Die Komfortzone verlassen
«Nur wer sich verändert, bleibt lebendig»
Viele scheitern daran, eine negative
Prägung oder ein lästiges Muster abzulegen. Hilfestellung bietet das in diesen
Tagen erschienene Buch «Nur wer sich ändert, bleibt lebendig» vom diplomierten
Coach und Supervisor BSO Christoph Hickert. Livenet unterhielt sich mit dem
Autor, der in Männedorf eine eigene Praxis führt, über sein Buch.Christoph Hickert, um was geht es
in Ihrem Buch «Nur wer sich ändert, bleibt lebendig»?
Christoph Hickert: Wie der
Titel bereits sagt, geht es ums Thema Veränderung. Wer hat nicht schon
versucht, ein lästiges Muster oder eine negative Prägung zu ändern? Und doch
scheitern viele daran. Denn bisherige Muster, Erfahrungen und innere
Glaubenssätze sitzen tief. Die meisten Grundüberzeugungen über uns und das
Leben haben wir bereits früh in unserer Kindheit gelernt. Und die lassen sich
nicht leicht abzuschütteln. Oft werden wir nur
geliebt, wenn wir gewisse Bedingungen erfüllen. Wir müssen uns Liebe
verdienen, zum Beispiel, indem wir lieb, brav, angepasst oder hilfsbereit sind.
Aber das hat Auswirkungen. Aufgrund solcher Erfahrungen entwickeln wir
unbewusst Bewältigungsstrategien und Schutzstile, mit denen wir uns auch heute noch
durchs Leben navigieren. Unbewusst sabotieren wir uns dadurch selbst. Wir
laufen als Erwachsene immer noch in einer alten Rüstung herum, die einst
hilfreich und schützend war, aber heute längst nicht mehr nötig ist. Meist erst
durch den Weckruf einer Krise, Krankheit oder eines Konflikts – oft zwischen dem
30. bis 50. Lebensjahr – wachen viele auf: So nicht mehr! Dies steht oft am
Anfang eines tiefergreifenden Veränderungsprozesses.
Was sind die Kernpunkte, die Sie
transportieren wollen?
Anhand vieler persönlichen Beispiele und Erfahrungen aus meiner
Beratungspraxis und aus meinem eigenen Leben nehme ich den Leser mit auf eine
Reise durch die vier Zimmer der Veränderung: Zufriedenheit, Verleugnung,
Chaos/Verwirrung und Erneuerung. Studien haben gezeigt, dass wir in
Veränderungsprozessen immer dieselben vier Phasen durchlaufen. Und es gibt
keine Abkürzungen. Am liebsten würden wir direkt vom Zimmer der Zufriedenheit
ins Zimmer der Erneuerung wechseln. Aber das geht nicht. Es ist eine Einbahnstrasse
und das Zimmer der Verleugnung und das des Chaos/der Verwirrung gehören eben auch
dazu. In diesen zwei Zimmern passiert viel Entscheidendes. Bisherige
zementierte Muster werden aufgeweicht, bis wir bereit werden, uns nochmals ganz
neu für Veränderung zu öffnen.
Wie ist Veränderung denn möglich?
Der Mensch ist grundsätzlich ein «Gewohnheitstier», er strebt nach
Sicherheit. Daher ist er nicht so schnell bereit, seine Komfortzone zu
verlassen, denn das bringt Unsicherheit und Ängste mit sich. Menschen sind oft
erst bereit, sich zu verändern, wenn sie einerseits unter Druck geraten und
Schmerz erfahren, oder aber wenn sie durch ein grosses Ziel oder eine Vision
motiviert werden.
Sie arbeiten als Coach und
Lebensberater – inwiefern hat Ihre Arbeit zu diesem Buch geführt?
Aufgrund einer persönlichen Lebenskrise habe ich vor etlichen Jahren
Seelsorge und Beratung zuerst von der anderen Seite – als Betroffener –
kennengelernt. Das war sehr hilfreich für mich. Diese Erfahrung hatte mich
danach motiviert, mich vertieft mit Theologie, Psychologie aber auch der
Neurowissenschaft auseinander zu setzen. Was ist hilfreich und unterstützt
tiefergreifende Veränderungsprozesse? Was spielt sich im Gehirn alles ab? Was
hat unser Unbewusstes damit zu tun? Oft wird in der Beratung lediglich an den
Willen appelliert. Dies wird jedoch für einen nachhaltigen Veränderungsprozess
nicht reichen. Wenn wir die tieferen Schichten unserer Persönlichkeit nicht
einbeziehen, wird es nicht gelingen. Denn im Zweifelsfall wird sich immer das
Unbewusste durchsetzen, weil oft hinter dem problemhaften Verhalten eben
auch ein unbewusster Nutzen liegt. Erst wenn es gelingt, diesen bewusst zu machen und
das dahinterliegende Bedürfnis konstruktiv in den Erneuerungsprozess
einzubeziehen, kommen wir weiter.
Jeder von uns hat Ansprüche und Ideale, wie das Leben sein sollte, oder was wir beruflich und privat alles erreichen müssten. Und das kann gut und motivierend sein. Doch viele werden dadurch auch zu Getriebenen. Sören Kierkegaard sagte: «Der, der ich bin, grüsst wehmütig den, der ich sein möchte.» Bei all unseren Bemühungen kommen wir nur zu oft mit uns selbst in Konflikt und tun exakt das Gegenteil von dem, was wir uns vorgenommen hatten. Bereits Paulus hat diese Erfahrung gemacht. Er stellte verzweifelt fest in Römerbrief, Kapitel 7, Vers 15: «Ich verstehe es ja selbst nicht, was ich tue. Das Gute, das ich mir vornehme, tue ich nicht, aber was ich verabscheue, das tue ich.»
Wenn wir Probleme haben und nicht so können, wie wir eigentlich wollen, dann erleben wir zwei Dynamiken: Einerseits sehen wir uns oft als Opfer von Umständen oder Menschen. Wir meinen, dass es uns endlich bessergehen würde, wenn der Chef verständnisvoller, die Partnerin rücksichtsvoller wäre und so weiter. Andererseits erleben wir ein anderes Dilemma: Wenn wir nicht so können, wie wir wollen, springt in uns ein Selbstabwertungsprogramm an. Wir werden hart gegen uns und klagen uns selbst an: «Ich blöder Esel, ich bin einfach unfähig, ein Versager!» Wir werten uns innerlich ab und machen uns fertig. Dies ist jedoch keine hilfreiche Lösungsstrategie. Im Gegenteil, solche Selbstverurteilungen setzen uns nur noch mehr unter Druck.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht
bei den Christen im deutschsprachigen Europa ändern?
Abgesehen von der Beziehung zu Gott und zu anderen gibt es noch eine
wichtige Beziehung in unserem Leben: Die Beziehung zu uns selbst! Die
Beziehung, die wir zu uns selbst haben, beeinflusst jeden anderen Bereich und
jede Beziehung weit mehr als wir denken. Der Umgang mit sich selbst – ob
liebevoll oder verurteilend – bestimmt massgeblich unsere emotionale
Gesundheit, unsere Art, wie wir Beziehungen leben und wie wir mit
Schwierigkeiten umgehen. Erst wenn wir aus der Verbindung mit Gott unsere
Identität erneuern lassen, können wir auch uns selbst liebevoller begegnen, uns
mit uns selber versöhnen und barmherziger mit uns selbst umgehen. Dies ist oft
die Grundlage für einen nachhaltigen Veränderungsprozess und hat positive
Auswirkungen auf unser Umfeld. Wir kommen aus dem Funktionieren heraus und
erleben eine neue innere Freiheit, die zu mehr Lebendigkeit führt.
Zur Webseite:
Christoph Hickert und
Buchbestellung
Zum Thema:
Wie geht das praktisch?: Neue Gedanken denken
Grenzerfahrungen: Unsere Sehnsucht nach Lebendigkeit
Nach vielen Jahren mit Panikattacken: «Gottes Gegenwart verändert alles»
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet