Theologe Markus Voss
«Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen das Evangelium erfahren»
Der Theologe Markus Voss will mit seinem Buchprojekt «Kein Gott ist auch keine Lösung» Christen sprachfähiger über den eigenen Glauben machen. Das Besondere: Buch, Hörbuch und entsprechenden Onlinekurs gibt es gratis. Im Interview erklärt Voss, warum er es so wichtig findet, dass Christen sich wieder auf die Grundlagen ihres Glaubens besinnen.
«Kein Gott ist auch keine Lösung» ist das aktuelle Buchprojekt des Theologen Markus Voss. Darin nimmt er Einwände, die Christen als Argument gegen Bibel und Glaube oft entgegenschlagen, auseinander und argumentiert wissenschaftlich für die Glaubwürdigkeit der christlichen Botschaft.
Voss erklärt, warum er es für wahrscheinlicher hält, dass es einen Gott gibt und dieser Gott auch so ist, wie ihn in die Bibel darstellt, als dass es Gott nicht gibt. Er widmet sich dabei unter anderem Themen wie Nahtoderfahrungen, dem Bösen in der Welt, dem «Intelligent Design», der Zusammensetzung der menschlichen DNA oder der Frage nach dem Zufall in der Schöpfung. E-Book, Buch und Onlinekurs können kostenlos auf der Webseite von Voss heruntergeladen werden.
Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Buchprojekt?
Markus
Voss: Es war nicht wirklich meine eigene Idee. Meine
Social-Media-Community gibt mir den Vorteil, am Puls der Zeit zu
bleiben. Man sieht, welche Fragen die Leute haben und was ihnen auf dem
Herzen liegt. Ich habe da beobachtet, dass viele Christen sich in einer
säkularen Gesellschaft bedrängt fühlen. Ausserdem sind viele in letzter
Zeit durch die Selbstverständlichkeit, mit der bestimmte bibeltreue
Gruppen angegangen wurden, eingeschüchtert. Etliche Nutzer haben mir
geschrieben und gefragt: «Wie kann ich auf solche Sachen eingehen? Wie
verhalte ich mich gesellschaftlich?» Dabei habe ich gemerkt, dass viele
von uns Christen gar nicht wissen, warum sie Christen sind. Wenn man das
nicht weiss, ist es natürlich schwer, das anderen Leuten zu
kommunizieren oder auf kritische Fragen zu antworten.
Dann kam Corona. Und viele Dinge, die wir als Christen so selbstverständlich hinnehmen, waren auf einmal nicht mehr da. Eine riesengrosse Orientierungslosigkeit brach aus – bei den Landeskirchen mehr als bei den Freikirchen. Deshalb dachte ich mir, ich versuche mal, ein paar gute Antworten zusammenzufassen.
Wie lange hat die Arbeit gedauert?
Der
eigentliche Schreibprozess dauerte nur ein paar Monate. Der gedankliche
Prozess dauerte aber fast 15 Jahre. So lange denke ich schon über
solche Fragen nach und überlege, wie man darauf antworten kann.
Welche Einwände gegen das biblische Christentum hören Christen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten?
Ganz
häufig kommen mehr Beschwerden als Argumente zur Sprache. So etwas wie:
«Mir gefällt das Leid in der Welt nicht, deshalb gibt es Gott nicht.»
Oder: «Die Christen in den vergangenen Jahrhunderten haben Kreuzzüge
angezettelt und deshalb muss das Christentum falsch sein.» Das ergibt
natürlich keinen Sinn. Was auch häufig zur Sprache kommt, ist der
sogenannte genetische Fehlschluss. Das bedeutet, eine vermutete
Entstehungsgeschichte und die Gültigkeit von etwas zu verwechseln. Zum
Beispiel: «Mathe habe ich von meiner Lehrerin in der dritten Klasse
gelernt, aber die ist später in eine schlechte Partei eingetreten, also
müssen die Matheregeln, die sie mich gelehrt hat, falsch sein.» Das
verwechseln Leute häufig. Sie haben bestimmte Vermutungen, wie die Bibel
angeblich entstanden sei, und das bringt sie zu dem Schluss, die Bibel
gelte nicht mehr. Aber selbst, wenn ich weiss, wann Paulus den Ersten
Korintherbrief aufgeschrieben hat, heisst das doch nicht, dass er heute
nicht mehr gültig ist.
Sie wollen mit dem Buch einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten. In welcher Form?
Es
hängt natürlich davon ab, wie viele Leute das Buch lesen und den
Onlinekurs nutzen. Meine Hoffnung ist aber, dass wir als Christen der
Gesellschaft etwas zu sagen haben. Wir sind nicht konservative
Verschwörungstheoretiker, die gegen Abtreibung zu hetzen, sich an
Sex-Regeln zu halten haben und in Hauskreisen Gitarre spielen. Wir haben
wirklich was beizutragen. Ich hoffe, dass wir als Christen in
Deutschland eine Sache besser begreifen: Entweder, das Christentum ist
nicht wahr. Dann muss niemand Christ sein, auch Sie und ich nicht. Oder
es ist wirklich wahr. Dann sollten wir alle Christen sein, auch die
Menschen, die es noch nicht wissen. Es ist wichtig, dass wir aus der
Blase des Subjektivismus rauskommen. Wir dürfen nicht mehr denken, dass
es um irgendwelche unverbindlichen Meinungen geht, wo man Hü oder Hott
sagen kann. Entweder ist es real, dann geht es alle an. Oder es geht
niemanden etwas an.
Haben Glaube und Religion durch die Corona-Krise einen neuen Stellenwert in der Gesellschaft eingenommen?
Ja
und nein. Nein, weil das, was häufig als institutionalisiertes
Christentum verstanden wird – Traditionschristentum, manche
landeskirchlichen und römisch-katholischen Strömungen –, noch
bedeutungsloser zu werden droht. Die klassischen Formen kirchlichen
Lebens können derzeit natürlich noch weniger ausgelebt und praktiziert
werden. In diesem Sinne also weniger relevant. In einem anderen Sinne
aber noch mehr relevant. Denn viele gläubige Christen machen sich mehr
Gedanken dazu, wie sie Nachfolge leben können. Auf einmal müssen wir ein
bisschen versuchen, das Rad neu zu erfinden. Wir müssen uns überlegen:
Was ist der Kern? Was sind die Nice-to-Haves? Aktive Christen werden
ermutigt, sich im Alltag neu zu positionieren, welche Dinge sie auf der
Grundlage ihres Glaubens tun und welche nicht. Ich nehme wahr, dass
viele Menschen bewusster reflektieren, weil die Selbstverständlichkeiten
nicht mehr da sind.
Was wünschen Sie sich vom Auftreten der Christen – gerade jetzt in der Krise?
Ich
wünsche mir, dass wir Christen anderen Menschen eine konstruktive
Stütze sind, indem wir uns mehr auf das konzentrieren, was wir können
und was wir wissen. Ich finde es nicht gut, wenn ein Pfarrer oder eine
Pfarrerin, die niemals Psychologie studiert hat, als Predigtersatz
laienpsychologische Ehetipps gibt. Oder wenn Leute, die keine Ahnung von
Politik haben, auf einmal erklären, wie das Wirtschaftssystem
reformiert werden sollte. Und meinen, nur weil sie Theologen sind,
wissen sie, wie die Welt funktioniert. Ich glaube, etwas Bescheidenheit
tut uns als Christen gut – unabhängig von den Amtsträgern. Wir sollten
uns auf das konzentrieren, was wir zu sagen haben: Salz der Erde und
Licht der Welt sein und das Evangelium weitergeben.
Ich finde es auch problematisch, zu sagen: Weil wir Christen sind, dürfen wir uns nicht an bestimmte medizinpolitische Entscheidungen halten. Ich weiss nicht, ob das eine Glaubensfrage ist. Ich persönlich bin immer etwas ratlos, wenn Menschen mich fragen: «Soll ich mich impfen lassen?» Ich verstehe nicht, warum ich als Theologe diese Frage beantworten können sollte.
Wie können sich
Gemeinden gegenüber Nichtchristen artikulieren, besonders in der Krise,
in der vielleicht viele Menschen auf der Suche sind?
Es
muss anfangen mit einer Besinnung darauf, welche Wahrheiten wir haben
und wofür wir einstehen – und wofür nicht. Wenn in manchen Teilen der
Evangelischen Kirche in Deutschland behauptet wird, es gebe
Allversöhnung, die Hölle sei leer und alles, was Jesus über Verdammnis
gesagt hat, sei falsch, dann heisst das natürlich, dass niemand erst
gerettet werden muss. Dann ist es logisch, dass Menschen, die an
Allversöhnung glauben, nicht missionarisch oder evangelistisch aktiv
sind und nur noch Diakonie betreiben. Auf
Grundlage der Bibel können wir sehr deutlich sagen, dass so etwas wie
Allversöhnung absolut nicht der Fall ist. Es gibt sehr wohl Menschen,
die gerettet werden, und Menschen, die leider, leider verloren gehen. Es
ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Menschen das Evangelium
erfahren. Wenn manche Kirchen sich nicht um die Rettung von anderen
Menschen sorgen, mache ich mir Sorgen um deren Rettung.
Ich wünsche mir zwei Dinge, wenn man als Besucher in eine Gemeinde hineinkommt: Erstens, dass man an der Liturgie, am Raum, an den Flyern und Ähnlichem, das da ausliegt, erkennt, dass sich hier Christen treffen. Wenn man schon mal weiss, worum es den Christen als Basis ihres Glaubens geht, ist sehr viel gewonnen. Häufig ist das nicht der Fall. Zweitens wünsche ich mir Intentionalität. Dass wir uns bewusst fragen: Wie wollen wir Menschen das Evangelium nahe bringen, die es noch nicht kennen? Viele Menschen machen sich aktuell Gedanken über die eigene Sterblichkeit oder über Probleme des veränderten Alltags. Ich finde es gut, wenn christliche Kirchen da einerseits gute Antworten geben können auf die Fragen «Was passiert nach dem Tod?», «Wie sieht das Jenseits aus?» oder «Wie kann man Menschen auf dem letzten Weg dahin gut begleiten?». Andererseits sollten sie überlegen, wie sie gute Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen können, und versuchen, auf eine liebevolle Weise biblische Inhalte zu vermitteln. Das machen ja auch sehr viele Gemeinden gut.
Wie würden Sie Ihren eigenen Glauben einem Nichtchristen beschreiben?
Ich
glaube und ich weiss, dass ich ein fehlbarer Mensch bin, der ganz oft
den Massstäben nicht gerecht wird, die an mich angelegt werden. Ich weiss,
dass ich keine Chance habe, wenn ich so vor meinen Schöpfer treten
muss. Ich weiss aber auch, dass das nicht das letzte Wort ist. Das sagt
mir jemand, der mich besser kennt, als ich mich selbst kenne. Und
jemand, der bereit war, sein Leben für meines zu tauschen – nämlich
Jesus. Ich würde antworten, dass Jesus fest zugesagt hat, dass jeder,
der seine Hoffnung für den Tag des Jüngsten Gerichts auf Jesus setzt und
sich daran festhält, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Ich
glaube das, weil Jesus wirklich gelebt hat. Weil das grösste Wunder der
Bibel schon passiert ist – nämlich auf Seite eins: «Am Anfang schuf Gott
Himmel und Erde.» Und weil die Auferstehung ein historischer Fakt ist.
Deshalb weiss ich, dass ich darauf vertrauen kann.
Zum Originalartikel auf PRO
Zum Buch:
«Kein Gott ist auch keine Lösung»
Zum Thema:
Bestseller-Autor und Pastor: «Gnade schenken kann nur, wer sie selbst erfahren hat»
Tiefgehend und bodenständig: Pastor Engel motiviert zur Nachfolge
Ein Buch, das Sehnsucht weckt: Eine Geschichte der Hoffnung für die Krisenzeit
Autor: Swanhild Zacharias
Quelle: PRO Medienmagazin | www.pro-medienmagazin.de