Erwartung und Erfüllung: Der Messias Jesus und das Alte Testament

Im ersten Teil seines Artikels über Messiaserwartung
hat Hanspeter Obrist beschrieben, wie sich die Vorstellungen über den ‚Gesalbten’ im Judentum entwickelten. Hier legt er dar, wie sich jahrhundertealte prophetische Aussagen im Leben von Jesus von Nazareth erfüllten.

Um Christi Geburt gab es drei unterschiedliche Messiaserwartungen. Die Sadduzäer lehnten jede übernatürliche Einwirkung ab. Die Pharisäer hofften auf eine endzeitliche Erlösung, die sich aber in der Realität unmittelbar beweisen musste. Die Essener und später auch die ersten Christen setzten auf eine geistliche Realität, die sie im Glauben annahmen wie Abraham, auch wenn die wörtliche Erfüllung noch ausstand.

Gott steht zu seinem Wort

In der Bibel wird die Erfüllung der Verheissungen immer erwartet, weil Gott zu seinem Wort steht. Doch sie berichtet auch davon, wie manche Menschen lange auf die Erfüllung einer Verheissung warten mussten oder sie gar nicht mehr erlebten, wie das bei Abraham oder auch bei den Propheten der Fall war. Doch es waren gerade diese Menschen, die Gott wegen ihres Vertrauens besonders hervorhob und segnete.

Vernichtung des Bösen

Bereits im Paradies richtete Gott den Blick darauf, dass der Kopf der Schlange zertreten werden muss und sich dabei ein Nachkomme der Frau verletzen wird (1.Mose 3,15). Das Heil wurde von Anfang an nicht in einer heilen Welt in Israel gesehen, sondern in der Überwindung des Bösen.

Mit dem Angebot der göttlichen Gnade in Jesus wurde der Weg frei, sich das Heil nicht selbst zu schaffen, sondern es dankbar anzunehmen. Vergebung muss nicht erwirkt werden, sondern darf empfangen werden. Damit verliert das Böse die Macht.

Das Gesetz ist nicht mehr Forderung, sondern Wegweisung und Richtschnur. Gott hat uns zuerst geliebt, sogar als wir ihm noch feindlich gesinnt waren. Indem er uns zuerst beschenkt, werden wir fähig, seine Liebe zu erwidern. Diese Liebe prägt nun auch das Verhältnis zu unserem Umfeld. Denn Liebe will den anderen nicht besiegen, sondern für die Liebe werben.

Göttliche Einheit

Die göttliche Einheit zwischen Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist muss dabei kein Hindernis sein. Sie bleibt in ihrer vollen Gestaltung ein Geheimnis für uns. Auch schon in der Tora wirft die Erscheinung Gottes Fragen auf. In 1.Mose 18 wird davon berichtet, dass JHWH (die vier Buchstaben des Namens Gottes im Alten Testament, meist Jahwe ausgesprochen) Abraham besuchte. Abraham hiess drei Männer willkommen.

In Vers 22 heisst es dann, dass sie sich später auf den Weg nach Sodom machten. In Kapitel 19,1 spricht die Bibel von zwei Engeln, die in Sodom ankamen, und dass Abraham aber immer noch mit JHWH sprach (1.Mose 18,22ff). Gott erschien ihm also als Mann und ass bei dieser Begegnung sogar Kalbfleisch mit Rahm und Milch (1.Mose 18,8). Wenn Gott hier als Mensch erscheinen konnte, warum sollte es ihm nicht möglich sein, in Jesus auf die Welt zu kommen?

Schon Jesus wies auf das göttliche Geheimnis hin. Er fragte die Pharisäer, wie David Christus seinen Herrn nennen könne, wo dieser doch sein Nachkomme sei (Matth. 22,41 - 46). Hier können wir uns nur wie Abraham im Vertrauen auf Gott einlassen, auch wenn wir mit unserem Verstand diese Dimension nicht erklären können.

Psalm 22 blickt tausend Jahre voraus

In Psalm 22 beschreibt David in einer Vorausschau, was sich am Kreuz ereignete. Es ist beachtenswert, dass David den Kreuzestod so exakt beschreiben konnte, obwohl diese Art der Hinrichtung erst rund 500 Jahre später von den Persern erfunden und dann von den Römern übernommen wurde.

Jesus selbst zitierte die ersten Verse dieses Psalmes am Kreuz. Inhaltlich beschreibt dieser Psalm exakt seine Situation: Die Leute spotteten über ihn (V. 7). Sie riefen, er solle sich doch selbst helfen, wenn er der Messias sei (V. 8-9). Ihn dürstete (V. 16). Sie durchgruben seine Hände und Füsse (V. 17). Sie würfelten um seine Kleider (V. 19). Er wurde nicht durch das Schwert getötet (V. 21). Durch seine Botschaft wurden Menschen dazu bewegt, Gott zu dienen (V. 23-32).

Vor der Zerstörung des Tempels

Laut Daniel 9,26 wird der Gesalbte (Messias) sterben, bevor das Heiligtum und die Stadt zerstört wird. Mit der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. wurden alle Familienstammbäume vernichtet. Niemand kann heute seine direkte Abstammung von David belegen. Für die Schriftgelehrten zur Zeit Jesu wäre es leicht gewesen, ihm seine Messianität abzusprechen, wenn seine Abstammung in Frage gestellt hätte werden können.

Jesaja 53

Es liegt deshalb nahe, in Jesus die Person zu sehen, die Jesaja so beschrieben hat (Jes. 53,4-5): „Jedoch unsere Leiden – er hat sie getragen; und unsere Schmerzen – er hat sie auf sich geladen. Wir aber, wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt. Doch er war durchbohrt um unserer Sünden willen. Die Strafe lag auf ihm zu unserem Frieden und durch seine Striemen ist uns Heilung geworden.“

Mehr Infos über die messianische Bewegung: www.amzi.org

Autor: Der Theologe und Ausbilder Hanspeter Obrist leitet die Arbeitsgemeinschaft für das messianische Zeugnis an Israel.
Quelle Text und Bilder: AmZI, Reinach BL

Datum: 26.07.2004

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