Satire: Minilexikon freikirchlicher Reizwörter

In Freikirchen und christlichen Gemeinschaften stellt man öfters einen Sprachgebrauch fest, der für nicht Eingeweihte einigermassen verwirrend ist. Die folgenden Begriffsklärungen haben durchaus etwas unterhaltenden Charakter.

Aussenstehende

Meint nicht die Gottesdienstbesucher, welche mangels Platz stehend vor der Kapelle den Gottesdienst mitverfolgen, sondern alle, die noch nicht zu meiner Kirche gehören. Aussenstehende sind sie auch, wenn sie katholisch oder reformiert sind oder zu den liberalen Methodisten gehören.

Bibeltreu

Bezeichnet nicht eine Qualität der Bibel, sondern der >Frommen, welche alles glauben, was die Bibel sagt - oder die davon nicht mehr Ausnahmen machen, als ich das tue. Nicht bibeltreu zu sein, bedeutet einen Freipass zur Hölle.

Bruder und Schwester

In früheren Zeiten Anrede für die erwachsenen Glaubensgenossen in der "Gemeinde". Heute aus der Mode gekommen und nur noch für Mitglieder von Orden gebräuchlich. Ganz so familiär sind auch die Freikirchen nicht mehr.

Brüderlich

Äusserte sich, zumindest früher, in der Anrede "Bruder" für die Männer, besonders wenn sie Prediger oder Vorstandsmitglieder waren. Es gab den Brüderrat (=Vorstand), aber auch einen Brüderverein (eine besonders >fromme Freikirche mit Hauptsitz im Emmental).

Demütig

Eine der höchsten geistlichen Tugenden und vor allem jenen geschenkt, welche sich den geltenden Gesetzen, Normen und Konventionen ohne Widerstand anpassen. Zeichnet vor allem diejenigen aus, die eigene Entscheidungen für ihr Leben vermeiden möchten.

Dienen

Geläufiger Ausdruck für alle, die in der Gemeinde das Sagen haben oder es haben möchten. In der ursprünglichen biblischen Bedetutung stand der Diener unter den Bedienten. Dienen hat heute allenfalls im Militärdienst noch diese Bedeutung behalten. In Staat und Kirchen sind die echten Diener ohne den Titel. Trösten wir uns. Schon die Jünger Jesu zankten sich, wer einst dem Gottessohn am nächsten sitzen dürfe.

Erbaulich

Das Prädikat bezeichnet Predigten, Vorträge, Musik und Gebete, welche meiner Seele wohl tun und meine fromme Stimmung heben. Im ursprünglichen Sinn ging es um den Aufbau des Reich Gottes und die zunehmende Reife und Kompetenz der Erbauer.

Geistlich

Kein Leim, sondern die Qualität des ethischen und spirituellen Lebens der >Gläubigen betreffend. Mit "ungeistlich" wird das Verhalten und Denken jener Gemeindeglieder bezeichnet, die in Fragen, die mir wesentlich sind, anders denken, oder deren Verhalten anders ist, als ich es liebe. Ursprünglich sollte damit gesagt werden, dass in einem Menschen oder seinen Handlungen Gottes Geist am Wirken ist.

Gläubige

Menschen, die die Anforderungen für Christen nach meinen Massstäben erfüllen. Oft mit dem Begriff "GLINUS" umschrieben = "Gläubige in unserem Sinne".

Gemeindezucht

Ein Verfahren, das jene zur Rechenschaft zieht oder aus der Gemeinde ausschliesst, die gegen wichtige Bestimmungen und Regeln der Gemeinde verstossen oder mehr Kritik äussern, als der Pastor zulässt. Der Begriff erinnert daran, dass es nach dem Jakobusbrief in einem dreistufigen Verfahren möglich war, Menschen aus der Gemeinde zu weisen, wenn diese mit ihrer Lebenspraxis ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellten.

Fromm

Titel einer eingegangenen Jugendzeitschrift. Aber auch ein Code, der Christen betrifft, die ein wenig christlicher als nur Christen sind. Wer sich selbst als "fromm" bezeichnet, versteht sich nie als frömmlerisch.

Gehorsam

Hohe >geistliche Auszeichnung für alle Gemeindemitglieder, welche die Entscheide und Meinungen ihrer Prediger und Brüderräte nicht hinterfragten. Ungehorsam sein dagegen ist Grund für >Gemeindezucht und Ausdruck nicht konformer Einstellungen und Meinungen.

Lobpreis

Verstärkung des überkommenen Begriffs Anbetung. Meist mit E- und Bassgitarren, Schlagzeug und einigen hundert Watt Sound unterstützt. Auch wenn keiner mehr ein Wort versteht, Gott weiss es. Modernerer Begriff: >Worship.

Ungläubige

Nicht diejenigen betreffend, die noch nicht den Propheten Mohammed anerkennen, sondern alle, die überhaupt keinen Glauben besitzen, oder die einen andern Glauben haben, oder die einen christlichen Glauben haben, der nicht dem Prädikat >GLINUS entspricht.

Worship

Auf Deutsch die Anbetung Gottes betreffend. Weil aber in modernen Churches the blessing of the Lord anders erlebt wird, nämlich meistens unter Anleitung einer Worship Band, muss für die Communication und das Marketing einer International Fellowship ein anderer term gefunden werden. Tönt einfach cooler.


Autor: Fritz Imhof
Quelle: Jesus.ch

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