Bekannte Weihnachtslieder

So entstand das Lied «Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich»

Die Entstehungsgeschichte bekannter Weihnachtslieder ist oft fast in Vergessenheit geraten. Dabei sind die Hintergründe oft sehr interessant. Dürfen wir Sie mitnehmen ins Erzgebirge und ins Jahr 1554?

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Ein Jugendchor singt Weihnachtslieder (Symbolbild).
Zu keiner Zeit des Jahres wird so viel gesungen und Musik gehört wie an Weihnachten. Viele singen selbst oder hören fasziniert auf die Klänge des Weihnachtsoratoriums. Andere verdrehen gequält die Augen, wenn schon wieder «O Tannenbaum» aus den Lautsprechern im Kaufhaus dudelt. Gerade jetzt werden Lieder wertvoll, die eine Geschichte haben. Die zeigen, dass Weihnachten mehr ist als nur das Abspulen von Traditionen. Gott ist Mensch geworden – und das ist wirklich ein Grund zum Singen.

Lieder waren sein Leben

Im tschechischen Erzgebirge liegt das Städtchen Jáchymov. Heute kennt es fast keiner mehr, im 16. Jahrhundert jedoch war es eine reiche Bergbaugemeinde, Joachimsthal. Von hier kamen die silbernen «Joachimsthaler», die später europaweit als Taler bekannt wurden. Ausserdem arbeiteten hier zwei gute Freunde auf der Kanzel und in der Schule zusammen, Pfarrer Johann Mathesius und der Kantor und Lehrer Nikolaus Herman. Sie waren ein gutes Team: «Wenn Herr Mathesius eine gute Predigt getan, so ist der fromme Kantor geschwind dagewesen und hat sie in die Form eines Gesangs gebracht», hiess es von ihnen. Herman hatte vor allem die Kinder im Blick, wenn er seine zahlreichen Lieder schrieb. 1554 verfasste er am ersten Weihnachtsfeiertag sein bekanntestes Lied:

Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich,
in seinem höchsten Thron,
der heut schliesst auf sein Himmelreich
und schenkt uns seinen Sohn.

Verstimmt und verstummt

Als die Tür hinter seinem Sohn ins Schloss fiel, zerbrach etwas in dem sympathischen Kantor. Herman hatte sich gewünscht, dass Christoph Kirchenmusiker würde – begabt war er –, doch dieser interessierte sich mehr für das schnelle Geld, was er unter Tage in der Silbermine verdienen konnte. Er arbeitete viel, verdiente einiges und kam zu Geld und damit zu neuen Freunden – auch falschen Freunden. Christoph geriet auf die schiefe Bahn, und sein Vater fand nicht die richtigen Worte, um ihm zu helfen. Sie führten so manches Gespräch, hatten etliche Auseinandersetzungen, doch dies brachte sie nicht zusammen. Irgendwann packte der Sohn seine Sachen und ging. Endgültig. Und der Vater? Nikolaus Herman verzehrte sich in Trauer, wurde krank. Und es kam kein Lebenszeichen seines Sohnes, wochenlang, monatelang, jahrelang. Niemand wusste etwas. Lieder schrieb der Kantor schon lange keine mehr – er konnte es einfach nicht mehr.

Ein Licht in der Nacht

Acht Jahre waren vergangen. Es war am Vorabend von Weihnachten. Ausgemergelt, elend und müde stand ein junger Mann in den dunklen Strassen von Joachimsthal. Längst war das Licht in den meisten Häusern ausgegangen, nur der alte Kantor konnte noch nicht schlafen – bei ihm brannte noch eine Lampe. Ja, es war Christoph, der da stand. Heimlich und unangemeldet war er gekommen, getrieben von einer tiefen Sehnsucht. Aber jetzt, so nah am Ziel, verliess ihn der Mut. Er sah seinen alten Vater durch das Fenster, und als dieser das Licht löschte, schlich er leise weiter. Er ging den vertrauten Weg zur Silbermine, in der er früher gearbeitet hatte. Längst war sie stillgelegt und niemand war jetzt dort. Da war es auch nicht so kalt. Er würde sich eine Decke suchen und einen Platz für die Nacht. Vielleicht würde der neue Tag etwas ändern?

Gefangen im Dunkel

Auf seinem Weg in die Mine stiess Christoph auf eine Tür, die früher nicht dagewesen war. Er öffnete sie und ging in den Stollen, in dem er einmal gearbeitet hatte. Plötzlich dröhnte es durch den Schacht – die Tür war zugefallen. Und mit Entsetzen merkte Christoph, dass sie auf der Innenseite keine Klinke hatte. Die Wettertür widerstand all seinen Bemühungen, sie liess sich weder aufdrücken noch aus den Angeln heben: Er war gefangen. An Weihnachten gefangen in einem Bergwerksschacht ausser Betrieb. Der junge Mann sank in sich zusammen: «Ich bin verloren. Hier komme ich nie mehr heraus. Hier hört mich kein Mensch.» Und Gott? Wo war er? Irgendwann schlief er erschöpft und verzweifelt ein.

Die Tür ist offen!

«Haben Sie eigentlich einmal etwas von Ihrem Christoph gehört?» Eindringlich fragte der alte Steiger den Kantor nach dem Weihnachtsgottesdienst, als dieser die Kirche abschloss. Als Herman den Kopf schüttelte, erklärte er: «Gestern Abend sah ich jemanden in Richtung der alten Silbermine gehen. Es war dunkel – aber ich könnte schwören, dass es Christoph war.» Herman überlegte nicht lange. So schnell sie konnten, gingen die Männer zum Bergwerk. Sie suchten alles ab, sie riefen, und irgendwann öffneten sie auch die Tür zum Stollen und schauten hinein. Am Boden lag ein Mensch: Christoph. Er lebte und stammelte benommen: «Die Tür ist zu. Die geht nie wieder auf.» Sein Vater nahm ihn in den Arm und sagte nur: «Wach auf, die Tür ist offen! Komm nach Hause.» Noch am gleichen Abend griff Nikolaus Herman wieder zur Feder und begann zu schreiben: Lobt Gott, ihr Christen alle gleich …

Hören Sie das Lied?

Heut schliesst er wieder auf die Tür
zum schönen Paradeis;
der Cherub steht nicht mehr dafür.
Gott sei Lob, Ehr und Preis.

Das Lied ist bald 500 Jahre alt. Aber die tiefe Freude des Vaters, der seinen Sohn wiedergefunden hat, ist ihm bis heute abzuspüren. In dieser Familie muss Weihnachten ein für allemal bedeutet haben: Die Tür ist offen!

Genau das ist die zeitlose Botschaft des Liedes: Die Tür ist offen! So wie die Tür zu Gott. Weihnachten heisst nicht nur, dass Gott seine Tür geöffnet hat, um als Mensch zu uns zu kommen. Weihnachten heisst auch, dass diese Tür immer noch offen ist und wir zu ihm kommen können. Jesus sagt: «Ich allein bin die Tür. Wer durch mich zu meiner Herde kommt, der wird gerettet werden. Er kann durch diese Tür ein- und ausgehen, und er wird saftig grüne Weiden finden» (Johannes, Kapitel 10, Vers 9).

 

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Datum: 20.12.2017
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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