Single sein – ein ehrenhafter Stand
Er oder sie sehnt sich manchmal einfach nur nach Ruhe, nach Zeit für sich – zurück zu der Zeit, als man noch wirklich ausschlafen konnte und nicht bereits morgens um sechs die Kinder herumtobten. Ironie des Schicksal, möchte man meinen. Vielleicht hat es aber auch mit mangelnder Akzeptanz des eigenen Lebensweges, mit rosaroten Beurteilungen von Situationen oder sogar mit Undankbarkeit zu tun.
Single sein – verheiratet sein
Beide Lebensbilder, ob Single oder verheiratet, sind im Grunde genommen Themen für sich. Jeder dieser beiden Stände kann sein Leben relativ unabhängig von dem anderen gestalten. Man geht sich zwar nicht aus dem Weg, aber dennoch meidet man die jeweils standesbezogenen Geselligkeiten. So nehmen Singles eher selten die „Ach, komm doch auch“-Einladung zum Pärchen-Spieleabend an; genauso wenig wie Verheiratete ein Single-Treffen besuchen. Sehr oft fühlen sich Verheiratete und Familien von Singles nicht verstanden und Singles fühlen sich in der Gegenwart von Ehepaaren selten gut aufgehoben.
Ziel sollte es daher sein, das Verständnis für die beiden unterschiedlichen Stände untereinander zu wecken. Doch ehe das geschieht, muss jeder Einzelne erst einmal wieder selbst ein entschlossenes und bewusstes Ja zu seinem eigenen Stand finden. Erst wenn dieses vorhanden ist, kann auch das Verständnis füreinander und untereinander wachsen. Die Bibel gibt dabei gute Argumente und Gesprächshilfen, sowohl für den einen als auch für den anderen Stand.
Zunächst einmal lobt sie den Stand der Ehe und redet davon, dass er ein grosses, von Gott gegebenes Geschenk ist: „Und Gott der Herr sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei“ (Die Bibel, 1. Mose, Kapitel 2, Vers 18). Gleich auf den ersten Seiten der Bibel, in den Anfängen der Menschheitsgeschichte, schafft Gott den Raum für Ehe und nennt ihre stärkste Seite: nicht mehr allein sein zu müssen, jemanden zu haben, der einem eine Hilfe ist. So beschreibt es auch das Buch des Predigers Kohelet: „Zwei sind allemal besser dran als einer allein. Wenn zwei zusammenarbeiten, bringen sie es eher zu etwas. Wenn zwei unterwegs sind und hinfallen, dann helfen sie einander wieder auf die Beine. Aber wer allein geht und hinfällt, ist übel dran, weil niemand ihm helfen kann“ (Prediger, Kapitel 4, Verse 9 und 10).
Single sein – mit Leib und Seele
Spannend ist nun die Tatsache, dass es auch Bibelstellen gibt, die das Singlesein als erstrebenswert herausstellen. Der Apostel Paulus zum Beispiel war mit Leib und Seele Single und sagte, dass er sich nichts Besseres vorstellen könnte. Er geht sogar soweit, dass er sagt: Ich wollte, alle wären wie ich ledig, ungebunden und damit in einem höheren Masse frei für Gott. „Ich wünschte zwar, jeder würde wie ich ehelos leben. Aber wir sind nicht alle gleich! Wenn ich daran denke, welch schwere Zeiten uns bevorstehen, scheint es mir das Beste zu sein, wenn man unverheiratet bleibt. [...] Bist du noch frei, dann bleibe es auch und suche nicht überall nach einer Frau. [...] Das gilt in gleicher Weise für Männer und Frauen... Wer unverheiratet ist, kann sich uneingeschränkt für die Sache Gottes einsetzen und so dem Herrn gefallen... Ich sage dies alles nicht, um euch irgendwelche Vorschriften zu machen, sondern um euch zu helfen. Ich möchte, dass ihr ein vorbildliches Leben führt und unbeirrt nur das eine Ziel verfolgt, dem Herrn zu dienen“ (1.Korinther, Kapitel 7, Verse 7 und 26f).
Sind das nun Widersprüche in der Bibel? – Nein, aber die Aussagen sind ein deutliches Indiz dafür, dass die Bibel beide Lebensmöglichkeiten vorsieht. Beide Stände haben ihre starken wie auch ihre schwachen Seiten.
Single sein – ein ehrenhafter Stand
Manchmal hat es aber den Anschein: Verheiratet zu sein ist das Bessere, das eigentlich Richtige. Hier und da wird dann einem Single geradezu bedauernd und taktlos signalisiert: „Na, hat’s noch mit keinem geklappt?“ Besonders Verwandte und Freunde können an dieser Stelle sticheln. Ich habe einmal von einer jungen Frau gehört, deren Tante zu ihrer 35-jährigen ledigen Nichte sagte: „Eigentlich bist du doch ganz normal, aber dass du keinen Mann findest, verstehe ich einfach nicht.“ Mit solchen oder ähnlichen Phrasen wird suggeriert: Irgendetwas stimmt mit dir nicht. Dieses Denken und diese Signale sind falsch. Sie verletzen den Single, reduzieren ihn in seinem Wert nur auf das Partnerglück und tun weh. Der Single wird in seinem Stand nicht mehr als vollständige Persönlichkeit angesehen.
Paulus hingegen empfand seinen Stand als Single sogar erstrebenswerter als verheiratet zu sein. Doch oft wird der Spiess umgedreht. In den meisten Fällen gibt es niemanden, der einen Single in seinem Stand ermutigt. Im Gegenteil: Die Ehe gilt als das einzig ehrenhafte und erstrebenswerte Ziel.
Schnell geraten Singles bei einer solchen Sichtweise ins Abseits. Aber warum? – Schliesslich sind ein Drittel aller Haushalte in Deutschland Einpersonenhaushalte. Die einen gewollt, die anderen ungewollt, manche geschieden, andere verwitwet. Viele dieser Singles leiden unter Minderwertigkeit und Unvollkommenheit. Sie empfinden sich – noch allein oder wieder allein – nicht als ganze Persönlichkeiten. Sie fühlen sich fehl am Platz, wenn Sie bei Festen und anderen Anlässen, oft genug auch vor oder nach dem Gottesdienst, neben Familien und Paaren stehen.
Diese Gefühle brauchen nicht zu sein und sollten auch nicht sein, denn in der Bibel finden wir eine völlige Gleichwertung von verheiratet und Single sein. Jesus durchbricht sogar die jüdische Tradition, indem er die Heiratspflicht aufhebt (Die Bibel, Matthäus, Kapitel 19). Als Single zu leben ist heute normal, und wir sollten das deswegen nicht als minderwertig empfinden. Denn jeder der Single lebt biblisch gesehen in einem ehrenwerten Stand.
Single sein – keine leichte Aufgabe
Auch wenn Single sein ein ehrenwerter Stand ist, so ist dieser Stand genauso wie der Stand der Ehe ein Stand, an dem man immer wieder arbeiten muss, um darin glücklich zu sein. Dazu gehört vor allem, dass man die Falle des Selbstmitleides vermeidet. Denn Selbstmitleid ist besonders für Singles eine grosse Gefahr: „Ach die anderen, die haben ja alle jemanden, denen geht es ja allen besser. Ich allein bin übriggeblieben“ – solche Gedanken zermürben. Man schafft sich damit weder sich selbst eine Freude noch seinen Freunden. Denn man wirkt auf andere Menschen nicht attraktiv, wenn man sich ständig im Selbstmitleid badet.
Natürlich möchte jeder irgendwann einmal seine Träume und Vorstellungen erleben, das erstrebte Glück geniessen, doch dann ist da immer diese eine Spitze, die einen plagt und piesackt. Aber diese unerfüllten Wünsche sind für unser Leben wichtiger als erfüllte. Wie viele Menschen haben sich den Wunsch erfüllt, zu heiraten und führen danach ein unerfülltes Leben. Wie viele haben jahrelang an dem Wunsch nach einem eigenen Haus gearbeitet, und sobald sie darin lebten, fiel ihnen die Decke auf den Kopf. Die Auseinandersetzung mit unseren unerfüllten Wünschen ist wichtiger für unser Leben als die mit unseren erfüllten. Denn in den Unerfüllten liegt die Kraft zu innerer Stärke und die Chance, dass letztlich die Beziehung zu Jesus zum Wichtigsten und Liebsten in unserem Leben wird. So schrieb einmal der bekannte russische Schriftsteller Dostojewski, ein Mann, der Epileptiker war: „Habe dein Schicksal lieb, denn es ist der Weg Gottes mit deiner Seele.“
Mit unerfüllten Wünschen leben heisst also, Bitterkeit und Groll Gott und Menschen gegenüber loslassen. Es bedeutet auch offen zu werden für neue Wege, die Gott zeigt. Denn auch wenn ich nicht alles habe, was ich mir wünsche, so bin ich dennoch reich in dem, was mir Gott jeden Tag neu schenkt.
Single sein – eine besondere Chance
Singles sollten daher ihre besondere Chance nutzen. Sie sind relativ frei in der Gestaltung der Lebensabläufe. Sie sind unabhängig und können das tun, was sie für richtig halten. Und genau darin liegt eine besonderes Potenzial. Denn so wie Paulus es sagt, haben sie eine besondere Chance, Kraft und Zeit im Reich Gottes zu investieren. Aber Vorsicht! Singles leben auch nicht nur von Arbeit. Sie brauchen auch einen Ausgleich, den viele andere in der Familie finden. Und dennoch, ist es eine besondere Chance, wenn man ungebunden ist. Aufgaben im Reich Gottes anzupacken wird einen guten Teil der Leere, die man dann und wann empfindet, ausgleichen. Das ist kein billiger Trost oder Ersatz, es ist einfach, wie Paulus es sagt, eine Aufgabe.
Autor: Uli Limpf
Quelle: Neues Leben