«Ein Ja-Mensch werden»
Markus Müller schreibt über das Ja in Gottes Spuren
Im Interview spricht Markus Müller über sein neues Buch «Ja-Mensch-Werden» und wie sich eine solche «Ja-Mentalität» auf das Leben und die Gesellschaft auswirken kann.
Jeder weiss: Man muss lernen, Nein zu sagen. Ihr
neues Buch heisst «Ein Ja-Mensch werden». Warum muss man auch noch lernen, Ja
zu sagen, Markus Müller?
Markus Müller: Ich frage zurück:
Hat uns diese «Nein-Mentalität» aus den vergangenen 30 Jahren wirklich weitergebracht
und glücklich gemacht? Ich glaube, dass alles Nein, auch alle Kritik, alle Ablehnung,
alle Abgrenzung, alle Negativurteile, alles «Gegen etwas sein», alles «Anti-…»
einen Rahmen braucht, sozusagen einen Parkplatz. Dieser Parkplatz kann nur das
Ja sein. Mir scheint, als hätten wir dieses ungeteilte, ganze, vorbehaltlose Ja
zu uns selber, zu unseren Nächsten, zu dieser Welt, zu Gott an vielen Stellen
verlernt! Ohne dieses Ja verliert sich der Mensch jedoch im Kritisieren und in
der Unzufriedenheit. Meine Lebensentdeckung: Glückliche, freie Menschen sind
Ja-Menschen. Dieses Ja und dieses «Ja-Mensch-Werden» angesichts so vieler
Ungereimtheiten und Irritationen unserer Welt findet in diesem Ja-Buch Worte
und Sprache.
Bücher über positives Denken gibt es zuhauf. Warum jetzt
noch ein Buch über Ja-Menschen?
Wie die Abgrenzungsmentalität, so trägt auch das dauernde
Positiv-sein-Müssen ideologische Züge. Das wirkliche Ja in den Spuren Gottes
sucht die Wirklichkeit, wie sie ist, manchmal total erfrischend, und manchmal grenzenlos
herb. Der Ja-Mensch denkt im Ja, sagt Ja und lernt das Ja – als Kontrast zum
allgegenwärtigen Nein, zur lähmenden Skepsis und zum appellativen Positivsein. Ja-Menschen
mögen positive Menschen sein, aber positives Denken ist nie das Ziel selber, sondern
immer die Folge. Meine Entdeckung: Es stiftet Hoffnung, wenn wir das «Dafür
sein», das «Pro-…», eben das Ja, wieder neu lernen. Und es tut zum einen mir selber
gut, und es tut zum andern unseren Gemeinden gut, es tut unserer Gesellschaft
gut, und es tut dem 21. Jahrhundert gut.
Welche Rolle spielt es, ob ein Ja-Mensch sein Leben auf
Gott ausrichtet?
Das unübertreffliche Vorbild im Ja ist Gott selber. Er
sagt Ja zu uns komplizierten, manchmal eigensinnigen, unzufriedenen,
besserwisserischen Menschen. Es gibt nichts Befreienderes, als in den Spuren dieses
Ja zu gehen. Die Ausrichtung auf Gott ist die grosse Einladung. Dann nämlich
hinterlassen Ja-Menschen himmlische Spuren. Es ist das Ja zu Begrenzung, zu
Ohnmacht, zu Scheitern, zu Schwäche, zu Krankheit, zu Alter und zu Tod. Darin erweist
sich Gott mächtig, so berichtet die Bibel. Möglicherweise liegen genau da noch
ungeahnte Möglichkeiten brach, für uns und für die Gemeinde. Davon träume ich –
im Tiefsten vom grenzenlosen Ja Gottes und der Christen zu uns selber, zu
dieser Welt, zum Schwachen, zum Begrenzten, zum Scheiternden, zum Sterbenden.
Es erklingt eine Melodie der Hoffnung, und es weht ein Hoffnungswind durch eine
manchmal trübe, belastende, leidvolle Welt.
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Autor: David Gysel
Quelle: IDEA Schweiz