Jesus und die Hungernden

Die Steuern der römischen Besatzungsmacht und die Geldgier mächtiger Familien und Zolleinnehmer drücken die Menschen in Judäa und Galiläa nieder. Viele leben von der Hand in den Mund. Der Hunger ist ihr Gefährte, die Mahlzeiten karg. Daran ändert auch Jesus nichts. Doch er gibt dem Hunger eine neue Dimension.

Der Kreis der Männer, mit denen Jesus durchs Land zieht, hat einen Geldbeutel, aus dem Nahrungsmittel bezahlt und Spenden an die Armen gegeben werden. (1) Jesus hat kein eigenes Haus, (2) und sein Tag beginnt nicht mit einem üppigen Frühstück. Einige Frauen sind dafür besorgt, der Gruppe Nahrung zu verschaffen. (3) Manchmal übernachten die Männer im Freien, und kommt es vor, dass Jesus am Morgen, wenn sie losziehen, hungrig an einem Feigenbaum Früchte sucht. (4)

40 Tage ohne Nahrung

Er ist nicht in einem reichen Haus aufgewachsen. Mit harter Arbeit hat Josef, der als sein Vater gilt, die Familie durchgebracht. Nicht da, aber in der Wüste hat Jesus gehungert: Er hat Hunger auf sich genommen, als er fastete. (5) 40 Tage und Nächte hat er sich Nahrung versagt, um sich vorzubereiten auf seine Mission, das Kommen von Gottes Herrschaft anzusagen und zu verwirklichen. 40 Tage, in denen sich bestätigte, was er in der Heiligen Schrift (6) las: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“

Der innere Hunger

Gottes Worte sind Nahrung für den inneren Menschen. Wenn der Magen knurrt und Brot will, wonach verlangt die Seele? Was kann sie wirklich sättigen? Einmal sagt er seinen Freunden, was ihn zutiefst nährt: „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen.“ (7) Er ist darin ein frommer Jude, dass er den Willen Gottes nicht bloss erfassen (und predigen), sondern auch in allem selbst tun, selbst erfüllen will. Dass dies ihm Kraft gibt und körperliche Nahrung zwischendurch überflüssig macht, weist ihn als spirituellen Meister aus.

Jesus trifft ständig auf bedürftige Menschen und schwere Nöte. Ihnen zu helfen, sie zu heilen und zu trösten, braucht unerhört viel Inspiration und innere Energie. So ist er ein Hungernder, der im Gebet zu Gott um Kraft ringt, oft in der Nacht oder früh am Morgen. (8)

Was macht satt?

Was Gott, der Heilige, will, ist das Gerechte. Gerechtigkeit wird sehr konkret, wird zum Massstab für umfassende Lebensqualität. Es geht darum, dass sich Menschen in allem so verhalten, wie es Gott, der gütige Vater, durch seinen Bund mit ihnen möglich macht und gebietet. Die Zehn Gebote fassen zusammen, was er will. Vor diesem Hintergrund ruft Jesus aus: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.“ (9)

Dieser Satz – es ist eine der Seligpreisungen – ist ein Schlüsselsatz des Wanderpredigers von Nazareth. Seinen damaligen Zuhörern, aber auch uns heute, stellt er die Frage: Sucht ihr den Hunger der Seele mit dem zu stillen, was Gott bereit hält? Erkennt ihr am körperlichen Hunger, dass auch der innere Mensch Nahrung braucht?

Brotwunder als Hinweis…

Die leeren Bäuche vergisst er nicht. Einmal stillt Jesus den körperlichen Hunger von vielen tausend Menschen, die von weither zu ihm gekommen sind, ihm zuhören und dabei alles andere vergessen. Plötzlich ist Abend – und kein Supermarkt in der Nähe. Was tun? Die Freunde von Jesus sind völlig überfordert, greifen sich an den Kopf, als er sagt, sie sollten für die riesige Volksmenge Essen besorgen. Wie denn?? Ein Knabe hat fünf Gerstenbrötchen und zwei Fische in seiner Tasche. Jesus genügen sie: Er dankt Gott und beginnt zu verteilen – und Brote und Fische vermehren sich wunderbar, bis alle genug gegessen haben. (10) Ein unerhörtes Wunder!

Der Wundertäter verschwindet in der Nacht – sonst würde ihn die begeisterte Menge zum König machen. Doch am anderen Tag findet sie ihn wieder. Da erläutert er den Sinn der Speisung. Sie ist ein Gleichnis dafür, dass er selbst als Gottes Gesandter Nahrung für die Seele der Menschen ist. „Ich bin das Brot des Lebens“, sagt er. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit.“ (11) Und er verspricht, dass keiner zu kurz kommen oder gar abgewiesen werden wird, der nach dieser Nahrung verlangt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstossen.“ (12)

…aufs grosse Festessen

„Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden“: Jesus verharmlost den Hunger keineswegs, sondern bietet jetzt Nahrung an. Er lässt sich nicht zum König machen, der in einem Palast residiert, sondern bleibt bei den Hungrigen. Die Herrschaft Gottes ist zwar angebrochen, aber noch nicht vollendet. In einzelnen Momenten des Wunders ist die Freude des Festes schon da, das Gott für seine Menschen vorbereitet, die Freude des Festes, wo kein Mangel mehr sein wird. (13) Dieses Fest wird bei Gott stattfinden – der Hunger nach Gerechtigkeit ist der Weg dazu.

Die vier Evangelisten der Bibel haben das Wirken von Jesus geschildert.
(1) Die Bibel, Johannes, Kapitel 13, Vers 29
(2) Vermutlich eine Mietwohnung, Matthäus 8,20, vgl. Markus 2,1; 7,17; 9,33
(3) Lukas 8,3
(4) Matthäus 21,18
(5) Matthäus 4,2
(6) 5. Mose 8,3
(7) Johannes 4,34
(8) Markus 1,35-37
(9) Matthäus 5,6
(10) Johannes 6,2-13
(11) Johannes 6,48-51
(12) Johannes 6,37
(13) Lukas 14,15-24


Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch

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