Ökologie
Wenn Menschen nicht gegen, sondern mit der Natur arbeiten
Im März 2020 begannen engagierte Bürgerinnen und Bürger von Laufen BL und Umgebung mit den Vorbereitungsarbeiten für einen 1,2 ha grossen Permakulturgarten auf einer Industriebrache. Aus einem Gelände, das von Unrat und Brombeeren überwuchert war, ist bereits ein schöner Garten entstanden. Ein Projekt, das die Ziele einer werteorientierten Dorf-, Regional- und Stadtentwicklung (WDRS) beispielhaft umsetzt.Der Begriff Permakultur leitet sich ab von «permanent agriculture» – «dauerhafte Landwirtschaft». Mit Permakultur sollen die Lebensgrundlagen der Menschen dauerhaft gesichert werden: ökologisch, sozial und ökonomisch.
Systemisch handeln
Bei der Gestaltung von Permakultur werden ganze Systeme geplant, umgesetzt, erhalten und weiterentwickelt, um möglichst vielen menschlichen Grundbedürfnissen wie Nahrung, Energie und Lebensraum gerecht zu werden. Gleichzeitig sollen diese Systeme – sei es ein Garten oder in der Landwirtschaft – die Bodenfruchtbarkeit und die Vielfalt der Natur im Sinne der Biodiversität erhalten oder besser noch vermehren. Als Grundlage der Planung dienen langfristige Beobachtungen von Pflanzen, Tieren, sozialen Systemen und anderen Elementen in allen ihren Funktionen.
Die Permakultur hat dementsprechend drei ethische Grundlagen: die Sorge für die Erde, die Sorge für die Menschen sowie das gerechte Teilen und somit ein verantwortungsvolles Leben.
Das Projekt
Nach unzähligen Planungssitzungen und einer langen Suche nach geeignetem Land startete die Gruppe den Permakulturgarten Ende März 2020. An den Samstagen tummelten sich 10-15 Freiwillige auf dem Gelände, räumten Unrat weg und begannen mit dem Anlegen der ersten Pflanzbeete. Das Regenwasser der umliegenden Dächer wurde in Wassertanks aufgefangen. Eine Permakultur-Gärtnerin erstellte das «Design» – die Planung der verschiedenen Elemente wie Teiche, Hecken sowie Begegnungs-, Garten- und Wiesenzonen für das wichtige Mulchmaterial. Auch ein Ökonomiegebäude und ein Bereich für die Kompostproduktion wurden definiert. Der Verein sicherte sich ab durch Partnerschaften mit Bio-Bauern und mit einer Kantine. Die Rüstabfälle der Kantine wurden für die Gewinnung von Bokashi verwendet. So wurde ein Kreislauf von Produktion, lokalem Absatz und Abfallverwertung geschaffen. Dank einer Anschubfinanzierung durch Swisslos konnte der Verein das nötige Material wie Wassertanks, Pumpe und eine Tropfbewässerung kaufen. Ein Nachbar beschenkte die Gruppe mit Werkzeug und Baumaterial.Nebst der nachhaltigen Produktion von Gemüse und Früchten hat dieses Projekt aber auch ein soziales Ziel: Langzeitarbeitslose, die von der Sozialhilfe leben, sollen in diese Gemeinschaft integriert werden und wenn möglich den Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden. Deshalb wurde eine Zusammenarbeit mit der Hochschule für Soziale Arbeit in Muttenz und der Fachstelle für Arbeitsintegration in Laufen aufgebaut. Letztere verknüpft das Projekt mit sozialen Organisationen, die der Gruppe Teams vermittelt. Die Teamarbeit im Garten ist für Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, erstaunlich heilsam. Sie entwickeln neue Lebenslust, reden, lachen und freuen sich an den sichtbaren Fortschritten, zu denen sie einen Beitrag leisten konnten.
Fazit nach der ersten Saison
Trotz der Einschränkungen durch die Coronaregeln konnte sich die Gruppe auf dem weiträumigen Gelände regelmässig treffen – zum Arbeiten, aber auch zum gemeinsamen Essen und Feiern. So konnte die Umsetzung dieses Projektes einem Lockdown der Herzen entgegenwirken und die Gemeinschaft fördern. Ein Höhepunkt war die Einweihungsfeier mit Gästen aus Politik, der Gastrobranche und vielen Menschen, die mit dieser Idee sympathisierten. Aus Mitgliedern des Vereins wurde spontan ein klassisches Ensemble gebildet, das bei der Einweihung freudig aufspielte.
Das Gemüse gedieh prächtig. Auf einer Fläche von 150 m2 konnten hunderte von Kilos Kürbisse, seltene Tomatensorten, Auberginen, Fenchel u.a. geerntet werden. Die Köstlichkeiten auf dem offenen Feld entgingen natürlich auch den Schnecken nicht. Sie überfielen die Beete zu hunderten. Das löste im Team eine heftige Diskussion aus: Sollte man die Schnecken gewähren lassen oder hatte der Schutz der Kulturen den Vorrang? Gesucht waren andere Methoden als das Streuen von Schneckenkörnern. Ein Bauer gab schliesslich den entscheiden Tipp. Schnecken fressen zuerst welke Pflanzen. So wurden die Pflanzenabfälle bewusst an den Rand der Beete abgelegt. Sie bildeten fortan einen «Fressbalken». Und siehe da: Die Schnecken hatten ihr Festmahl und die Gruppe schönes Gemüse.
Der Weg zum Ziel
Zehn Jahre wird es dauern, bis die Vision eines sich selbst regulierenden Ökosystems voll funktionsfähig sein wird. Auch das Aufbauen einer regelmässigen Kundschaft über Gemüse-Abos und eine gelingende Arbeitsintegration bleiben echte Herausforderungen. Die Gruppe braucht Finanzen und noch mehr Leute, die mit Herzblut anpacken. Dennoch nimmt das Bild eines kleinen Paradieses am Rand einer Industriezone mehr und mehr Form an. Ziel ist die finanzielle Autonomie mit einem Garten, bei dem fast alles von Hand gemacht wird, mit Kulturen, die als Pfanzengemeinschaft angebaut werden und so erstaunliche Erträge abwerfen. Dabei wird der Boden nicht ausgelaugt. Er verbessert sich im Gegenteil dank der günstigen Lebensbedingungen für Mikroorganismen.Die Laufener Gruppe zählt sich nicht zu den Pionieren. Schliesslich gibt es schon zu viele Beispiele von gut funktionierenden Permakulturgärten auf der ganzen Welt. Sie wurde aber von Permakulturpionieren wie Sepp Holzer aus Österreich oder Charles und Perinne Hervé-Gruyer aus der Normandie inspiriert. Und sie möchte mit ihrem Beispiel viele Menschen über das Laufental hinaus inspirieren und zum Umdenken anregen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Forum Integriertes Christsein. Der Newsletter des Forums kann hier kostenlos abonniert werden.
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Autor: Peter Seeberger
Quelle: Forum Integriertes Christsein