Daniel und Cathy Zindel

«Es geht um Kindswohl und Elternwohl»

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Cathy und Daniel Zindel (Bild: idea Spektrum)
Daniel und Cathy Zindel haben ein Erziehungsbuch geschrieben, das sich nicht so einfach mit andern vergleichen lässt. Es handelt sich um ein «spirituelles Elternbuch». Wir wollten wissen, was darunter zu verstehen ist.

Was war der direkte Anlass für Sie, das Buch zu schreiben? Wer von Ihnen hatte die Idee?
Cathy Zindel (CZ)
: Ich hatte eine innere Überzeugung, dass es dran war, dieses Buch zu schreiben. Ich rang um Worte und ich rang mit meinem Mann bei jedem Kapitel. In der Familienberatung sehe ich, wie der Druck auf Eltern, es perfekt und gut zu machen, wächst. Viele junge Eltern erschöpfen sich dabei und sind in Gefahr, sich selbst und den Partner zu verlieren. Wohl eher unbewusst drückt viele Eltern die Last, dass sie allein für das Projekt «Kind» verantwortlich sind. Wenn ein Kind eine Krise durchlebt, ist das ihre Schuld. Das Buch will entlasten und lädt zur Freude am Training von lebensfördernden Haltungen ein. Das gilt für Eltern und Kinder. – Übrigens meinen wir mit Eltern immer auch Alleinerziehende und Patchworkeltern.
Daniel Zindel (DZ): In diesem Buch hatte meine Frau Cathy von allem Anfang an den Lead. Wir hatten zusammen mit anderen Fachleuten den Ansatz des Elterncoaching entwickelt und im deutschsprachigen Raum verschiedenste Seminare durchgeführt. Ich versuche, den geistlich-theologischen Aspekt abzudecken.

Spiritualität ist ein weites Feld. Atmet das Buch die Spiritualität der «Gott hilft»-Stiftung? Wie verstehen Sie Spiritualität?
DZ
: Spiritualität ist ein «Containerbegriff». Jeder packt etwas anderes in diesen Ausdruck rein. Uns geht es im Kern um den «Spiritus Sanctus» – also das Wirken des Heiligen Geistes. Er möchte uns auch als Eltern zu Hilfe kommen. Das Buch atmet insofern den Geist der Stiftung Gott hilft, als dass deren vier Kernwerte – Geistlichkeit, Fachlichkeit, die Praxisnähe und das (Allzu)Menschliche zusammenkommen. Hinter dem «Gott hilft» steht ja: Ich kann es immer wieder nicht. Angesichts des pädagogischen Perfektionismus und einer permanenten Selbstoptimierung in Familien ist es sehr entlastend, göttliche Ressourcen für den Erziehungsalltag zu entdecken.
CZ: Eigentlich ist es ganz einfach: Ich darf alles mit Gott teilen. Auch mein Unvermögen und meine negativen Gefühle und Gedanken. Er stärkt zum Beispiel meinen Willen, ein Ja zur Mutterschaft zu finden, wenn ich das will und ihn darum bitte. Oder wir können Gott einladen, uns zu zeigen, wie er denn unser Kind sieht, mit dem wir gerade Mühe habe. Es geht uns um eine Alltagsspiritualität. Gott begegnet uns als Eltern in seiner Barmherzigkeit und Hilfe. Und wir dürfen diese Haltungen den Kindern weitergeben.

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Buch: Man erzieht nur mit dem Herzen gut
«Ein spirituelles Elternbuch» – das tönt ein wenig abgehoben. Kann Spiritualität fachliche Erziehungskompetenz ersetzen?
CZ
: Ja, natürlich ist pädagogisches Knowhow wichtig. Nur um ein Beispiel zu nennen: Es ist sinnvoll zu wissen, dass der Eineinhalbjährige, der das Bébé der Nachbarin «haut», nicht böse ist, sondern einfach seine Wirksamkeit testet und Kontakt aufnehmen will. Die Mutter wird nicht schimpfen, sondern sagen: «Aua, das tut dem Kleinen weh». Im Alltag erlebe ich Eltern, die viel Erziehungswissen haben. Doch bei der Umsetzung «hapert» es. Wenn man eigentlich weiss, wie, dies aber nicht umsetzen kann, fühlt man sich schuldig, beschämt und entmutigt. Ich habe dies als Mutter von vier kleinen Kindern oft so erlebt. Es braucht dann nicht noch mehr Wissen, sondern die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes. Wer Barmherzigkeit erfährt, in dem wächst die Bereitschaft zur Veränderung. Diese Erfahrung wird unsere Beziehung zum Kind positiv beeinflussen. Und das ist Erziehungskompetenz!
DZ: Unser Buch ist ein Ermutigungs- und Trostbuch für Eltern, die manchmal pädagogisch an ihre Grenzen oder als Paar den Bettel hinwerfen wollen. Gott kommt uns aber gerade in unseren Ohnmachtserfahrungen zu Hilfe. Spiritualität und fachliche Erziehungskompetenz sind keine Gegensätze, sondern ergänzen sich. «Erziehe, als ob alles Beten nichts nützte, bete, als ob alle Erziehung nichts nützte.»

Können auch Eltern, die diese Spiritualität nicht teilen, mit dem Buch etwas anfangen?
DZ
: Unser Ansatz ist eine haltungsorientierte Pädagogik. Dafür sind alle empfänglich. In unserem Elterncoaching haben wir die Erfahrung gemacht, dass Eltern ohne explizite Gottesbeziehung unseren Ansatz als gewinnbringend erleben. Während Christinnen und Christen in «heissen» pädagogischen Situationen ein «Time out vor Gott» einlegen, zählen andere Eltern auf Zehn und lassen sich anstelle eingeschliffener Muster auf ihre Intuition und Kreativität ein.
CZ: Wir ermutigen Eltern, sich auf einen Weg in die Beziehung mit Gott zu machen. Doch auch ohne diesen Bezug wird man bestimmt vom Elternbuch profitieren. Übrigens beobachte ich eine vermehrte Sehnsucht nach Transzendenz gerade unter jungen Menschen und auch Eltern. Viele wollen ihren Weg zu Gott nicht an Dogmen festmachen, sondern durch eigene Erfahrungen entdecken.

Welches Familienbild steckt hinter den Ausführungen in diesem Buch?
CZ
: Ich zitiere dazu aus unserem Buch: Die Familie ist der sichere Ort, wo das Leben von Erwachsenen und Kindern behütet und entfaltet wird. Es geht um das Kindswohl und das Elternwohl. Die Familie ist kein Schon-, aber ein Schutzraum, wo wir den täglichen guten Umgang miteinander üben, damit das Leben gelingt. Familie ist wie eine Heimat, wo wir sichere Bindungen und Urvertrauen entwickeln. Wir vertrauen einander und haben Respekt voreinander, obwohl wir manchmal streiten. Jeder von uns macht Fehler und wir brauchen Korrektur und Ergänzung. In einer Familie geht es nicht primär um Erziehung, sondern um Beziehung. Alle entwickeln sich aneinander und miteinander.
DZ: Die Bibel kennt den Ausdruck «die Familie» nicht. Sie gebraucht dafür das Wort «Haus». Das Bild des Hauses, auf Griechisch «oikos» prägt unser Familienverständnis. Die Familie ist ein Schutz-, Lebens- und Beziehungsraum. Unser Familienbild ist systemisch. Vom Wort «oikos» kommt auch der Ausdruck Ökonomie. Und es ist geht bis zum Haushalten, Familienbudget und Taschengeld.

Sie schreiben einleitend, dass Eltern innerhalb der Stiftung verschiedene Erziehungsstile pflegen, ohne dass sich dies spürbar auf die Resultate auswirkt. Wie erklären Sie sich das?
DZ
: Es war für uns tatsächlich eine Urerfahrung, auf dem gemeinsamen Campus der Stiftung so viel unterschiedlichste Erziehungsstile anzutreffen. Dazu kam, dass die Eltern alles Fachleute waren und ihren Stil wissenschaftlich und «biblisch» begründen konnten. Ob wir nun eher direktiv oder sehr locker mit unseren Kindern unterwegs sind, es sind unsere konstruktiven, verlässlichen und berechenbaren Haltungen, welche unsere Kinder nachhaltig prägen.
CZ
: Mich lehrte diese Zeit auf dem Campus Flexibilität. Zum Beispiel: Ich lernte, mich zu hinterfragen: «Bist du nicht etwas zu streng mit deinen Kindern? Ist diese Regel wirklich sinnvoll?»

Ist die Betonung der Spiritualität in der Erziehung das Erfolgsgeheimnis, dass die Kinder den Eltern auch auf dem Glaubensweg folgen?
DZ
: Gelingende Erziehung kennt gerade kein «Erfolgsgeheimnis» im Sinne eines Rezepts. Wir finden es auch wichtig, dass unsere Kinder uns Eltern nicht auf unserem Glaubensweg folgen. Sie sollen ihren ganz originalen Weg zum lebendigen Gott entdecken. Manchmal geht das durch schmerzvolle Absetzungsprozesse hindurch und ihre geistliche Reise fordert uns viel Vertrauen und Hoffnungskapazität ab. Gerade im Loslassen zeigt es sich, dass man nur mit dem Herzen gut erzieht. Wir leisten dann ein Gramm Erziehungs- und eine Tonne Seelenarbeit.

Zu den Autoren:
Cathy Zindel-Weber (*1959), verh. mit Daniel, ist Mutter von vier erwachsenen Kindern und mehrfache Grossmutter. Sie ist Lehrerin und leitet die Lebensberatungsstelle
«Rhynerhus» in Zizers. Dort arbeitet sie auch als Ehe-Einzelberaterin und Seelsorgerin und Elterncoach.
Daniel Zindel (*1958) ist Theologe und arbeitet als Gesamtleiter der Stiftung Gott hilft in Zizers. Er ist nebenberuflich als Eheseelsorger und Führungscoach tätig. Seine Hüttenzeiten nutzt er zum Beten und Schreiben. Er hat zu Themen der Leiterschaft, Spiritualität und Ehe (Co-Autor) publiziert.

Zum Buch:
Man erzieht nur mit dem Herzen gut: Ein spirituelles Elternbuch

Zum Thema:
Dossier Familie
Erziehen oder ziehen lassen?: Wie junge Erwachsene zum eigenen Glauben finden
Umfrage «Welt am Sonntag»: Wert der Familie gestiegen

Datum: 04.02.2021
Autor: Fritz Imhof
Quelle: idea Schweiz

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