Missverstandener Klassiker
Jona: Es geht nicht um den Fisch
Jona ist der bekannteste unter den sogenannten «Kleinen Propheten». Er ist renitent, sympathisch und seine Geschichte enthält so viele dramatische Szenen, dass man leicht das Wichtigste dabei aus den Augen verliert: Es geht darin (fast gar nicht) um den Fisch.
Generationen von Kindern wachsen mit einem relativ schmalen Alten Testament in ihrer Kinderbibel auf: Da wird von der Schöpfung erzählt und der Sintflut, von den Erzvätern, Mose und David – und dann kommt noch Jona. Immer. Und immer ist der Kern der Geschichte das ganzseitige Bild eines riesigen Fischmauls, das den Propheten verschluckt.
Keine Frage: Die Geschichte ist toll! Sie lässt sich spannend erzählen. Doch auch viele Erwachsene sehen dabei in Gedanken die ganze Zeit einen riesigen Fisch vor sich. Worum geht es bei dem Buch eigentlich?
Jona
Im Gegensatz zu den anderen Kleinen Propheten gibt es im Jona-Buch weder Ausblicke in die Zukunft noch grosse Predigten. Die Botschaft, die Jona verkündet, besteht aus einer Gerichtsankündigung in einem einzigen Satz: «Noch 40 Tage, und Ninive wird zerstört!» (Jona Kapitel 3, Vers 4).
Doch diese Predigt tritt völlig hinter dem Leben und Erleben von Jona selbst zurück. Gott ruft ihn und sendet ihn nach Ninive – das heutige Mossul im Irak. Aber Jona flieht in die entgegengesetzte Richtung. Tarsis in Spanien ist sein Ziel. Auf der Überfahrt dorthin gerät das Schiff in einen Sturm, die Seeleute finden heraus, dass Jona an dem Unwetter schuld ist und werfen ihn über Bord. «Und der Herr entsandte einen grossen Fisch, der Jona verschlingen sollte; und Jona war im Bauch des Fisches drei Tage und drei Nächte lang» (Jona Kapitel 2, Vers 1). Dort betet Jona zehn Verse lang und in Vers 11 spuckt ihn der Fisch wieder an Land.
Danach geht das Buch in die zweite Runde. Gott wiederholt seinen Ruf, diesmal gehorcht Jona und geht nach Ninive. Er predigt in der feindlichen Hauptstadt und die Menschen dort kehren um. Alle sind zufrieden, nur Jona ärgert sich, dass Gott die Feinde verschont.
Fisch oder Wal?
Wer die Geschichte ganz liest, findet viele wunderbare bzw. märchenhafte Elemente darin. Das grösste ist sicherlich der Fisch. Oder ist es doch ein Wal gewesen oder ein Walhai? Und kann ein Mensch darin drei Tage lang überleben? Gern wird hier die Geschichte von James Bartley erzählt, der im 19. Jahrhundert vor den Falklandinseln von einem Wal verschluckt worden und darin angeblich anderthalb Tage überlebt haben soll. Leider kommen in Bartleys Bericht wesentlich mehr Ungereimtheiten vor als seine Begegnung mit dem Wal. Sprich: Besonders glaubwürdig ist dieser Zeuge nicht.
Während die einen sich also vorstellen, dass Jona nach drei Tagen nach Fisch riechend und mit Algen in den Haaren an den Strand gespuckt wurde, einfach weil Gott das kann, betonen andere, dass die Geschichte nur unterstreicht, dass die gesamte Bibel eine Art Märchenbuch ist. Beides wird der Jonageschichte nicht gerecht.
Eine Karikatur
Ziemlich offensichtlich lebt das Buch Jona von Übertreibungen. Alles passiert sofort und ist gewaltig gross. Ein Baum wächst an einem Tag und ein einziger Wurmstich lässt ihn verkümmern. Sebastian Rink zeigt in seinem Buch «Wenn Gott reklamiert», dass das alte Ninive für antike Verhältnisse zwar gross war, aber mit seinen fünf Kilometern Durchmesser keine «drei Tagesreisen gross» war (Jona Kapitel 3, Vers 3). Ist die Geschichte deshalb falsch oder eine Märchenerzählung? Nein. Wie jede Karikatur überspitzt sie die Wahrheit nur, um sie deutlich herauszustellen. Wer sich bei der Frage Fisch oder Wal aufhält, wer aus den karikierenden Zeichnungen des Buches historisch exakte Fotografien machen möchte, der verpasst womöglich die eigentliche Botschaft des Buchs.
Die eigentliche Botschaft
Ein Prophet ist nicht in erster Linie jemand, der über die Zukunft redet, sondern vielmehr jemand, der Gott zuhört. Und da beginnt das Problem von Jona bereits. Er hat seine Meinung, wie Gott reden und handeln sollte – und er ändert sie nicht gern. Doch das ganze Buch Jona hindurch zeigt Gott, wie sehr er Menschen liebt und das Leben will. So sehr, dass er seine Meinung ändert, um diese Menschen zu retten. Und er entschuldigt sich nicht für diese Programmänderung, sondern versucht auch noch, seine eigenen Leute (allen voran Jona) dafür zu gewinnen. In diesem Sinne ist Jona heute hochaktuell. Denn an den klaren Überzeugungen, wie Gott für seine Leute und gegen ihre Gegner sein sollte, hat sich bis heute nichts geändert. Zum Glück aber auch nicht an der Liebe Gottes.
Zum Thema:
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Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet
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