Wenn Glaube zur Entscheidung ruft

Offen für alles?

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Offen für alles? (Bild: Unsplash)
Wenn es ein Prinzip gibt, das in unserer Gesellschaft als fortschrittlich gilt, dann ist es «Offenheit». Sie wird gern gefordert, auch für den Glauben. Hat Offenheit Grenzen?

«Offen sein» klingt eigentlich gut; wer will sich denn schon dem vielen Neuen und den Veränderungen unserer Zeit gegenüber «verschliessen»? Unsere sich rapide verändernde Welt erfordert einen hohen Grad an Offenheit für Neues, das ist klar. Aber können wir wirklich offen für alles sein?

«Wer nach allen Seiten offen ist, der kann nicht ganz dicht sein», soll Kurt Tucholsky gesagt haben. Wie ist es in der Realität wirklich? Welche Menschen ziehen uns im Umgang mehr an – die, die eine Überzeugung und Meinung haben oder die, die ihren Mantel nach jedem Wind hängen?

Drama auf dem Berg

Das hier ist eine der dramatischsten Geschichten der Bibel, ja der Weltgeschichte. Hauptdarsteller: ein Prophet, ein König samt Anhang, mindestens 400 Priester und eine grosse Menge normaler Leute. Ort: eine grosse Hochfläche auf der Ostseite des Berges Karmel, an der Nordgrenze Israels in Meeresnähe gelegen. Im 1. Buch der Könige lässt sich alles nachlesen. Die Kurzversion:

  • König Ahab: Einer, der offen war für alles. Er hatte die Tochter eines Priesters des Gottes Baal geheiratet. Baal war ein Naturgott: Nach Ansicht seiner Gläubigen brachte er Regen und Hitze und sorgte damit für Fruchtbarkeit – verkörpert in seiner Partnerin Astarte. Mit Ahabs Duldung hatte seine Frau Isebel in Israel einen blühenden Baalskult errichtet.

  • 400 Priester von Baal: Sie gaben sich weidlich Mühe, zu beweisen, dass ihr «Gott» eine Realität ist

  • Der Prophet Elia: Er war überzeugt, dass es nur einen Gott gibt und man nicht die Mächte der Natur oder andere Götter anbeten soll. Einer gegen 400.

  • Das Volk: unsicher, hin- und her geworfen zwischen dem Glauben an einen Gott und den verführerischen Möglichkeiten dieser Naturreligion.

Offen für alles – oder Hinken auf beiden Seiten?

Für das Volk damals gab es nicht «Jahwe oder Baal», sondern die beiden liessen sich problemlos kombinieren. Synkretismus nennt man das – die Meinung, dass alle möglichen Überzeugungen nebeneinander möglich sind, selbst wenn sie sich widersprechen. Eine solche Haltung wird immer als «offen für alles» erlebt, während der Glaube an Gott allein dann als «eng» bezeichnet wird.

«Wie lange wollt ihr noch auf beiden Seiten hinken?» – mit dieser klassischen Frage fordert Elia seine Landsleute zum Entweder-Oder heraus und ist bereit, die Wahrheit des Glaubens einem rigorosen Test zu unterziehen. Es lohnt sich, die dramatische Story nachzulesen: Sie bauen zwei Altäre mit Opfertieren drauf – der Gott, der Feuer zum Verbrennen fallen lässt, soll als wahrer Gott gelten. Die armen Priester des Baal tun, was sie können, schreien und tanzen ihre religösen Rituale, einen halben Tag lang. Aber nichts passiert. Dann Elia: ein Gebet, und Feuer fällt vom Himmel. Die Sache ist entschieden, Israel ruft: «Der Herr ist Gott, der Herr ist Gott!»

Die Kräfte der Natur

Heute beten wir keinen «Baal» mehr an, wir sind ja aufgeklärt. Aber die Haltung «offen für alles» ist für viele zum 11. Gebot geworden: «Du sollst dich auf keinen Fall festlegen.» Das zeigt sich im Spielen mit anderen Religionen, aber z.B. auch – und das ist vielen weniger bewusst – in der quasi-Absolutsetzung der «Natur». Was natürlich ist, ist gut. Mutter Erde wird's schon wissen. Die Natur ist die letzte Instanz.

Nun ist diese Verehrung der Naturmächte eine widersprüchliche Sache. Der Naturgott Baal, der mit Regen und Hitze das Leben brachte, forderte gleichzeitig Kinder zum Opfer. In Südamerika, wo Mutter Erde verehrt wird (Pachamama), werden antike Riten mit grausamen Tier- und manchmal auch Menschenopfern wieder wach. Und viele heutige Zeitgenossen, die sich ihrer «natürlichen» Lebensweise rühmen, verhalten sich dann doch bei der «natürlichsten Sache der Welt» – nämlich dass aus Sex ein Kind wird – höchst unnatürlich und sind oft schnell bereit, es zu «opfern», wenn es nicht passt (was nicht heisst, dass es nicht Konfliktfälle gibt, die sehr schmerzhaft sein können).   

«Offen für alles» ist zu wenig

Die ganze Bibel – und der christliche Glaube – ist eine einzige Einladung, von der Schöpfung einen Schritt weiter zum Schöpfer zu gehen. Von unpersönlichen Kräften hin zu einem personalen Gott. Vom Ausgeliefertsein an die Naturmächte hin zu einer persönlichen, freiwilligen Abhängigkeit von einem liebenden Vater.

Jeder, der sich schon einmal verliebt hat, weiss, dass spätestens dann «offen für alles» nicht mehr zieht. Mit der Liebe kommt etwas Wichtigeres ins Leben: Hingabe und Leidenschaft und Tiefe und Höhe und Richtung. Das sind die Kräfte, die das Leben lebenswert machen.

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Datum: 04.02.2021
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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