Thesen für eine jüngere Kirche
Video-Botschaft von Jugendlichen an die Kirchenleitungen
Vor 500 Jahren nagelte der Überlieferung nach ein junger Mönch seine Forderungen in 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. Heutige Medien machen es einfacher: Noch jüngere Kirchenmitglieder sandten eine Video-Botschaft an die Kirchenleitungen. So sollte die Kirche aussehen, wenn sie für junge Menschen attraktiv sein will.Am «Reformaction Festival» in Genf hat die Nachwuchsförderung Theologie & Pfarrberuf gemeinsam mit der VBG (Vereinigte Bibelgruppen) einen Workshop unter dem Titel «Meine Thesen» durchgeführt. Es nahmen rund 100 Jugendliche daran teil, die meisten davon Konfirmandinnen und Konfirmanden. Die Frage an sie lautete: Was ist die Antwort eurer Generation auf leere Kirchenbänke? Wie sieht eure Kirche der Zukunft aus? Wie muss Kirche heute sein, damit ihr euch beteiligt? Im Gespräch mit Theologiestudierenden der Uni Basel und Zürich erarbeiteten die Jugendlichen Thesen zu Händen der Kirchenleitungen, die vom jungen Filmteam der Kirche BE-JU-SO danach auf Video aufgenommen wurden.
Die Wünsche und Forderungen der jungen Menschen gehen kreuz und quer; deutliche Schwerpunkte kristallisieren sich heraus:
«Parties feiern» – mehr Gemeinschaftsangebote
Gemeinschaft ist ein deutliches Stich- und Reizwort der Wünsche von Jugendlichen. Die Kirche müsse «Gefässe schaffen, wo aktive Gemeinschaft von Menschen aus den unterschiedlichsten Hintergründen möglich ist». Die Idee dazu ist auch vorhanden: «Die Kirche soll ein- bis zweimal im Jahr eine Party veranstalten, wo wir Spass in der Gemeinschaft haben». Und ausdrücklich: «Sie, Herr Locher, sind dazu auch eingeladen». Durch Parties könne man «mehr Jugendliche in die Kirche locken».
Modernere Gottesdienste
«Jugendliche hören moderne Musik; das passt mit der Orgel nicht so gut zusammen», sind die Jungen überzeugt. Darum wünschen sie sich einen «moderneren Jugendgottesdienst: modernere Musik, Aufgreifen von aktuellen Themen, interaktive Gestaltung und Elemente, die spielerischen Zugang ermöglichen». Jugendliche wollen die Gottesdienste «kreativ mitgestalten» – eigentlich eine gute Nachricht für jeden Pfarrer.
«Bekenntnis für Gott ablegen»
Junge Menschen haben ein Sensorium für echte Glaubensüberzeugung. Darum gab es auch ein deutliches Votum gegen Unverbindlichkeit und verwaschene Glaubensinhalte: «Man sollte ein Bekenntnis für Gott ablegen, wenn man eine Leitungsposition in der Kirche innehat – denn nur dann kann man das tun, was Gott will». Die Kirche solle «zum Glauben stehen» und die Offenheit der Jungen gegenüber dem Glauben fördern.
«Raus aus dem Getto» – mehr Präsenz in der Öffentlichkeit
Schliesslich wurde bemängelt, dass Kirche zu sehr auf ihr eigenes Programm fixiert sei. «Die Leute sehen sich nur im Gottesdienst.» Die Jugendlichen fordern «ausserkirchliche Gemeinschaftsangebote» und generell eine grössere «Präsenz der Kirche in der Öffentlichkeit», z.B. durch «Jugendangebote, Events, Festivals und Freiräume». Der konkrete Wunsch dazu: «Für jede politische Gemeinde fordern wir ein gemeinsames Jugendhaus, das täglich offen ist und von einer Fachperson betreut wird». Ein solches Jugendhaus soll ein «Treffpunkt für die katholische und evangelische Landeskirche und für alle Freikirchen» sein. Wichtig: «Das gemeinsame Programm soll die Beziehung jedes einzelnen zu Jesus Christus stärken».
Die Jugendlichen wären keine Vertreter der Postmoderne, wenn sich nicht durch alle Wünsche die Forderung hindurchgezogen hätte, offen zu sein für andere Ansichten und sich mit Menschen aus den unterschiedlichsten Hintergründen zu treffen. «Offenheit gegenüber Andersdenkenden und für neue Ideen» – das scheint Jugendlichen sehr wichtig zu sein.
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Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Youtube