«Ordentlich Staub aufgewirbelt»

9 Stutz pro Tag – was nach der Fastenzeit bleibt

Das Pfarrerehepaar Stefan und Christine Moll lebte in der Fastenzeit mit neun Franken pro Tag und Person. Es hat mit dieser Fastenaktion gegen die Kürzung der Sozialhilfe an Flüchtlinge und Asylsuchende protestiert. Wir fragten nach ihren Erfahrungen und einem Fazit.

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Christine und Stefan Moll
Livenet: Was war für Sie in dieser Zeit am schwierigsten?
Stefan und Christine Moll:
Ohne Schokolade oder Fleisch zu leben, ist nicht so schwer. Aber richtig schwierig war, soziale Kontakte wahrzunehmen. So konnten wir nicht zu Freunden gehen, weil wir kein Geld für das Billet hatten. So können auch Asylsuchenden unsere Gottesdienste nur besuchen, wenn sie zu Fuss kommen können. 

Weiter haben wir gelernt, wie sehr die Kürzungen der Tagesgelder für Asylsuchende mit der Botschaft verbunden ist: «Wir wollen euch nicht.» Unser Ziel ist die Inklusion aller. Die kaltherzige Ablehnung von Menschen ist für uns Methodisten unerträglich. Während der Fastenzeit 2018 hat sich das soziale Klima verschärft. Es sind weitere Einschnitte geplant. Dieser Geiz und die daraus folgende menschlich-soziale Kälte schmerzen sehr: Das auszuhalten, ist am schwierigsten.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus Ihren Erfahrungen?
Man kann denjenigen besser verstehen, in dessen Schuhen man 40 Tage gegangen ist. Wir haben in dieser Zeit viel von Asylsuchenden und auch von Schweizern in finanziellen Nöten gelernt. Daneben haben wir ordentlich Staub aufgewirbelt in den Medien. Es ist an der Zeit, auf sozialen Geiz hinzuweisen. Die Schlussfolgerung: Methodisten können aufstehen und in der Gesellschaft etwas bewegen. Allerdings müssten sie es gemeinsam tun.

Fasten ist eine geistliche Übung. Was hat Ihre Aktion mit (methodistischer) Spiritualität zu tun?
Wir brauchen Fastenzeiten, um zu lernen. Trotz aller Einschränkungen hatten wir immer mal wieder Besuch. Es ist eine wichtige Übung, keine Angst zu haben und zu vertrauen, dass genug für alle da ist. Tatsächlich hat es immer gereicht. In Fremden oder in (finanziell) bedrängten Menschen begegnet uns Gott. Weil wir durch unsere Fastenaktion näher an Asylsuchende herangerückt sind, ist uns auch die Barmherzigkeit von Gott für uns wichtig geworden. Liebe zu Gott und Nächstenliebe lassen sich nicht trennen; Lobpreis und echte Anteilnahme sind zwei Seiten derselben Medaille.

Zum Thema:
9 Franken pro Tag: Pfarrer-Ehepaar Moll: «Für uns war die Aktion naheliegend»
Change! – Thesen für die Kirche: Stefan Moll: «Wir sollten aufhören zu missionieren»
«Auf Augenhöhe»: Gottesdienst mit Asylbewerbern und Obdachlosen

Datum: 08.04.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

Kommentare

Das Stichwort "sozialer Geiz" ist gut! Jeder Flüchtling kommt aus einer Familie, er hat die Alten, Kranken, Behinderten zurückgelassen und ist in die reichen Länder der Welt geflüchtet. Wenn man ihm hier jeden Tag ein finanziell erfülltes Leben schenkt, geizt man mit den sozial Schwachen. Man kann aber nicht seine gesamte Verwandtschaft herholen, dies hätte einen Sogeffekt, die reichen Länder der Erde wären schnell auch arm, wenn Millionen von Armen kämen; niemand wäre damit geholfen. Die Lösung kann also nur sein, mit dem Flüchtling ein Konzept auszuarbeiten, wie er wieder froh und gestärkt zurückgehen kann und seiner Familie helfen: z. B. durch das Lernen von christlichen Tugenden etc.

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