Test nicht bestanden – Jesus entlarvt falsche Frömmigkeit
Der Meister gab seinen Jüngern am anderen Morgen eine Antwort, die sie nicht erwarteten. Er war bei einem Feigenbaum vorbeigekommen, der gesund aussah, aber keine Feigen trug. „Du sollst nie mehr Früchte tragen!“ rief Jesus. Und – der Baum verdorrte zusehends!
Was durfte Jesus? Mit welchem Recht griff er in die Ordnung des Tempels ein? Diese Frage stellten nicht nur seine Freunde, sondern auch die religiösen Führer in der Stadt.
Als Jesus wieder im Tempel erschien, stellten ihn die Mitglieder des hohepriesterlichen Clans zur Rede. „Wer hat dir die Vollmacht gegegen, solches zu tun?“ Dabei standen auch Vertreter der einflussreichen Familien Jerusalems und Schriftgelehrte – ihre Ansammlung machte aus der Unterhaltung fast schon ein Verhör.
Aber Jesus knickte nicht ein. Er war nicht verlegen, sondern – stellte eine Gegenfrage. „Vor einigen Jahren rief Johannes unten am Jordanfluss die Leute auf, sich taufen zu lassen. Sagt mir: War diese Taufe seine eigene Idee, oder handelte er im Auftrag Gottes?“
Betretenes Schweigen. Die Gelehrten überlegten. Sie wagten nicht zu sagen, was sie dachten (dass Johannes in eigener Mission gescheitert war), weil das Volk ihn als Prophet und Märtyrer verehrte. Dass Johannes im Auftrag von oben Umkehr gefordert hatte, konnten sie nicht zugeben, denn sie hatten sich seinen Aufrufen verschlossen. So wichen sie aus: „Wir wissen es nicht.“
Und zogen sich zurück. Jesus hatte an den Tag gebracht, dass es ihnen nicht um die Wahrheit ging. Die Menschen verehrten ihn. Durch ihn kam Licht in ihre Religion, welche die Gelehrten mit unsäglich vielen Vorschriften zugepflastert hatten.
So warf der Wanderprediger aus Galiläa der religiösen Führung vor, dass auch von Gewürzen wie Dill und Kümmel – winzigen Mengen – der zehnte Teil Gott gegeben werden musste. „Aber um das Wichtigste an seinem Gesetz, um Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue, darum kümmert ihr euch nicht!“
Mit einer Gleichnisgeschichte trieb er die Herausforderung der Mächtigen auf die Spitze. Allen Frommen war das Bild vertraut: Der Prophet Jesaja hatte die Israeliten mit einem Rebberg verglichen, der statt der guten bloss saure Trauben brachte.
Jesus wandelte das Bild ab: „Ein Mann verpachtete seinen Rebberg, weil er ins Ausland ging, forderte aber von den Pächtern den Ertrag. Diese jagten seine Diener davon, und als er seinen eigenen Sohn schickte, um seinen Anspruch auf die Früchte zu unterstreichen, töteten sie ihn, den Erben, um den Weinberg ganz an sich zu reissen.“
Da war kein Ausweichen: Die ergrauten Schriftgelehrten und Tempelchefs mussten in den Pächtern sich selbst erkennen. Und sich selbst das Urteil sprechen, als Jesus sie fragte, wie der Rebbergbesitzer bei seiner Rückkehr mit den Mördern verfahren werde.
Jesus liess keinen Zweifel daran: Er war der Sohn, der im Volk gute Früchte (eine echte Frömmigkeit ohne Hintergedanken und Machtstreben) suchte. Durch ihn würde Gott seine Absichten mit dem Volk verwirklichen, gegen allen Widerstand.
Genug. Die Gedemütigten zogen sich zurück. Ihr Vorsatz stand fest: Der Galiläer musste weg. Möglichst vor dem bevorstehenden Passa-Fest – und so, dass die Pilger nicht gereizt würden. Wie anstellen? Einer kam ihnen zu Hilfe, der um das Verbleiben von Jesus wusste: Judas, einer der zwölf Jünger.
Fortsetzung folgt.
Die Evangelisten Matthäus (Kapitel 21) und Markus (Kapitel 11 und 12) schildern diese Tage in Jerusalem ausführlich.
Autor: Peter Schmid
Quelle: Jesus.ch