Endlich kehrt Beruhigung ein

Libanon: Neuer Premier ist Vertrauensmann der Christen

Libanon galt lang als «Schweiz des Nahen Ostens». Zuletzt war daraus ein Sumpf korrupter Politiker und Grossunternehmer geworden. Sozialer Frieden und Stabilität brachen zusammen, das Volk ging auf die Strassen. Jetzt bringt der recht unbekannte, vor allem unbelastete Computerwissenschaftler Hassan Diab als neuer Premier Beruhigung und Hoffnung. Das Vertrauen der libanesischen Christen ist dafür ein entscheidender Faktor.

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Hassan Diab
Für Libanon zeichnet sich nach monatelanger Unrast nun doch ein friedlicher Jahresanfang ab. Die Strassen von Beirut füllen statt Dauerdemonstranten wieder Kauflustige, Spaziergänger und auch Kirchgängerinnen mit ihren Familien. Im südlichen Saida wandeln sich die Zeltstädte des Aufruhrs zu Versorgungsstätten für Bedürftige.

Die Unrast ist abgeflaut, ihr sozialer Nährboden aber geblieben. Die «Missionary and Christian Alliance Church», eine Kirche der Heiligungsbewegung aus den USA, hat mit ihren libanesischen Helfern, den «Guerillas for God», den Auftrag erkannt, nach den Demonstrationen sofort  Hilfe zu leisten.

Blutzeugin für Jesus

Libanons viertgrösste Stadt wird heute hauptsächlich von landflüchtigen, verarmten Schiiten bewohnt. Rundum Lager von Palästina-Flüchtlingen, die noch bedürftiger sind, vor allem jedoch radikaler. Der christliche Einsatz in Saida, mit dem schon im Jahr 1861 Kaiserswerther Diakonissen und Johanniter begonnen hatten, besitzt daher auch seine Märtyrerin: die amerikanische Hebamme Bonnie Weatherall. Nachdem sie zahlreichen Müttern und Kindern das Leben im Namen des lebendigen Jesus gerettet hatte, wurde am Morgen des 21. November 2002 an die Tür der evangelischen Klinik von Saida geklopft. Bonnie dachte an eine dringende Entbindung, sah sich aber mit einem Mordkommando der islamischen Terrormiliz Al-Kaida konfrontiert. Drei Kopfschüsse schickten sie für Jesus in den Tod…

Löhne verschwanden in den Banken

Die heutige Beruhigung wird dem neuen Regierungschef Hassan Diab gut geschrieben. Er konnte gleich aufdecken, dass die allgemeine Verelendung weitgehend auf Konto der Banken ging. Sie liessen Gehälter und Löhne in ihren Kassen verschwinden. Die beiden bisher tonangebenden Ministerpräsidenten Hariri – Vater und Sohn – hatten fast nur die Bauwirtschaft und die Interessen von Saudi-Arabien vertreten. Nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs von 1975 bis 1990 bekam zwar zwangsläufig der Wiederaufbau Vorrang und wurde auch als Wirtschaftswunder gefeiert, bestand aber im Mörteln und Betonieren ohne allgemeinen Aufschwung und Sozialboom.

Der Mann von der Presbyterianer-Uni

Jetzt repräsentiert der 60-jährige Hassan Diab ein viel breiteres Spektrum. Wie es Libanons «Nationalpakt» verlangt, kommt er aus den Reihen der sunnitischen Muslime. So gut wie seine ganze Laufbahn hat er jedoch als Elektroniker an der Amerikanischen Universität von Beirut (AUB) zurückgelegt. Die wurde 1866 von Presbyterianermissionaren aus den USA gegründet. Obwohl Theologie inzwischen ausgeklammert ist, steht die AUB für eine christlich Haltung. Die neue Regierung Diab wird daher von einer Mehrheit libanesischer Christen unterstützt.

Evangelische als Hebel für die Sozialreform

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Edgar Trabelsi
«Auch ich habe im Parlament für Hassan Diab gestimmt», sagt Libanons einziger evangelischer Abgeordneter – unter 128 – Pastor Edgar Trabelsi. «Insgesamt dürften wir Evangelischen allesamt von den Anglikanern bis zu den Freikirchen in ganz Libanon nur 50'000 Frauen und Männer zählen, sind die kleinste religiöse Gemeinschaft», erklärt der Soziologe Martin Akkad vom Seminar der Baptisten im Beiruter Vorort Metn: «Unser weit grösserer Einfluss im Bildungswesen und der Öffentlichkeitsarbeit kann uns aber zu einem wichtigen Hebel für die jetzt unumgängliche System- und Sozialreform machen.»

Müllberge stanken zum Himmel

Die Regierungszeiten von Rafiq und Saad al-Hariri prägte ein Primat des Geschäftemachens der Grosskonzerne und -unternehmer, zu denen sie selbst gehörten. Schmiergelder in Millionenhöhe waren an der Tagesordnung, während für das Volk nur Almosen übrig blieben. Unter den Hariris wurden auch die öffentlichen Versorgungsbetriebe privatisiert und gelangten in den Besitz von Politikern, die sich daran krumm verdienten und nicht darum scherten, wenn das Trinkwasser verschmutzte und verknappte oder die Müllberge zum Himmel stanken.

Verstrauensvorschuss für christennahen Diab

Unter dem Doppelslogan «Es stinkt – ihr stinkt» an die Adresse der libanesischen Führung hatte das breite Aufbegehren in der Bevölkerung schon 2015 seinen Anfang genommen. Der Zustrom von mehr als eineinhalb Millionen Flüchtlingen aus Syrien machte die Lage noch unerträglicher. Doch jetzt wird für 2020 der Regierung Hassan Diab ein Vertrauensvorschuss auf rasches und unbestechliches Handeln gewährt. Nicht zuletzt dank ihrer Christennähe…

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Datum: 07.01.2020
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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