Nach der Scheidung

Aus Überzeugung allein geblieben

Corinne Müller erlebte, was sich niemand wünscht: Ihre Ehe zerbrach vor rund fünf Jahren. Sie entschied sich, Gott trotz allen quälenden Gedanken und Fragen weiter zu vertrauen. In unserer Serie zum Umgang mit Scheidung erzählt sie, wie sie mit dem Alleinsein umgeht.

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Corinne Müller
«Wir alle sind gescheitert – jeder auf seinem Gebiet», sagte Roger Götz von FamilyLife im Livenet-Interview vom 12. Juli 2014. Besonders im Zusammenhang mit Scheidungen sei wichtig, dies im Blick zu halten. Die Scheidung sei zwar eine der gravierendsten Formen von Scheitern, die es im Leben gebe, aber Gott könne eine neue Chance geben, wenn eine Ehe nicht mehr zu retten sei. Eine neue Chance muss nicht gleichbedeutend mit einer neuen Beziehung sein. Auch Menschen, die sich entscheiden, den Weg allein zu gehen, können das Leben als sehr schön und erfüllend erleben. So erlebt es Corinne Müller aus der Zentralschweiz. Sie erzählt, wie sie als Christin mit dem Scheitern in der Ehe und dem heutigen Alleinsein umgeht:

Corinne Müller (33 Jahre) erzählt:

«Die letzten Jahre unserer Ehe verbrachten wir ohne Gemeinde. Mein Glaubensleben war schon damals nur noch auf wackligem Boden und die kommenden Monate und Jahre waren eine einzige Zerreissprobe. Die Ereignisse und Gefühle überschlugen sich: Schock, Trauer, Wut, Unverständnis, Schmerz, Scham, Hoffnungslosigkeit, Existenzängste, Behördengänge und all das wurde begleitet von vielen quälenden Fragen an Gott, aber auch an mich. Wie konnte es so weit kommen? Wieso lässt der liebende Gott all das zu? Aber der liebende Gott hat uns Menschen einen Verstand und einen freien Willen gegeben, und so musste ich mir selber eingestehen, dass ich viele Fehler gemacht hatte.

Die bewusste Entscheidung

Eins war mir schnell klar; ich musste mich entscheiden. Entweder würde ich jetzt noch einmal bewusst Ja sagen zu einem Leben mit Gott oder dann zu einem Leben als Atheistin. Will ich unserer Tochter lehren und vorleben wer Jesus ist oder ihn verleugnen? Ich entschied mich für ersteres und liess mich ein gutes Jahr nach der Trennung taufen.

Ich bin geschieden. Was heisst das für mich (ich betone «für mich», es gibt sicher auch andere Ansichten)? Geschieden zu sein ist definitiv nicht Gottes Plan für uns Menschen, es ist nichts, wofür man sich rühmen könnte, es ist weder cool noch easy, da gibt es nichts schönzureden und dazu stehe ich. Eine Scheidung ist eine Sünde unter vielen, die Gott uns ersparen möchte. Doch wir Menschen stolpern leider immer wieder über Gottes Gebote. Kein Mensch ist ohne Sünde, so steht es in Römer 3,10-12 wie auch in Johannes 8,7-11. Jesus verurteilt uns nicht, er freut sich an Menschen, die bekennen und umkehren.

Die Reaktion der Mitchristen

Viel Erbauung, Heilung, Hoffnung und Zusagen für die Zukunft durfte ich von lieben Glaubensgeschwistern erfahren, sowie auch in einer fünfmonatigen Jüngerschaftsschule, die ich zusammen mit meiner Tochter im Ausland absolvierte. Ich war von Anfang an sehr kritisch eingestellt bezüglich einer neuen Liebe, einem neuen Mann. Das hat nichts mit Männerhass zu tun. An erster Stelle steht immer mein Kind und ich konnte mir nie eine neue Beziehung vorstellen, die für alle Beteiligten glücklich wäre. Und so sind wir auch nach fünfeinhalb Jahren noch allein.

Sicher, Gott hätte uns beschenken und versorgen können mit einem neuen Mann, wie z. B. in der biblischen Geschichte von Ruth. Aber er versorgt uns trotzdem, eher wie bei der Geschichte der armen Witwe in 2. Könige 4,1-7. Er versorgt uns mit einer grossartigen Familie und Freunden, die für meine Tochter sorgen, wenn ich arbeite. Alleine für alles verantwortlich zu sein, die Erziehung, das Einkommen, die Sorgen und Probleme, das ist hart. Aber ich glaube, dass wir das mit Gottes Hilfe schaffen, und dass er der Vater meiner Tochter ist wie es in Matthäus 23,9 steht: «Niemanden auf der Erde sollt ihr 'Vater' nennen, denn nur einer ist euer Vater: Gott im Himmel.»

Der Wunsch für das alltägliche Leben

Für den Alltag in der Gesellschaft wünsche ich mir, dass ich als ganz normaler Mensch angesehen und behandelt werde, nicht besser oder schlechter als andere. Für die christlichen Gemeinden wünsche ich mir, dass Geschiedene nicht ausgegrenzt werden, dass sie ihr Potential einbringen können, aktive Mitglieder sein dürfen. Ich wünsche mir, dass wir auch als Singles geschätzt werden. In der Bibel finden wir sogar ein wahres «Hohelied für ein eheloses Leben» in 1. Korinther 7. Leuten, die mir immer die Fehler der Vergangenheit vorhalten und solche, die mir einreden wollen, ich müsse jetzt einen Mann suchen, sind mir zuwider. Jede Scheidung hat ihre eigene tragische Geschichte, endlose Fragen über das genaue Warum und Weshalb sind da völlig fehl am Platz.

Ich freue mich, wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, wenn ich auch mit einem Mann reden kann, ohne als Verführerin da zu stehen und ohne gleich gefragt zu werden, ob das mein Mann sei. Die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern. Was passiert ist, ist passiert. Es gilt jetzt in der Gegenwart zu leben.»

Haben auch Sie eine Trennung oder Scheidung hinter sich und brauchen Unterstützung? Hier geht's zu den Infos und Kursdaten von «lieben – scheitern – leben».

Zum Thema:
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Datum: 24.07.2014
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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