungeklärten Ballast aus der Vergangenheit gefüllt ist: Unbereinigte Schuld gegenüber Menschen und Gott. Es gilt, Vergebung und Versöhnung zu suchen. So schnell wie möglich.
  5. Ich möchte morgen zufrieden zurückblicken und nicht immer darüber nachgrübeln müssen, warum ich in meinem Leben nicht das getan habe, wovon ich eigentlich wusste, dass ich es hätte tun sollen. Es gilt, mehr Stille zu suchen und sich einzuüben, auf die innere Stimme zu hören – und dann auch entsprechend zu handeln.
  6. Ich möchte morgen glücklich und nicht vor allem damit beschäftigt sein, den Scherbenhaufen meines Lebens zu betrachten und mich über Dummheiten zu ärgern. Deshalb will ich heute konsequent den Stolpersteinen aus dem Weg gehen: Die grossen Versuchungen, die uns in die Falle locken und später das Leben schwer und unerträglich machen, liegen in den Bereichen Geld, Sex und Macht. Und wenn ich stolpere: Bei Gott gibt es Vergebung und Neuausrichtung!
  7. Ich möchte morgen mit leichtem Gepäck leben und nicht unter der Last der Arbeit und Verantwortung zugrunde gehen. Ausserdem will ich meinen Mitmenschen nicht zum Ärgernis werden, weil ich nicht loslassen kann. Deshalb will ich heute das Loslassen üben. Besitz weggeben, Aufgaben wieder abgeben, Verantwortungen ablegen. Loslassen ist bei den Dingen am schwierigsten, die ich selbst ins Leben gerufen habe. Loslassen wird schwieriger, je länger ich festhalte.
  8. Ich möchte morgen noch genügend beweglich sein, um mich dort zu verändern, wo es dann richtig und wichtig ist. Deshalb will ich heute Beweglichkeit und Veränderung üben. Es geht darum, beizeiten selbstkritisch zu sein, nahe bei der jüngeren Generation zu leben, interessiert am Anderen und Fremden. Im Kleinen immer wieder einmal etwas Neues auszuprobieren, am Puls der Zeit zu leben. Und nicht Sätze wie: «Das habe ich noch nie gemacht» und «Früher war das aber ganz anders» als Abwehrmechanismen zu gebrauchen.
  9. Ich möchte morgen ein Förderer der kommenden Generation sein, nicht ein Verhinderer. Deshalb will ich heute junge Menschen fördern. Für nicht wenige Menschen ist es eine der schmerzlichsten Erfahrungen, andere neben sich emporwachsen zu sehen, vor allem, wenn diese eine wenig «besser» und ein wenig «erfolgreicher» sind. Stolz ist der tiefe Auslöser dieses Schmerzes. Stolze Menschen sind deshalb mit zunehmender Lebensdauer Verhinderer und nicht Förderer.
  10. Ich möchte morgen ein klein wenig ein Weiser sein. Deshalb will ich heute Schritt für Schritt einüben, zu integrieren. Die Jugend ist stürmisch, einseitig und unausgeglichen. Das muss so sein. Darin liegt eine ihrer Stärken. Im Laufe des Jahres entdecken wir zunehmend auch die jeweils andere Seite: Freud und Leid, Aktion und Reflexion, Weg und Ziel. Zupacken und geschehen lassen. Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Manche pendeln reaktionär von einem Extrem zum anderen. Etliche suchen den faulen, alles lähmenden Kompromiss. Wer weise ist, kann beide Pole integrieren, sie in kreativer Spannung aushalten. Deshalb will ich heute einüben: Kühne Demut, engagierte Gelassenheit, gehaltene Beweglichkeit, Anteil nehmende Sachlichkeit, tiefgründige Fröhlichkeit, humorvolle Ernsthaftigkeit.

Von Bernhard Ott, leicht gekürzt von Dorothea Gebauer

Webseiten:
Theologisches Seminar Bienenberg
Akademie für Weltmission, Korntal

Datum: 13.01.2014
Autor: Bernhard Ott
Quelle: Livenet

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